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»Wie?«, krächzte Joe.

Ezra wartete einfach ab.

»Als der Erzengel Michael die rebellierenden Engel bezwang, warf er sie aus dem Himmel«, sagte Carter und konnte kaum fassen, dass er so weit ging. »Und sie stürzten in die Tiefe.«

»Laut der Schriften sechs Tage und Nächte lang«, fügte Ezra leise hinzu.

»Ja. Sie schlugen wie Meteore auf dem Boden auf und wurden von den Eingeweiden der Erde verschlungen. Genau dort, wo wir das Fossil gefunden haben.«

Joe schloss die Augen und murmelte leise ein Gebet. Nach ein paar Sekunden rührte Ezra sich auf seinem Stuhl. »Für mich hört sich das ganz und gar nicht verrückt an.« Aber er bedachte Carter mit einem taxierenden Blick. »Und wie klingt es für einen Mann der Wissenschaft?«

Doch Carter war sich nicht länger sicher. Über gar nichts. Er wühlte in seiner Aktentasche herum, holte das Kruzifix heraus, stand auf und reichte es Joe.

Ezra lächelte. Als hätte er seine Antwort erhalten.

30. Kapitel

Wenn Beth nicht versprochen hätte, mit Abbie zusammen die letzten paar Sachen für das Landhaus zu besorgen, wäre sie vermutlich direkt nach Hause gegangen, hätte die Tür abgeschlossen und ein langes heißes Bad genommen. Aber sie hasste es, ihre Freundin zu enttäuschen, und da sie planten, am kommenden Wochenende hochzufahren, war heute die letzte Gelegenheit, um die Einkäufe zu erledigen.

Sobald Raleigh aus der Tür war, fügte Beth der Gästeliste noch einen weiteren Namen hinzu, damit die Liste der Einladungen zur Weihnachtsfeier am nächsten Tag an die Druckerei geschickt werden konnte, und loggte sich aus ihrem Computer aus. Der Nachtportier, Ramon, stand bereits an der Treppe, als sie ging.

»Guten Abend, Mrs Cox«, sagte er, während er etwas Kaffee aus seiner Thermoskanne in seinen Plastikbecher der Yankees goss. »Vergessen Sie Ihren Schirm nicht.«

»Regnet es?«, fragte Beth. Sie war den ganzen Tag hinten beschäftigt gewesen und hatte keine Ahnung, was draußen in der Welt vor sich ging.

»Noch nicht, aber es heißt, da würde noch was runterkommen.«

Sie war sicher, dass sie ihren Regenschirm zu Hause gelassen hatte. »Ich fürchte, ich muss es darauf ankommen lassen.«

Draußen war es kalt und windig, und Ramon hatte wahrscheinlich recht. Die Abendluft schmeckte feucht. Sie zog den Kragen ihres Mantels bis zu den Ohren hoch und setzte sich in Richtung Bloomingdale’s in Bewegung, wo sie sich Punkt sechs mit Abbie treffen wollte. Auf den Bürgersteigen drängten sich wie immer die Menschenmassen, und mehr als einmal hatte sie das unheimliche Gefühl, jemand würde ihr folgen. Jeden Moment rechnete sie damit, ein Tippen an der Schulter zu spüren. Doch sobald sie sich umdrehte, sah sie stets nur ein Meer aus fremden Gesichtern, von denen manche gar nicht glücklich wirkten, weil Beth ihr Vorankommen störte.

»Frohe Feiertage«, brummte ein Mann, »aber jetzt machen Sie schon.«

Zwischen den Straßenlaternen über ihren Köpfen waren Kabel gespannt, an denen Rauschgoldsterne und rote Zuckerstangen aus Aluminium baumelten, und die Schaufenster waren mit Kunstschnee beflockt. Normalerweise genoss Beth all die weihnachtlichen Dekorationen, aber dieses Jahr war sie einfach nicht in der Lage, sich darauf einzulassen. Heute Abend war sie sogar so erschöpft und ausgebrannt, dass sie es gerade noch schaffte, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Der Anruf aus Dr. Westons Praxis hatte die Sache auch nicht gerade besser gemacht. Sie solle die Dosis ihrer Eisentabletten erhöhen, hatte er gesagt und sie daran erinnert, dass sie eine sehr seltene Blutgruppe hatte, AB negativ.

»Falls Sie sich entscheiden sollten, auf alternativem Wege schwanger zu werden«, hatte der Arzt so taktvoll wie möglich erklärt, »würde ich Ihnen empfehlen, ein oder zwei Eigenblutspenden zu machen, nur für den Fall, dass es bei der Geburt gebraucht wird.«

Im Moment hatte sie das Gefühl, nicht einmal einen einzigen Tropfen entbehren zu können.

