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Beth runzelte die Stirn, als versuchte sie sich eine Meinung zu einem besonders heiklen Problem zu bilden. Dann sagte sie: »Vielleicht hast du recht. Es ist nie gut, die Dinge hinauszuschieben.«

2. Kapitel

»Wir landen in wenigen Minuten«, sagte der Pilot über die Bordsprechanlage. »Ich bitte die Flugbegleiter, alles für die Landung vorzubereiten.«

Ezra Metzger öffnete seine silberne Pillendose, nahm einen weiteren Tranquilizer heraus und spülte ihn mit dem Rest seines Evian-Wassers herunter. Er hatte es bereits bis hierher geschafft, jetzt musste er nur noch eine Stunde lang Ruhe bewahren.

»Bitte schließen Sie den Sicherheitsgurt«, sagte die Stewardess und griff nach seinem leeren Plastikbecher. Er reichte ihn ihr, dann sagte sie dasselbe zu der jungen Frau Anfang zwanzig, die den ganzen Flug über auf dem Sitz hinter ihm geschnieft hatte. Jedermann schien sehr besorgt um das Mädchen zu sein, und Ezra hatte sich gefragt, was wohl dahinterstecken mochte. War sie eine Fernsehschauspielerin, die öffentlich ihren Liebeskummer zelebrierte? Er wusste, dass er ziemlich hinter dem Mond lebte, was Popkultur anging. Dabei war er nicht einmal besonders alt, gerade mal dreißig. Aber in den letzten drei Jahren hatte er sich nahezu rund um die Uhr im Institut in Jerusalem aufgehalten, und selbst, als er noch in New York gelebt hatte, hatte er eher dazu tendiert, Vorträge im Cooper-Hewitt-Museum zu besuchen, als fernzusehen oder sich einen Film anzuschauen.

Als das Flugzeug mit dem Sinkflug begann, schloss er die Augen und versuchte, entspannt zu bleiben. Er wusste, dass er einen vollkommen ungezwungenen Eindruck machen musste, wenn er den Zoll passierte, und bei jeder Verzögerung, Frage oder Bitte ganz ruhig bleiben musste. Er ermahnte sich, dem Zollbeamten gerade in die Augen zu schauen, nicht zur Seite zu blicken, seine Nase zu berühren, sich am Kinn zu kratzen oder sonst irgendetwas zu tun, das womöglich seine Nervosität und Angst verraten könnte. Und falls er tatsächlich das Pech haben sollte, dass man seine Taschen durchsuchte oder ihn in aller Ausführlichkeit befragte, musste er Gleichmut und Unbekümmertheit zeigen. Das Geheimnis, so sagte er sich zum hundertsten Mal, lag darin, so zu tun, als hätte er nichts zu verbergen. Als sei er nur ein weiterer amerikanischer Staatsbürger, der glücklich war, nach einem ausgedehnten Auslandsaufenthalt wieder nach Hause zu kommen.

Obwohl das meilenweit von der Wahrheit entfernt war.

Sobald das Flugzeug gelandet war und auf das Gate zurollte, wurde das hübsche Mädchen mit dem haselnussbraunen Haar hinter ihm erneut bevorzugt behandelt. Während Ezra und die anderen Passagiere der ersten Klasse warteten, durfte sie das Flugzeug als Erste verlassen und die Fluggastbrücke betreten. Ezra konnte sie immer noch nicht einordnen, also fragte er eine gutgekleidete Frau, die im Gang neben ihm wartete, wer sie sei.

»Ich weiß nicht, wie sie heißt, aber ich habe in der Herald Tribune etwas über sie gelesen. Sie stammt aus einer angesehenen Familie und war gerade in den Flitterwochen, als ihr Mann bei einem Bootsunfall oder so etwas getötet wurde, in der Nähe von Neapel.«

Ezra ließ das Gesagte auf sich wirken, bis er feststellte, dass die Frau ihn ansah, als erwarte sie eine Reaktion von ihm. »Das ist sehr traurig«, sagte er pflichtschuldig. Konzentration, Ezra. Konzentration!

»Ja«, sagte sie, »furchtbar, nicht wahr?«, ehe sie sich so weit zurückzog, wie der schmale Gang es zuließ.

Als sich die Menschen vor ihm in Richtung Ausgang schoben, holte Ezra seine Papprolle aus dem Gepäckfach über seinem Kopf und klemmte sie sich unter den Arm. Verhalte dich ganz normal.

»Danke, dass Sie mit Alitalia geflogen sind«, sagte die Stewardess mit starkem Akzent, als er das Flugzeug verließ.

Er ging langsam, so dass er allmählich von der größeren Masse an Passagieren aus der Touristenklasse eingeholt wurde, und folgte den Schildern zur Einreise-und Passkontrolle. Eine Frau in blauer Uniform fragte: »Fremde Staatsangehörigkeit?«, und berührte ihn am Ärmel, um ihn in die ganz rechte Reihe zu dirigieren.

