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»Danke«, sagte Ezra. »Sehe ich dich morgen?«

»Aber auf jeden Fall.«

Ezra nahm die Papprolle und trug sie hinein. Der Pförtner war neu und kannte ihn nicht, aber er erkannte die Lincoln-Limousine und Maury, der die Koffer auslud.

»Ich will zum Penthouse; ich bin Mr Metzgers Sohn«, erklärte Ezra trotzdem, und der Pförtner fragte: »Soll ich Sie anmelden?«

»Nein, nein, nicht nötig. Sie wissen, dass ich komme.«

Im Lift begrüßte Ezra den Fahrstuhlführer, einen der Angestellten, die am längsten in diesem Gebäude arbeiteten. Im obersten Stock stieg er aus und stand direkt im mit Marmor ausgestatteten Foyer des riesigen Apartments seiner Familie. Zum Glück war er vorgewarnt, dass der Bürgermeister zum Dinner da war, andernfalls hätte ihm der Anblick eines Polizisten womöglich einen Schock versetzt. Unter dem Gemälde einer Ballerina von Rodin hockte der Beamte auf dem Stuhl aus der Zeit des Französischen Empires und las in einer Boulevardzeitung.

»Wer sind Sie?«, fragte der Cop.

»Ich wohne hier«, sagte Ezra und fragte sich einen Moment später, ob das eigentlich stimmte.

»Okay, dann können Sie rein.«

»Furchtbar großzügig von Ihnen«, sagte Ezra.

In der Wohnung hörte er Gläserklirren und Geplauder, doch er dachte, dass er, wenn er vorsichtig genug war und sich heimlich durch den Flur schlich, es vielleicht bis in seine Zimmer schaffen könnte, ohne entdeckt zu werden.

»Ezra!«

So viel also zum Thema Heimlichkeit. Oder hatte der Pförtner doch angerufen und Bescheid gegeben?

Seine Stiefmutter betrat die Halle. Ihre achtundneunzig Pfund in ein hautenges schwarz-silbernes Etwas gehüllt, stakste sie auf zehn Zentimeter hohen Absätzen auf ihn zu. An ihrem Hals glitzerte ein Collier aus Diamanten und Smaragden, ohne Zweifel das jüngste Geschenk seines vernarrten Vaters.

»Willkommen zu Hause«, sagte sie und legte ihm die Hände, kalt wie Diamanten, auf die Wangen. Eine perfekte Simulation von Zuneigung. »Es ist so lange her.«

»Ja«, sagte er, »das stimmt.« Er fragte sich bereits, ob es lange genug gewesen war.

»Wie war der Flug?«

»Gut, danke.«

»Dein Vater ist schon ganz ungeduldig, dich zu sehen. Du wirst doch zumindest kurz hereinkommen und hallo sagen, nicht wahr?«

»Klar, natürlich. Sobald ich mich frisch gemacht habe.«

»Gut. Tu das. Der Bürgermeister ist heute Abend hier.«

Ezra wusste, dass Kimberly ihr ganzes Leben lang davon geträumt hatte, Sätze wie diesen sagen zu können. Und nachdem sie seinen Vater an der Angel gehabt hatte, war dieser Traum Wirklichkeit geworden. Sie war nur wenige Jahre älter als ihr Stiefsohn, aber sie würde am liebsten ewig so weitermachen – solange sie es schaffte, den alten Mann glücklich zu machen.

Ezra wandte sich zum Gehen, den Korridor entlang zu seinen alten Räumen. Die Papprolle hatte er noch immer unter den Arm geklemmt.

»Ezra, zieh bitte möglichst einen Blazer an, und ein frisches weißes Hemd, das wäre super. Die Krawatte kannst du weglassen, wir sind heute Abend ganz zwanglos.«

Wenn das zwanglos war, dachte Ezra, wollte er lieber nicht sehen, was sie anhatte, wenn sie sich schick machte. Aber er nickte, ohne sich umzudrehen, und ging weiter. Seine eigenen Räume befanden sich am anderen Ende des Penthouses, und er atmete erst wieder aus, als er die Tür hinter sich geschlossen und abgesperrt hatte.

Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür, das kostbare Mitbringsel in den Armen, und dachte: Zuhause. Jetzt konnte er sich ernsthaft wieder seiner Aufgabe widmen.

3. Kapitel

Nachdem Beth kurz geduscht hatte und zur Party in der Kunstgalerie aufgebrochen war, lag Carter einfach nur faul im Bett und sah sich die Lokalnachrichten an. Ein drohender Busfahrerstreik, eine Premiere am Broadway, eine junge Frau, die nach einer Tragödie irgendwo im Ausland allein aus den Flitterwochen zurückgekehrt war. Schließlich bekam er Hunger, und er machte sich daran, den Kühlschrank zu plündern.