Auf den Gängen bei Bloomingdale’s war, wie zu erwarten, nahezu kein Durchkommen. Sie nahm den Fahrstuhl in die Einrichtungsabteilung und fand Abbie bereits mitten in einem angeregten Beratungsgespräch mit einer jungen eleganten Verkäuferin.

»Glauben Sie wirklich, dass diese Kissenfarbe sich nicht mit den Vorhängen beißt, die wir bereits bestellt haben? Der Stoff ist doch eher gelb als pfirsichfarben!«

»Nein«, sagte die junge Frau und schüttelte energisch den Kopf. »Die gehören alle zur selben Design-Linie und ergänzen einander.«

Abbie blickte auf und entdeckte Beth. »Glaubst du, dass dieser Stoff zu den Vorhängen im Esszimmer passt, die wir schon bestellt haben?«

Beth musste darüber nachdenken. »Ja, vielleicht.«

»Ja oder vielleicht?«, wollte Abbie wissen.

Die Verkäuferin wirkte verärgert, jetzt musste sie für jeden Einkauf zwei Stimmen gewinnen.

»Nein«, entschied Beth.

Abbie lachte, und die Verkäuferin lächelte durch die zusammengebissenen Zähne, ehe sie sich demonstrativ entschuldigte und verschwand, um eine andere Kundin zu bedienen.

»Danke für deine Meinung«, sagte Abbie leise. »Ich wollte sie sowieso loswerden.«

Beth lächelte.

»Und danke, dass du an so einem lausigen Abend gekommen bist.«

»Kein Problem.«

»Bist du sicher?«, fragte Abbie besorgt und legte Beth eine Hand auf den Arm. »Entschuldige meine Offenheit, aber du siehst nicht besonders gut aus.«

»Das ist schon in Ordnung – ich fühle mich auch nicht besonders gut.«

»Glaubst du, du brütest irgendetwas aus? Hast du dich gegen Grippe impfen lassen?«

»Ja, ich bin geimpft, und nein, ich glaube nicht, dass ich wirklich krank werde.«

Sie schlenderten einen anderen Gang entlang, vorbei an Tischen, auf denen sich extrem teure Haushaltstextilien stapelten.

»Ich fühle mich seit ein paar Nächten nicht mehr so richtig wie ich selbst. Ich kann nicht einschlafen, und wenn ich es schaffe, träume ich so schlecht, dass es sich kaum lohnt.«

»Hör zu, Beth … wenn dir nicht danach ist, am Wochenende mit aufs Land zu fahren, denk nicht weiter daran. Wir können es auch ein anderes Mal machen.«

»Nein, nein«, protestierte Beth. »Ich freue mich darauf. Ich glaube, der Tapetenwechsel wird mir ganz guttun.«

»Ich frage mich, ob ich Ben wohl auch dazu bekomme, es so zu sehen.«

»Ganz bestimmt«, versicherte Beth ihr, obwohl sie im Grunde ihres Herzens fand, dass Ben nicht ganz unrecht hatte. Obwohl das Haus auf den Bildern so heimelig ausgesehen hatte, ging von dem Ort etwas unbestimmt Tristes aus, etwas, das alle hellen Vorhänge und farbigen Tapeten der Welt nicht würden vertreiben können. Das Haus strahlte Einsamkeit aus, wirkte sogar ein wenig abweisend.

Ohne dass sie es geplant hätten, fanden sie sich am Ende eines Ganges in der Abteilung für Kinderzimmereinrichtungen wieder. Wo Beth auch hinsah, entdeckte sie Bettlaken und Kissenbezüge, verziert mit Karussells, tanzenden Seepferdchen und einer großen Auswahl an Disney-Figuren.

»Ist dir schon einmal aufgefallen, dass man, wenn man ohne Erfolg versucht schwanger zu werden, an jeder Ecke über Kinder und Kinderzeug stolpert?«, bemerkte Abbie.

Es war Beth aufgefallen. Und seit dem letzten Termin bei Dr. Weston, bei dem sie die schlechten Nachrichten über Carters Zeugungsunfähigkeit erhalten hatten, schien es nur noch schlimmer geworden zu sein. Egal, wohin sie ging, sie stieß auf Babys, Kinder und werdende Mütter.

»Ben und ich überlegen, ob wir es nächstes Jahr mit dieser In-vitro-Sache versuchen. Und wie sieht’s bei dir und Carter aus? Macht ihr irgendwelche Fortschritte?«

»Nein«, sagte Beth und versuchte, möglichst unbekümmert zu klingen. »Bisher jedenfalls nicht.« Obwohl Abbie ihre älteste und beste Freundin war, hatte sie ihr den jüngsten und in gewisser Weise endgültigen Rückschlag noch nicht mitgeteilt. »Macht es dir etwas aus, wenn ich mir kurz mal die Musterzimmer anschaue?«, sagte Beth. »Ich will immer wissen, wie weit ich der Mode hinterherhinke.«

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