Bei ihrer Berührung riss er den Arm zurück, und sie sah ihn überrascht an.

»Sind Sie ein Ausländer, der unser Land besucht?«, fragte die Frau betont langsam.

»Nein, tut mir leid«, sagte Ezra. »Ich bin Amerikaner.«

»Oh, dann können Sie sich links anstellen.«

Er nickte zum Dank und ging auf die Schlange auf der linken Seite zu, aber er meinte ihre Blicke auf sich zu spüren, als er sich entfernte. Er musste sich besser in den Griff bekommen. Allerdings konnte er verstehen, warum sie sich geirrt hatte. Er war dunkelhaarig und angespannt, seine Kleidung stammte aus dem Ausland, und selbst sein Haarschnitt wirkte vermutlich irgendwie falsch. Bei seinen Reisen wurde er häufig für alles Mögliche vom Spanier bis zum Griechen gehalten, und als er mit der Hand übers Kinn strich, spürte er die Stoppeln, die während des langen Fluges nachgewachsen waren. Wenn er doch bloß daran gedacht hätte, sich im Waschraum des Flugzeugs zu rasieren …

Der Grenzschutzbeamte, der den Pass kontrollierte, war ein älterer Mann mit Drahtgestellbrille. Schweigend studierte er den Reisepass und blätterte bedächtig die Seiten ein paar Sekunden lang vor und zurück.

»Wann waren Sie das letzte Mal in den Vereinigten Staaten, Mr Metzger?«

»Vor etwa drei Jahren.«

»Sie haben im Ausland gearbeitet?«

»Ja, in Israel.«

»Was für eine Arbeit war das?«

»Ich war Stipendiat des Feldstein-Instituts.« Das traf zumindest teilweise zu. Ezra hatte bereits beschlossen, sich so eng wie möglich an die Wahrheit zu halten.

Der Beamte musterte ihn intensiv durch den oberen Teil seiner Gleitsichtbrille. Er schien auf mehr zu warten.

»Das ist ein Forschungsinstitut. Wir arbeiten dort mit modernster Technik, um archäologische Funde zu datieren und zu analysieren.«

Der Beamte nickte. »In dem Teil der Welt muss es eine Menge von dem Zeugs geben.«

»Ja, auf jeden Fall«, stimmte Ezra bereitwillig zu.

»Ist das der Grund, warum Sie so oft in …«, der Beamte hielt kurz inne und warf erneut einen Blick auf die Seiten des Reisepasses, »… Ägypten, Saudi-Arabien, Kuwait und dem Libanon waren?«

»Ja, genau deswegen. Manchmal habe ich bei Ausgrabungen gearbeitet.«

Der Beamte schwieg erneut, und Ezra befürchtete, er habe bereits zu viel gesagt. Er hatte versucht, das Wichtigste auszulassen und gleichzeitig so viel vom Rest der Geschichte preiszugeben wie möglich. Die Papprolle hatte er vorsichtig an seine Beine gelehnt.

Der Beamte hob seinen Stempel und hämmerte damit auf die letzte Seite von Ezras arg mitgenommenem Reisepass. Ezra unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung.

»Willkommen zu Hause«, sagte der Beamte und reichte ihm den Pass. »Die Gepäckausgabe und der Zoll befinden sich direkt vor Ihnen.«

Als Ezra durch den Gang neben dem Schalter schritt und gerade dachte: Ein Hindernis ist überwunden, eines liegt noch vor mir, hörte er die Stimme des Beamten hinter sich. »Mr Metzger?«

Ezra blieb stehen und drehte sich um. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals.

»Falls Sie planen, weiterhin so viel zu reisen, sollten Sie einen neuen Reisepass beantragen. Ihrer ist schon ziemlich zerfleddert.«

Ezra lächelte und schwenkte den alten Pass. »Mach ich.« Dann wandte er sich wieder der Gepäckausgabe zu.

Seine Koffer gehörten zu den ersten, die auf dem Förderband ankamen, ein weiterer Vorteil bei Flügen erster Klasse. Während er sein Gepäck in Richtung Zoll schleppte, versuchte er, zu einer raschen Einschätzung zu gelangen. Welcher Zollbeamte wirkte am wenigsten aufmerksam? Vor wem hatte sich die längste Schlange gebildet, in der die Fluggäste ungeduldig darauf warteten, durchgelassen zu werden?

Er entschied sich für eine untersetzte Beamtin, die mehr Interesse daran zu haben schien, mit einer ihrer Kolleginnen herumzualbern, als die Taschen der Passagiere vor ihr zu inspizieren. Als er an die Reihe kam, lächelte er sie an und reichte ihr ungezwungen die Zollerklärung, die er an Bord ausgefüllt hatte.

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