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»Bene?«, wiederholte Carter. »Was soll daran gut sein?«

»Wenn ich verrückt bin«, krächzte Joe, »dann ist es gut, Gesellschaft zu haben.«

Er weiß also, dachte Carter, dass ich immer noch Zweifel habe.

»Noch ein … Gefallen?«

»Sicher«, sagte Carter, »solange ich dir keine Zigaretten besorgen soll. Du weißt, dass man hier drin nicht rauchen darf.«

»Bring ihn her.«

»Ezra Metzger?«, fragte Carter, obwohl er genau wusste, wer gemeint war. War das eine gute Idee? Seinen schwerverletzten Freund mit einem möglichen Geisteskranken bekannt zu machen?

Joe nickte.

»Ich werde ihn anrufen«, gab er nach.

»Gut. Und jetzt«, sagte Joe und hob unter Schmerzen die Finger der verstümmelten Hand, »eine Zigarette?«

26. Kapitel

»Ich sehe leere Champagnergläser«, warnte Kimberly einen der Kellner, »und auf meinen Partys will ich keine leeren Gläser sehen.«

»Jawohl, Madam«, erwiderte der Mann, »ich kümmere mich sofort darum«, und floh aus der Küche, um seine Cristal-Vorräte aufzufüllen.

Bis auf kleine Pannen wie diese hatte Kimberly jedoch das Gefühl, dass die Party sehr gut lief. Der Bürgermeister, seine Gattin und seine Geliebte, auch bekannt als seine Kampagnen-Schatzmeisterin, waren gekommen und hielten in den verschiedenen Ecken Hof. Auch verschiedene Spitzenreporter und Journalisten, einen Haufen hochdotierter Banker und Rechtsanwälte und sogar ein paar Broadway-Stars hatte sie herlocken können. Völlig unmöglich, dass diese Party es nicht auf die Seite sechs schaffen würde, und vielleicht sogar bis in Liz Smiths Kolumne. Wenn dann zufällig auch noch ein paar Spenden für die Kampagne zur Wiederwahl des Bürgermeisters flössen, was schließlich der vorgebliche Grund für diese Party war, nun, dann wäre das auch nicht schlecht.

Während sie von einem Raum zum nächsten schlenderte, ihre Gäste begrüßte und dafür sorgte, dass jeder die Verbindungen knüpfte, um deretwillen er hergekommen war, hielt sie Ausschau, um die Ankunft ihres geheimnisvollen Gastes nicht zu verpassen. Seit sie ihn gestern zum ersten Mal gesehen hatte, musste sie ständig an ihn denken. Mr Arius. Nie zuvor hatte sie einen Mann gesehen, der aussah wie er oder einen so unauslöschlichen und unmittelbaren Eindruck auf sie gemacht hätte. Der Abend war noch jung, aber sie begann sich bereits Sorgen zu machen, dass er womöglich gar nicht auftauchen würde.

Sam hatte sich in eine Ecke des Hauptsalons verzogen, wo er mit zwei, drei der anderen Größen der Immobilienbranche zusammenhockte und zweifelsohne bereits Pläne für einen weiteren Büroturm, ein Einkaufszentrum oder ein Kaufhaus in New Jersey schmiedete. Sie winkte ihm mit drei Fingern zu, als sie an ihm vorbeikam, aber er schien nicht einmal Notiz von ihr zu nehmen.

Andere Männer bemerkten sie sehr wohl, wie sie erfreut zur Kenntnis nahm.

Sie trug ein scharlachrotes schulterfreies Chiffonkleid von Thierry Mugler, das den Rücken frei ließ und an der Seite geschlitzt war. Die Haare hatte sie zu einem strengen Chignon gedreht und mit einer mit Diamanten und Rubinen besetzten Spange in Form eines Regenbogens festgesteckt. Der Bürgermeister persönlich hatte sie länger als nötig festgehalten, als er sie zur Begrüßung geküsst hatte, und Kimberly hatte den besorgten Ausdruck im Gesicht seiner »Schatzmeisterin« gesehen. Mach dir keine Sorgen, dachte Kimberly, heute Abend bin ich auf einen größeren Fisch aus.

Als sie das nächste Mal nachschaute, stand er im Foyer und reichte dem Bediensteten seinen langen schwarzen Kaschmirmantel. Er trug wieder einen dunklen Anzug, und die Augen waren immer noch hinter den runden bernsteinfarbenen Gläsern verborgen. Mit hochgerecktem Kinn wandte er den Kopf um, wie ein blinder Mann, der seine Umgebung zu erspüren versuchte. Kimberly ging auf ihn zu, um ihn zu begrüßen.

»Ich bin so froh, dass Sie es geschafft haben, Mr Arius«, sagte sie und bot ihm ihre Hand und ihre Wange an.

