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»Wer ist da?«, rief eine Stimme. »Hier ist der Zutritt verboten!«

Es war der Hausmeister.

»Ich bin’s, Hank – Carter Cox.«

Hank kam, eine große Taschenlampe schwenkend, aus dem Lagerraum. »Wusst ich’s doch, dass ich was gehört hatte.«

»Hank, was ist passiert? Wo ist Professor Russo?«

Hank schlurfte herein und bahnte sich seinen Weg durch die nassen Trümmer. »Wer zum Teufel weiß schon, was passiert ist? Ich weiß nur, dass es nicht die Lampen waren.«

»Die was?«

»Der Brandermittler behauptet, dass die Scheinwerfer schuld sind, die ich aufgehängt habe, mit dem separaten Verteilerkasten. Aber die Lampen waren astrein, ich habe sie selbst überprüft.«

»War Russo hier, als es passierte?«, wiederholte Carter.

Hank holte Luft, als sei dies eine Frage, auf die er am liebsten keine Antwort gegeben hätte. »Er und dieser andere Typ, der junge Prof.«

»Welcher andere junge Professor?«

»Mitchell sowieso.«

»Bill Mitchell?« Was zum Teufel hatte der hier zu suchen gehabt? Er hätte im Grunde nicht einmal wissen dürfen, dass dieses Behelfslabor überhaupt existierte.

»Jau. Er hat das meiste abbekommen.« Schweigend biss Hank sich auf die Lippen. »Er ist tot.«

Carter war erschüttert. Sprachlos.

»Das Letzte, was ich gehört habe, ist, dass Ihr Freund Russo noch lebt. Aber nur so gerade eben. Er liegt drüben im St. Vincent’s.«

Hank hatte den Satz kaum beendet, als Carter sich schon abgewandt und auf den Weg gemacht hatte.

»Ich weiß nicht, was hier schiefgelaufen ist«, rief Hank ihm nach, »aber die Lampen waren es nicht.«

Draußen rannte Carter gerade die Treppe der Laderampe hinunter, als eine Limousine am Straßenrand anhielt und eine hochgewachsene schwarze Prostituierte in einer kurzen weißen Kaninchenfelljacke auf der Beifahrerseite ausstieg. Der Wagen fuhr rasch weiter. Erst als Carter an der Hure vorbeiging und diese ihn am Ärmel packte, begriff er, dass es ein Mann in Frauenkleidung war.

»Arbeiten Sie in diesem Gebäude?«, fragte er.

Aber Carter hatte den Arm bereits zurückgezogen. »Lassen Sie mich los, ich habe es eilig.«

»Ich sagte, arbeiten Sie in diesem Gebäude? Wenn ja, dann möchte ich nämlich wissen, was da drin vor sich geht.«

»Wovon reden Sie?«

»Ich war letzte Nacht hier, und ich habe gesehen, was da rauskam.«

Widerwillig blieb Carter stehen. »Was sagen Sie da? Was haben Sie gesehen, was kam da raus?«

»Das ist es ja, was ich gerne wüsste. Ich sah einen Mann, aber eigentlich war es kein Mann. Er bestand vollkommen aus Licht, und er leuchtete.«

Der Typ war nicht ganz dicht.

»Schön für Sie. Aber jetzt muss ich gehen.«

Doch der Mann folgte ihm und packte ihn erneut am Ärmel. Er war stark genug, um Carter aufzuhalten und ihn halb herumzuwirbeln. »Ich habe dem Mann – dem Mann, der eigentlich keiner war – meinen Mantel gegeben. Meinen besten roten Mantel. Wissen Sie, warum?«

»Warum?«

Der Transvestit blickte ihm direkt in die Augen. »Weil er keinen Fetzen Stoff am Leib hatte.«

Carter riss sich los und wandte sich ab. Er hatte keine Zeit für diesen Quatsch.

»Und wissen Sie, aus welchem Grund ich es noch tat?«, rief der Transvestit ihm nach. »Weil ich glaube, dass dieser Mann ein Engel ist.«

An der Ampel musste Carter stehen bleiben und auf Grün warten. Als sie endlich umsprang, eilte er über die Straße.

