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Die Augen des Mannes leuchteten auf, als sei er gerade mit einem völlig unerwarteten Geschenk überrascht worden. »Ja! Aber natürlich! Ich kann Sie absetzen, wo immer Sie wollen.«

»Danke.« Das war mehr, als Carter gehofft hatte. »Lassen Sie mich nur schnell Bills Familie Bescheid sagen, dass Sie mich mitnehmen.«

Überaus erleichtert ging Carter zurück und erklärte es Suzanne, die ihrerseits ebenfalls erleichtert wirkte. Vielleicht hätte die Familie für die Extrafahrt mit der Limo zahlen müssen.

Als er zum Lincoln zurückkehrte, bemerkte er in diskretem Abstand zwei Arbeiter mit Schaufeln. Totengräber, die darauf warteten, ihre Arbeit zu Ende zu bringen.

»Ich bin Carter Cox«, sagte er und streckte dem Mann die Hand entgegen, der ihn in die Stadt mitnahm.

»Ezra Metzger«, erwiderte dieser. Er deutete auf den Wagen. »Bitte.«

Carter stieg auf der einen Seite ein, während Ezra zur anderen ging und sich beinahe vor Begeisterung die Hände rieb. Vielleicht, dachte Ezra, wendete sich das Blatt jetzt doch zu seinen Gunsten. Erst gestern war er nach dem Tumult im UN-Park gegen Kaution und unter der Auflage, dass Sam und Kimberly für ihn bürgten, aus dem Gefängnis entlassen worden. Und heute bekam er eine Exklusivaudienz bei dem Mann in New York, mit dem er am dringendsten sprechen wollte.

»Das ist mein Onkel Maury«, sagte Ezra, als der Fahrer sich auf dem Vordersitz umdrehte.

»Nett, Sie kennenzulernen«, sagte Maury. »Und, wo sollen wir Sie rauslassen?«

»Irgendwo in Manhattan wäre fein«, erwiderte Carter. »Aber je näher am St. Vincent’s Hospital, desto besser.« Er hatte Joe heute noch nicht besucht.

»St. Vincent also«, sagte Maury. »Ich werde mir ein Spiel anhören, wenn ihr nichts dagegen habt«, fügte er hinzu und schaltete das Radio ein. Carter fragte sich, ob das ihre Methode war, um sich auf dem Rücksitz ungestört unterhalten zu können. Nicht, dass er glaubte, es gäbe irgendeine Veranlassung dazu.

Während der Wagen die gewundenen Wege über den Friedhof entlangfuhr, fragte Carter Ezra, woher er Bill Mitchell kannte.

»Tut mir leid, ich kannte ihn gar nicht.«

»Oh. Dann Sind Sie also ein Freund der Familie?«

»Nein, auch nicht. Ich habe aus der Zeitung von der Trauerfeier erfahren. Mein eigentliches Interesse bestand, wie ich zugeben muss, darin, Sie zu treffen.«

»Mich? Warum?«

»Weil ich von dem Unfall in Ihrem Labor gelesen habe und sehr neugierig bin, was genau geschehen ist. Ich denke, Sie werden es besser wissen als jeder andere.«

»Sind Sie ein Brandermittler?«, fragte Carter, obwohl die vornehme Limousine nicht gerade dafür sprach.

»Nein.«

»Ein Reporter?«

»O nein. Ich habe selbst in vielen Labors gearbeitet, zuletzt im Nahen Osten, und ich bin immer neugierig, wenn so ein grässliches Missgeschick geschieht wie bei Ihnen.« Im Moment bestand noch keine Veranlassung, Mr Cox seine wahren Gründe anzuvertrauen. »Darf ich fragen, was für eine Arbeit Sie genau in Ihrem Labor erledigten, als das Feuer ausbrach?«

Wer war dieser Typ? Und sollte er diese Frage beantworten? Der Wagen passierte die Friedhofstore, und nachdem Carter noch ein paar Sekunden darüber nachgegrübelt hatte, glaubte er nicht, dass es noch groß schaden konnte, wenn er ihm antwortete. Jeder denkbare Schaden war bereits angerichtet. »Professor Russo und ich sind Paläontologen, und wir haben an einem Fossil gearbeitet.«

»Zusammen mit dem verstorbenen Mr Mitchell?«

Carter zögerte, dann sagte er: »Bill war eigentlich nicht befugt, sich dort aufzuhalten.«

Ezra schien zu begreifen, was er meinte. »Ich verstehe. Experimente können leicht schiefgehen, wenn die falschen Leute ihre Finger im Spiel haben.«

Für Carter hörte es sich an, als spräche er aus Erfahrung.

