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Aber endlich war die Weihnachtsfeier der Raleigh Galerie in vollem Gange. Überall im Erdgeschoss standen gewaltige Sträuße mit frischen Blumen, und Kellner in weißen Jacken trugen silberne Tabletts mit Dom Perignon und Beluga-Kaviar herum. Ein Streichquartett des Juilliard-Konservatoriums, das auf dem Zwischengeschoss untergebracht war, spielte Vivaldi. Und wieder einmal war jeder zugegen, der in der Welt der New Yorker Kunstsammler etwas zählte.

Richard Raleigh trug ein weinrotes Dinnerjackett aus Samt mit einer goldenen Schleife am Revers, von der er gerne behauptete, sie sei eine Art Ehrenauszeichnung, die ihm von der französischen Regierung verliehen worden sei. Aber Beth wusste, dass er sie bei einer Wohnungsauflösung in Southampton erworben hatte. Unbekümmert bewegte er sich zwischen seinen zahlreich erschienenen Kunden, sorgte dafür, dass ihre Champagnergläser stets gefüllt waren, dass sie sich amüsierten und vor allem, dass sie die wichtigen neuen Stücke bemerkten, die jetzt die Wände zierten, darunter ein Fragonard und ein Greuze.

Beth tat ihr Bestes, um ein fröhliches Gesicht zu machen, aber es war nicht leicht. Carter war erst in der Morgendämmerung zu Ben und Abbie gekommen, wo sie beide übernachtet hatten. Sie hatten nicht einmal die Gelegenheit gehabt zu reden, bevor sie zur Arbeit musste. Vor allem jedoch bedrückte sie die Nachricht von Joes Tod. Sie versuchte sich einzureden, dass es vielleicht sogar besser sei. Er hatte schwerste Verbrennungen erlitten, und ihm hätte eine qualvolle Behandlung bevorgestanden. Aber es war immer noch so tragisch, so furchtbar, dass sie kaum daran denken konnte.

Und schließlich, als sei das noch nicht genug, fühlte sie sich seit Tagen körperlich nicht wohl. Zu ihrer großen Bestürzung hatte sie heute Morgen im Badezimmer festgestellt, dass sie Blutungen hatte, obwohl ihre Periode noch lange nicht fällig war. Besorgt fragte sie sich, was das zu bedeuten hatte. Im Moment wollte sie nur noch die Füße hochlegen, denn Raleigh hatte, nicht besonders feinfühlig, darauf bestanden, dass sie glänzende schwarze High Heels trug. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte die Party gar nicht schnell genug vorüber sein können.

»Beth, sehen Sie nur, wer hier ist«, hörte sie Raleigh rufen, und schon erblickte sie Bradley Hoyt, der bereits auf sie zukam. Sein Kurzhaarschnitt glänzte im Licht des Kronleuchters. Einerseits war er das Letzte, was sie jetzt brauchte, doch andererseits würde er zumindest sein Bestes tun, um ihre Aufmerksamkeit zu fesseln, und sie würde sich nicht unter die Gäste mischen müssen.

»Sie sehen phantastisch aus«, sagte Hoyt, als er ihre Hand ergriff.

»Sie bietet einen Anblick«, meldete Raleigh sich hinter seiner Schulter zu Wort, »der eines Fragonard würdig ist.«

Das war geschickt, dachte Beth.

»Und wagen Sie es nur nicht zu gehen, ohne dass ich Ihnen ein paar unserer neuen Stücke zeigen durfte«, sagte Raleigh, nahm zwei volle Gläser von einem Tablett, das gerade vorbeigetragen wurde, und reichte sie Beth und Hoyt.

Nachdem er verschwunden war, beugte Hoyt sich vor und sagte: »Gibt er denn nie auf?«

»Meines Wissens nach nicht.«

Ein paar Minuten unterhielten sie sich über die fallenden Aktienkurse, den jüngsten Plan, Downtown zu verjüngen und die anderen Gäste um sie herum. Obwohl Hoyt einen Haufen Geld gemacht hatte, wusste er so gut wie nichts über andere New Yorker, die auf ihrem eigenen Geldhaufen saßen, und Beth fand es recht amüsant, für ihn die Fremdenführerin zu spielen. Sie zeigte ihm, wer wer war, wie alt das Geld war und aus welchen krummen Geschäften es ursprünglich stammte. Mit der Zeit hatte Beth die Weisheit in Balzacs Beobachtung erkannt, dass hinter jedem großen Vermögen ein Verbrechen stehe. Hoyt begnügte sich damit, ihr zuzuhören … und sie zu betrachten.

»Die Frau in dem marineblauen Chanelkostüm ist Mrs Reginald Clark. Ihr Geld stammt aus einem Betrug mit Eisenbahnaktien aus der Zeit der Raubritter. Und sehen Sie die Frau, mit der sie gerade redet, mit dem Diamantenhalsband? Alice Longstreet. Börsenmaklerin, gegen die zur Zeit eine Anklage läuft.«

Hoyt lachte. »Ich wette, Sie halten mich ebenfalls für einen Gauner«, sagte er.