Er fand das Übliche – ein Dutzend Plastikbeutel mit frischem Obst und Gemüse, alle ordentlich verschlossen, ein Stapel Danone Joghurt in allen Geschmacksrichtungen, ein Sechserpack Pellegrino. Beth erledigte beinahe ihre gesamten Lebensmitteleinkäufe, und sie nahm nichts in den Mund, das nicht gesund, ungepanscht und biologisch angebaut war. Carter tat sein Bestes, um bei diesem Programm mitzuhalten, aber wann immer Beth ihn nicht direkt überwachte, erlitt er einen ernsthaften Rückfall. Und sie wusste es.

Fünfzehn Minuten später schlang er auf der Sixth Avenue einen Burger und Pommes herunter. Es ging doch nichts über Fett und Proteine, um ihn so richtig auf Hochtouren zu bringen, und solange Beth bei diesem Empfang in der Galerie war, gab es keinen besonderen Grund, anschließend wieder nach Hause zu gehen. Der Abend war kühl und klar, und Carter brannte darauf, sich wieder an die Arbeit mit ein paar kleinen Fossilien zu machen, die der Universität gespendet und dann zwecks Identifizierung an ihn weitergereicht worden waren. Sie warteten im Erdgeschoss des Biologiegebäudes auf ihn, wo er sich mit mehreren anderen Mitgliedern seines Fachbereichs ein Labor teilte.

Das Gebäude selbst war geöffnet, was ihn nicht überraschte, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass im Labor noch Licht brennen würde. Abends konnte er zumeist damit rechnen, den Raum ganz für sich zu haben. Als er jedoch Eminem aus den Laborlautsprechern hörte, wusste er, wen er zu erwarten hatte.

Leise trat Carter ein und beobachtete Bill Mitchell ein, zwei Sekunden lang. Tief über eine Probe gebeugt, hockte er auf einem Stuhl und rappte leise mit. Mitchell war ein Juniorprofessor, und dies war das alles entscheidende Jahr für ihn. Entweder bekam er eine feste Stelle oder nicht. Insgeheim wusste Carter, dass seine Chancen nicht gut waren. Seine Arbeit war einfach nicht gut genug, seine Aufsätze wurden nicht veröffentlicht, und er hatte die Tendenz, ständig anzuecken. Trotzdem machte der Typ massenweise Überstunden, ein allerletzter Versuch, sich einen Namen und einen Ruf zu erwerben, egal womit. Unwillkürlich empfand Carter Mitleid für ihn.

»Du arbeitest heute aber lange«, sagte Carter, und Mitchell schreckte auf.

»Mann, ich habe dich gar nicht hereinkommen hören«, sagte er und schob seine Brille auf der Nase nach oben. Sein langes schwarzes Haar, das immer so fettig aussah, als könnte er damit einen Motor schmieren, hing ihm in die Stirn. Aus irgendeinem Grund sah er noch nervöser aus als gewöhnlich. »Ich dachte, du hättest mittwochs abends ein Seminar.«

»Das war letztes Semester.«

»Und warum bist du dann nicht zu Hause bei deiner wunderschönen Frau?«

»Meine wunderschöne Frau arbeitet heute Abend«, sagte Carter und hängte seine Lederjacke an die Rückseite der Tür. »Ich dachte mir, ich komme mal vorbei und arbeite die liegengebliebenen Sachen auf.«

Als sei er unsicher, was er machen sollte, blickte Mitchell auf die Proben vor sich.

»Woran arbeitest du gerade?«, fragte Carter, aber als er näher kam, konnte er es selbst erkennen. Und es machte ihn nicht gerade glücklich. Mitchell hatte einen der transparenten Umschläge aufgerissen und untersuchte eifrig eines der gespendeten Fossile unter der Leuchtstofflampe.

»Ich konnte einfach nicht widerstehen«, sagte Mitchell mit einem matten Lächeln. »Ich dachte, vielleicht entdecke ich etwas und erspare dir so etwas Zeit.«

Carter sagte nichts.

»Dies hier, zum Beispiel«, sagte Mitchell und holte tief Luft, »sieht aus wie das Fragment eines Kieferknochens. Ich denke da an den Smilodon, bin mir aber nicht wirklich sicher. Was siehst du darin?«

Carter wusste nicht, was er sagen sollte. Das war ein ziemlich heftiger Verstoß gegen die Laboretikette, ganz zu schweigen vom beruflichen Ethos. Wenn er wollte, könnte er Mitchell deswegen in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Zweifellos wusste Mitchell das ebenfalls, weshalb ihm jetzt auch der Schweiß auf die Stirn trat. Carter streckte die Hand aus und drückte den Stopp-Button des Ghettoblasters.

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