»Aber dürfte ich Sie vielleicht fragen«, sagte Ezra und fuhr so vorsichtig und höflich fort, wie er konnte, »an was für einem Fossil Sie und Professor Russo arbeiten?«

Carter schaute aus dem Fenster auf die anderen Autos, die jetzt an ihnen vorbeiflitzten. »Gearbeitet haben. Es wurde durch die Explosion und das Feuer komplett zerstört. Und jetzt werden wir niemals wissen, was es war.«

»Nach was hat es denn ausgesehen?«

Das war eine gute Frage, und unwillkürlich sah sich Carter erneut mit dem Thema konfrontiert. Es war das bittersüße Gefühl, das einen überkam, wenn man über eine alte Flamme sprach. »Der größte Teil war noch in einem Steinblock eingeschlossen, aber nach dem, was wir gesehen haben, könnte es ein Exemplar aus der Familie der Raubvögel gewesen sein.«

»Also ein Dinosaurier?«

Jetzt wusste er, dass der Typ kein rivalisierender Paläontologe war. »Wahrscheinlich. Alles, was wir sehen konnten, war seine Hand, oder besser gesagt Klaue, und ein Teil einer Extremität.«

Ezra schien fasziniert von dieser Information. »Das ist komisch«, sagte er.

»Was?«

»Sie haben zuerst Hand gesagt. Als sei es Ihnen menschlich vorgekommen.«

Das konnte Carter nicht leugnen. Das Fossil hatte ihn ständig auf seltsame Gedanken gebracht. Ganz zu schweigen von diesem bizarren Gefühl, das Fossil sei irgendwie wärmer als der umgebende Stein. Er erinnerte sich noch gut an den Tag, als er die Probe von der ausgestreckten Kralle genommen hatte.

»Interessieren Sie sich deswegen so dafür?«, fragte Carter und riet ins Blaue hinein. »Sind Sie Anthropologe?«

»Im weitesten Sinne des Wortes kann man das vermutlich schon sagen. Ich widme mich dem Studium der Menschheit.« Ezra schien das ein fairer Kompromiss zu sein und ein müheloser Weg, um Carters Neugier zu befriedigen. »Ich bin sehr interessiert an der Frage, wie wir hierhergekommen sind, und warum.«

»Klingt so, als würden Sie sich dem Thema sehr kosmisch annähern«, sagte Carter. War dieser Typ ein bisschen … abgedreht? Langsam fragte er sich, ob er gleich etwas über Außerirdische hören würde, die den Menschen die Geheimnisse des Pyramidenbaus beigebracht hätten.

»Da stimme ich Ihnen zu. Ich habe in der Tat eine sehr kosmische Sichtweise«, sagte Ezra, »obwohl ich weiß, dass Sie diesen Begriff spöttisch gemeint haben.«

Himmel, hatte Carters Tonfall ihn verraten, oder war der Typ einfach überempfindlich? Carter musste sich ermahnen, dass Ezra, selbst wenn er ihm vielleicht etwas merkwürdig vorkam, nicht dumm war. Im Gegenteil, seine Züge strahlten Scharfsinn und Brillanz aus. »Es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht beleidigen.«

»Schon gut«, erwiderte Ezra, obwohl er offensichtlich verärgert war. Er wandte das Gesicht ab. Sein Profil erinnerte Carter an einen Wüstenfalken, mager, frei und hungrig. Ezra beobachtete den Kontrolleur an der Mautstelle, der gerade dem Fahrer sein Wechselgeld herausgab.

Schweigend fuhren sie durch den Tunnel. Carter fühlte sich schlecht, weil er den Mann, der ihn mitgenommen hatte, beleidigt hatte. Als sie den Tunnel hinter sich gelassen hatten, versuchte Carter die Stimmung im Wagen aufzulockern, indem er Ezra fragte, wo er wohnte.

»East Side«, lautete die knappe Antwort.

»Allein?«

»Nein.« Wenn es eine gute Sache gab, die sich aus Ezras Sicht aus den Verwicklungen vor der UN ergeben hatte, dann war es die Auflage des Gerichts, dass er jederzeit unter seiner derzeitigen Adresse erreichbar sein musste. Kimberly hatte sich totgeärgert – eines der wenigen Dinge seit langem, die Ezra aufrichtiges Vergnügen bereitet hatten.

Aber Ezra begriff, dass er es sich im Moment nicht leisten konnte, weiter beleidigt zu sein oder diesen Carter irgendwie zu verstimmen. Zumindest nicht, bis er genügend Informationen aus ihm herausgeholt hatte, um jeden Zweifel und alle Fragen zu klären, die er vielleicht noch hatte. Gab es eine Verbindung zwischen dem, was in jener Nacht im Labor vorgefallen war, einem Labor, in dem ein seltsames Fossil peinlich genau untersucht wurde, und den Glocken, die in jeder Kirche der Stadt geläutet hatten?

»Ich muss einmal um den Block fahren«, meldete sich Maury, »um zur Krankenhausauffahrt zu kommen«, doch Carter, der es eilig hatte, aus dem Wagen auszusteigen, sagte: »Kein Problem, Sie können mich gerne auf der anderen Straßenseite rauslassen.«

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