»Ich behalte Sie im Auge«, rief der Typ. »O ja! Ich weiß, dass hier etwas nicht stimmt.«

Dessen war Carter sich sicher. Aber was immer dieser Kerl gesehen haben mochte oder auch nicht, er hatte keine Zeit, es herauszufinden. Er musste so schnell wie möglich ins Krankenhaus. Er blieb nicht einmal stehen, um ein Taxi anzuhalten, weil er das für eine nicht tolerierbare Verzögerung hielt. Er musste in Bewegung bleiben, und das tat er. Er wich anderen Fußgängern aus, rannte über die Straßen, sobald es grün wurde, und hastete die letzten Blocks auf das Krankenhaus zu.

Solange er sich auf den Weg konzentrierte, musste er nicht darüber nachdenken, was Joe zugestoßen sein mochte. Und in welchem Zustand er ihn im St. Vincent’s finden würde. Lebend oder … sein Verstand konnte es nicht einmal denken. Noch nicht.

Die Ampel sprang auf Grün, und er rannte über eine weitere Straße.

16. Kapitel

Feuer.

Dann Licht.

Wie zuvor.

Vor so langer Zeit.

Und dann, wieder Nacht.

Eine Nacht indes, erfüllt mit Licht, überall.

Und Klängen. So vielen Klängen.

Und Stimmen. So vielen Stimmen.

So vielen … Menschen.

War es das … was daraus entstanden war?

Kälte.

Ein Umhang.

So viele Menschen.

Überall, und sie redeten.

Verschiedene Stimmen.

Ihre Gerüche.

Jeder von ihnen ein anderer Geruch.

Aber war er … allein?

Die Dunkelheit.

Die Kälte.

Ewigkeit.

War er allein?

War er der Letzte?

Und war er endlich … frei?

17. Kapitel

Selbst an einem so trostlosen Tag wie heute amüsierte Ezra sich über die Inschrift. In die Wand über der geschwungenen Treppe, gegenüber des massiven UNO-Hochhauses selbst, waren die Worte aus Jesaja 2,4 eingemeißelt: »Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk gegen das andere ein Schwert aufheben, und werden hinfort nicht mehr kriegen lernen.« Die Ironie war so unübersehbar, dass es keines weiteren Kommentars bedurfte. Seiner Ansicht nach waren sich die Vereinten Nationen nur in einem einzigen Punkt einig: der Einschränkung, Denunziation und letztendlich der Vernichtung Israels. Bis auf diesen einen Punkt war die ganze Organisation nichts als Heuchelei, ein Haufen aufgeblasener, machtloser Delegierter, die sich in New York ein schönes Leben machten, während ihre Völker in Uganda, Ruanda, Kambodscha, Serbien, Tschetschenien, Indien, Pakistan oder wo auch immer hungerten und litten und einander millionenfach meuchelten.

Für Ezra hatte die UN nur eine gute Seite, und das war der öffentliche Park, der sich am East River entlangzog. Er war gut gepflegt, und Ezra hatte angefangen, hier spazieren zu gehen, wenn er das Gefühl hatte, frische Luft zu brauchen. Es gab einen breiten ellipsenförmigen Fußweg mit Bänken und Statuen und einem großen grünen Rasen in der Mitte, den niemand auch nur betreten durfte. Niemand belästigte einen, die Sicherheitsleute hielten den Großteil des Gesindels draußen, und man musste nicht ständig aufpassen, um nicht in Hundehaufen zu treten. An manchen Tagen, wenn er viel nachzudenken hatte und nicht nach Hause gehen wollte, drehte Ezra zehn, zwölf Runden in dem Park.

Heute war so ein Tag.

Ganz wie Maury ihn gewarnt hatte, waren sein Vater und seine Stiefmutter heute Morgen zurückgekehrt. Sein Vater hatte sich allerdings gleich bei seinem Büro absetzen lassen, so dass bisher nur Kimberly tatsächlich wieder zu Hause war.

Unter Gertrudes wachsamen und ermutigenden Blicken hatte Ezra sich die Mühe gemacht, sie an der Tür zu begrüßen. Er hatte ihr sogar angeboten, ihr das Paket abzunehmen, das sie trug.

»Danke, Ezra«, hatte Kimberly gesagt, »das ist eine sehr gute Idee. Besonders, da es ohnehin für dich ist.«

»Für mich?«

»Ja.«

Auf der Stelle wurde er misstrauisch. Hüte dich vor den Griechen, wenn sie Geschenke bringen.

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