Beth nippte an ihrem Champagner, bedauerte es jedoch auf der Stelle. Ihr Magen war bereits rebellisch genug.

»Wollen Sie es nicht wenigstens leugnen?«, neckte er sie.

»Ich bin sicher, dass Sie durch und durch ehrlich sind«, sagte sie und wollte gerade fortfahren, als sie jemanden an der Eingangstür entdeckte, der in diesem Moment gegen Raleighs Assistentin Emma gedrängt wurde. Er war hochgewachsen und blond und trug die kleine runde Sonnenbrille, die er niemals abnahm. Sie blickte quer durch den Raum zu Raleigh, der Arius’ Eintreten ebenfalls bemerkt hatte. Beth wusste, dass er nicht auf der Gästeliste stand, die Galerie hatte ja nicht einmal seine Adresse, aber irgendwie hatte er erfahren, dass heute die Weihnachtsfeier stattfand. Und er hatte ganz richtig geraten, wie er empfangen werden würde.

Während Beth mit wachsendem Grauen zusah, erreichte Raleigh breit lächelnd die Tür, die Hände bereits zur Begrüßung ausgestreckt. Wenn es auch nur den Hauch einer Aussicht auf zukünftige Geschäfte gab …

»Stimmt etwas nicht?«, fragte Hoyt und versuchte, ihrem Blick zu folgen.

»Mir ist nur gerade etwas eingefallen.«

»Was?«

»Wir haben eine neue Zeichnung hereinbekommen, die Sie sich unbedingt ansehen sollten.«

»Jetzt?«, sagte er. »Das hier ist eine Party. Sind Sie jetzt nicht von Ihren Pflichten entbunden?«

»Sie ist oben, in der Privatgalerie.«

Sie konnte förmlich sehen, wie er die Ohren spitzte, doch sie hatte keine Zeit, um seine Fehlinterpretation zu korrigieren.

Sie schob ihren Arm unter seinen rechten Ellenbogen und führte ihn rasch zum Lift. Das war weniger auffällig, als wenn sie die Treppe nähmen. Sobald sie in der Kabine waren, drückte sie den Knopf. Als sich die Türen langsam schlossen, stellte sie erleichtert fest, dass von Arius nichts zu sehen war.

Oben hatte sie ein anderes Problem. Sie musste eine Zeichnung finden, die Hoyt nicht bereits gesehen hatte. Dann fiel ihr ein, dass er wahrscheinlich Dreiviertel von dem, was ihm bislang gezeigt worden war, ohnehin nicht wiedererkennen würde. Sie zog die oberste Schublade des Schranks auf und holte, ohne auch nur hinzusehen, die erste Zeichnung hervor, die ihr in die Hände fiel.

»Ihre Hand zittert«, sagte Hoyt. »So eine große Sache wird es schon nicht sein.«

»Das sind alles Neuerwerbungen …«

Hoyt legte seine Hand auf ihre und sagte: »Sie bekommen ständig neue Ware. Sind Sie sicher, dass es nur das ist?«

»Nein«, gab sie zu, »das ist es nicht. Es geht tatsächlich um etwas anderes.«

Hoyt verzog das Gesicht zu einem Grinsen. Endlich gab sie zu, dass er unwiderstehlich war. Das wurde aber auch langsam Zeit.

»Unten ist jemand, von dem ich nicht gesehen werden möchte.«

Seine Gesichtszüge fielen sichtlich zusammen.

»Und darum haben Sie mich hier hochgehetzt?«

Beth nickte. »Ich fürchte, ja.«

Hoyt schien darüber nachzudenken, dann sagte er: »Kein Problem. Ich nehme es, wie es kommt.«

»Ich möchte Sie«, gab sie zu, »sogar um noch einen Gefallen bitten.«

Hoyt wartete, wie immer hoffnungsvoll.

»Ich muss mich aus der Galerie schleichen, aber ich möchte nicht, dass Raleigh mich sieht. Und ich will nicht, dass der andere Mann weiß, dass ich gegangen bin.«

»Mein Wagen steht draußen, wir könnten in Nullkommanichts hier weg sein.«

»Das meinte ich nicht. Worum ich Sie bitte, ist, nur noch ein paar Minuten hier oben zu bleiben und mich zu decken, falls jemand nach mir fragt.«

Das war nicht das, worauf er gehofft hatte. Trotzdem, dachte er, für alles, was er jetzt täte, würde sie in seiner Schuld stehen, was sich möglicherweise später einmal auszahlen würde. Ein Teil seines Erfolgs beruhte darauf, dass er genau wusste, wann man um einen Gefallen bitten und wann man die Schuld einlösen konnte. Zu tun, worum Beth ihn bat, war eine geringe Investition, die eines Tages womöglich riesige Gewinne abwerfen würde.

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