»Danke. Dass Sie mich eingeladen haben«, sagte er, ergriff ihre Hand, blieb ansonsten jedoch eher reserviert. »Ich freue mich, hier zu sein.«

Was, dachte sie, war nur so merkwürdig und zugleich so verlockend an diesem Mann? Die Art, wie er sprach, in diesem seltsamen Tonfall, als hätte er Englisch nur in der Schule gelernt? Die Art, wie er seine Augen bedeckt hielt? Die Art, wie sich seine Hand anfühlte, so kalt und glatt wie Glas, als er ihre ergriff? Und war da nicht mit einem seiner Finger etwas nicht in Ordnung? Er hatte sogar einen ganz eigenen feinen Geruch an sich, anders als jedes Aftershave, das sie kannte. Sein Geruch wirkte irgendwie organisch, als ginge er direkt von seiner Haut, seinen Haaren und seinem Atem aus.

»Lassen Sie uns hineingehen«, sagte sie. »Ich werde Sie einigen der anderen Gäste vorstellen.« Sie hakte sich bei ihm unter und führte ihn in den nächsten Raum. Ihr kam es vor, als eskortierte sie einen Filmstar, und die anderen Gäste reagierten ebenfalls dementsprechend. Die Menge teilte sich, um sie hindurchzulassen, Gespräche wurden unterbrochen, und jemand fragte laut: »Wer ist der Mann neben Kimberly?« Arius selbst schien vollkommen unberührt von all der Aufmerksamkeit. Wenn er jemandem vorgestellt wurde, war er höflich, ansonsten schwieg er. Er sprach überhaupt sehr wenig. Seine Antworten waren freundlich, aber knapp, und immer ein wenig vage oder ausweichend. Nachdem Kimberly ein halbes Dutzend Mal zugehört hatte, wie er jemanden auflaufen ließ, hatte sie das Gefühl, nicht mehr darüber zu wissen, wo er herkam, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente oder wo er in New York wohnte, als bei seiner Ankunft. Nicht einmal Sam bekam mehr als ein paar Worte aus ihm heraus, und Kimberly wusste sehr gut, wie seine Meinung über ihn sein würde. Längliches weiß-blondes Haar, eine affige Sonnenbrille und die Tatsache, dass seine Frau ihn bei diesem extravaganten Richard Raleigh kennengelernt hatte? Sam würde ihn in einen Topf mit ihrem Friseur, ihrem Innenarchitekten, ihrem Antiquitätenberater und all ihren anderen schwulen Freunden werfen. Und soweit es Kimberly anging, könnte es gar nicht besser kommen.

Es sei denn, es stellte sich als zutreffend heraus. Was der Himmel verhüten mochte.

Was diesen kleinen Mistkerl Ezra betraf, so hatte er bereits seine Pflichtrunde gedreht und sich, soviel Kimberly wusste, sogar beim Bürgermeister dafür bedankt, dass er ihm nach dem Fiasko im UN-Park geholfen hatte, aus dem Gefängnis zu kommen. Jetzt war er nirgends zu sehen, und wenn Kimberly nicht völlig daneben lag, war er wieder auf seinem Zimmer und brütete über seinen nutzlosen Übungen, die er seine »Forschung« nannte.

Der Partyservice schien alles unter Kontrolle zu haben, die Getränke flossen, überall wurden Tabletts mit Kanapees und Appetithäppchen herumgereicht, und im Esszimmer war ein üppiges Bufett aufgebaut. Jedes Mal, wenn sie durchs Foyer ging, öffneten sich die Lifttüren und spuckten eine weitere Handvoll Gäste aus. Sogar die Journalistin Katie Couric ließ sich für eine halbe Stunde blicken, und das, da war Kimberly sicher, bedeutete praktisch, dass die Party morgen irgendwo in den Medien erwähnt werden würde.

Die einzige Person, die sich nicht ausgezeichnet zu amüsieren schien, war ihr mysteriöser Mr Arius. Sie ließ ihn nur widerstrebend allein, aber sie musste ihren Pflichten nachkommen, so dass sie keine andere Wahl hatte, als ihn sich selbst zu überlassen. Wann immer sie ihn erblickte, stand er ganz für sich, hielt ein Champagnerglas in der Hand, das stets voll zu sein schien, schlenderte allein über die Terrasse oder kam herein, um mit tiefem Interesse eine Zeichnung oder Skulptur zu betrachten. Vielleicht war er tatsächlich eine Art ernsthafter Kunstsammler mit einem riesigen Château im Süden Frankreichs, bis unters Dach mit berühmten Gemälden und wunderschönen Statuen gefüllt. Einem plötzlichen Impuls folgend, ging sie zu ihm hinüber, als er gerade ein nichtssagendes kleines Ölbild betrachtete, das Sams erste Frau gekauft hatte. »Sie sind ein echter Kunstkenner, nicht wahr?«

60
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