Литмир - Электронная Библиотека
A
A

Dr. Baptiste ging voran, und Carter verschwand hinter den Glastüren der Intensivstation.

Fast sofort stellte Carter fest, dass die Luft sich hier kälter und frischer anfühlte als draußen auf dem Flur. Ein leises stetiges Summen war zu hören, das von den ganzen Maschinen und Geräten herrührte, die neben den Betten der verschiedenen Patienten standen. Bei der Stationszentrale, einem halbrunden Tresen mit schwach leuchtenden Monitoren, reichte Dr. Baptiste Carter eine Gesichtsmaske aus Papier.

»Wir müssen sicherstellen, dass die Situation nicht noch durch eine Infektion verkompliziert wird«, sagte sie. Carter zog die Maske über Mund und Nase. »Sie dürfen Mr Russo auch auf keinen Fall berühren. Keine Umarmung, kein Händeschütteln, nichts.«

Dann wandte sie sich um, und Carter folgte ihr zum anderen Ende der Station. Als sie sich dem letzten Bett näherten, das fast vollständig durch einen blickdichten Vorhang verdeckt war, spürte er sein Herz rasen. Wie würde Joe aussehen? Würde er klar genug sein, um Carter zu erkennen? Würde Carter selbst seinen alten Freund wiedererkennen, egal in wie vielen Bandagen er eingewickelt war? Er versteifte sich.

Dr. Baptiste stand bereits neben dem Bett und überprüfte einen der Infusionsschläuche. Davon gab es einige, zusammen mit einer ganzen Menge anderer Kabel und Schläuche, die mit den Monitoren und Maschinen neben und über dem Bett verbunden waren. Joe selbst war kaum zu sehen. Ein Laken schien zeltförmig ein paar Zentimeter über seinem Körper aufgespannt zu sein, nur sein Kopf lugte oben heraus. Konnte es sein, dass selbst der Stoff zu schmerzvoll auf seiner verbrannten Haut war? Er trug eine Art Papierhut, der wie eine Krone geformt war, und das Gesicht glänzte von der vermutlich antiseptischen Salbe, mit der es bedeckt war. Die Augen waren riesig und dunkel. Sein Blick war, wie es Carter schien, erfüllt mit dem frustrierten Bedürfnis, sich auszudrücken. Sobald Carter an das Bett herantrat, fixierten ihn die Augen.

»Hey, Joe«, sagte Carter leise. Himmel, was ist in dem Labor passiert? Was sollte er als Nächstes sagen? Er war immer noch betroffen, seinen Freund in diesem Zustand zu sehen, aber er wollte seine Reaktion nicht zeigen. Er war dankbar für die Maske vor seinem Gesicht.

»Es tut mir leid«, sagte Carter einfach. Er wollte nach Joes Hand greifen, doch Dr. Baptiste erinnerte ihn rasch: »Keine Berührungen, bitte.«

»Tut mir leid, ich hatte es vergessen.«

»Und ich fürchte, Ihr Freund ist im Moment nicht in der Lage, Ihnen zu antworten.«

Warum nicht?, wunderte Carter sich. Er war ziemlich eindeutig bei Bewusstsein. Doch dann sah er den Atemschlauch zwischen Joes verbrannten und abblätternden Lippen.

»Wenn er so weit ist«, sagte Dr. Baptiste, »kann er versuchen, das hier zu benutzen.« Sie reichte Carter eine weiße glänzende Tafel und einen Filzstift. »Aber er steht unter so starken Beruhigungs-und Schmerzmitteln, dass er sich vielleicht nicht zusammenhängend ausdrücken kann.« Sie überprüfte noch ein paar letzte Einstellungen, dann sagte sie: »Bleiben Sie nicht länger als fünf Minuten«, und ging.

Sobald sie verschwunden war, ächzte Joe leise und warf einen Blick auf die kleine Tafel. Carter hielt sie ihm hin, und Joe hob eine Hand. Die Fingernägel waren nur noch schwarze Halbmonde. Mühsam ergriff er den Filzstift.

Während Carter die Tafel festhielt, schrieb Joe ein Wort in unpassend fröhlicher grüner Farbe. Als er den Stift fallen ließ, drehte Carter die Tafel um und las Bill?

Bill Mitchell. Carter schüttelte den Kopf. »Er hat es nicht geschafft.«

Joe blinzelte einmal mit den großen Augen. Dann griff er erneut zum Stift und kritzelte das Wort Laser auf die Tafel.

Was sollte mit dem Laser sein? »Der ist ebenfalls hinüber. Das Feuer hat alles zerstört.« Natürlich einschließlich des Fossils. Doch wenn Carter es irgendwie vermeiden könnte, würde er dieses Thema im Moment meiden.

Doch Joe schüttelte vorsichtig den Kopf und tippte erneut auf das Wort.

Der Laser? Dann begriff Carter. »War der Laser an, als das Feuer ausbrach?«

Joe nickte.

»Hat der Laser es verursacht?«

Er nickte noch einmal.

Aber Joe hätte sich gehütet, den Laser ohne Carters Hilfe in Gang zu setzen. Er hatte schon Probleme gehabt, einen Sinn in die englische Beschreibung im Handbuch zu bringen. Carter wischte die Tafel sauber. Wollte er damit sagen, dass Bill, Bill Mitchell … »Hat Mitchell mit dem Laser gearbeitet?«

Joe schloss zustimmend die Augen und öffnete sie erneut.

»Er ist irgendwie auf eigene Faust ins Labor gekommen?«

Joe nickte fast unmerklich, dann nahm er den Stift und kritzelte Fossil.

So viel zu Carters Hoffnung, das Thema zu vermeiden. »Alles im Labor«, wiederholte Carter langsam, »wurde zerstört.«

Joe schüttelte den Kopf, und dieses Mal ließ er Carter nicht aus den Augen.

»Nicht?« Was konnte er damit meinen? »Hast du es geschafft, irgendetwas zu retten?« Carter dachte daran, dass sie bereits winzige Proben vom Fossil und dem Felsen genommen hatten. Proben, die sich in sicherer Verwahrung befanden und in einem anderen Labor verschiedenen Tests unterzogen wurden. Aber Joe schien auf etwas anderes hinauszuwollen. »Tut mir leid, Joe, aber ich kann dir nicht folgen.« Vielleicht begannen die Beruhigungsmittel wieder zu wirken.

Joe griff erneut nach dem Stift. Dieses Mal zitterte seine Hand ein wenig, als er das Wort lebendig schrieb.

Was bedeutete das? Carter konnte nur annehmen, dass Joe von sich selbst sprach. »Ja, du lebst«, sagte er mit gespielter Fröhlichkeit, »und eines Tages, ob du es glaubst oder nicht, wirst du wieder all das machen, was du immer gemacht hast.« Carter fragte sich, ob das stimmte. »Selbst Tauchen.«

Aber der Ausdruck in Joes Blick wurde nur noch unruhiger. Carter hatte ihn nicht richtig verstanden. Mit der Spitze des Stifts tippte Joe auf das Wort Fossil, dann auf lebendig.

Als Carter nicht reagierte, wiederholte er das Ganze mit mehr Nachdruck.

Nun konnte es kein Missverständnis mehr geben, egal wie unglaubwürdig es war. »Versuchst du mir zu sagen, dass das Fossil gelebt hat?«

Schon wieder falsch. Joe stöhnte und runzelte die Stirn. Die Anstrengung stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er den Stift ein weiteres Mal aufnahm und etwas zwischen die beiden anderen Wörter auf der Tafel kritzelte. Als Carter die komplette Nachricht las, lautete sie: Fossil ist lebendig.

Carter wusste, dass es keinen Sinn hatte, sich heute noch weiter mit Joe zu unterhalten. Sein Freund musste unter dem Einfluss der Medikamente stehen. Und das war wahrscheinlich auch das Beste für ihn.

»Okay«, sagte Carter. »Ich habe verstanden.« Er nickte zur Bestätigung. »Die Ärztin hat gesagt, dass ich nicht länger als fünf Minuten bleiben darf, aber morgen früh komme ich als Erstes hierher.«

Carter legte die Tafel und den Stift auf den Nachttisch neben dem Bett. Als er Joe erneut anschaute, sah sein Freund erschöpfter und gequälter aus als je zuvor. Carter befürchtete, dass er mit seinem Besuch mehr Schaden angerichtet als Gutes getan hatte.

»Mach dir keine Sorgen um das Fossil oder das Labor oder irgendetwas«, sagte er. »Versuch jetzt einfach nur zu schlafen.«

Carter wandte sich vom Bett ab. Obwohl er den Gedanken hasste, musste er zugeben, dass es eine Erleichterung war, Joe nicht länger anblicken zu müssen, und sei es auch nur für eine Sekunde. Am Vorhang schaute er noch einmal zurück. Russo hatte den Blick in seine Richtung gelenkt. Zum Abschied hob er die Hand, aber es gab keine Reaktion. Und er hatte den Eindruck, dass Russo ihn nicht einmal sah. Er starrte an ihm vorbei, durch ihn hindurch, in etwas sehr Dunkles und sehr Tiefes.

19. Kapitel

Der Leichnam war bewegt worden. Im Schatten verborgen hatte er zugesehen, wie er zugedeckt und hinausgetragen wurde. Was würden sie mit ihm machen? Warum taten sie all das?

43
{"b":"195231","o":1}