Литмир - Электронная Библиотека
A
A

Unwillkürlich wanderte sein Blick zu den großen verschlossenen Stahltüren. Er wollte gerade wieder wegsehen, als ihm etwas ins Auge fiel. Zuerst war er nicht einmal sicher, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte, aber dann merkte er, dass unter der Seitentür auf der Höhe der Laderampe ein schmaler Lichtschein hindurchschimmerte.

Er blieb stehen. Hatte er am Freitag die Scheinwerfer angelassen, als er gegangen war?

Nein. Er erinnerte sich deutlich, dass er sie ausgeschaltet hatte und sich noch einmal nach dem Laser und der Felsplatte umgedreht hatte, ehe er die Tür abgeschlossen hatte.

Konnte der Hausmeister, Hank, dort drin sein? Ziemlich unwahrscheinlich, besonders um diese Uhrzeit, fast zehn Uhr an einem Samstagabend.

Er wollte weitergehen und einfach so tun, als hätte er nichts gesehen, aber er wusste, dass er das nicht fertigbrachte. Er musste nachsehen, was dort vor sich ging. Er tastete in seiner Tasche nach dem Schlüssel und stieg die Betonstufen zur Laderampe hinauf. An der Tür blickte er noch einmal nach unten. Ja, durch den dünnen Spalt am Boden drang ein Lichtschimmer. Er legte das Ohr an das kalte Metall und hörte leise Radiomusik.

Könnte Carter unangekündigt früher zurückgekommen sein? Das, so stellte er erleichtert fest, war durchaus möglich. Russo wusste, dass Carter insgeheim hoffte, dieses Fossil könnte eine Verwandtschaft zwischen Vögeln und Dinosauriern belegen. Vielleicht war er überstürzt zurückgekommen, jetzt, wo er so nah daran war, den endgültigen Beweis für seine Lieblingstheorie zu finden. Möglicherweise war ihm langweilig geworden, schon nach einem Tag auf dem Land, und er konnte es nicht abwarten, sich wieder an die Arbeit zu machen.

Von diesem Gedanken aufgemuntert, schloss Russo die Tür auf und betrat das improvisierte Labor. Seine erste Schlussfolgerung war, dass er recht gehabt hatte. Aus dem Radio plärrte Rock ’n’ Roll, alle Deckenscheinwerfer waren eingeschaltet, und die Plastikplane, die er über das Lasergerät geworfen hatte, lag auf dem Schreibtisch.

Doch zu seiner ungeheuren Überraschung war der Laser in Betrieb und gab ein regelmäßiges schrilles Jaulen von sich. Das Gerät war verschoben worden, so dass sein Lauf direkt auf einen Abschnitt des Felsens deutete und diesen sogar beinahe berührte. Hatte Carter beschlossen, weiterzumachen und es auf eigene Faust zu versuchen? Russo war verdutzt, denn es hatte den Anschein gehabt, sie würden solche Dinge nur zusammen machen. Es gab so viel vorzubereiten, so viele Vorsichtsmaßnahmen zu beachten, so viele Schritte, um zu gewährleisten, dass diese Prozedur sicher ablief und brauchbare Ergebnisse lieferte. Er und Carter waren sich von Anfang an einig gewesen, dass sie es mit einem furchtbar zerbrechlichen und explosiven Fundstück zu tun hatten, das mit größter Behutsamkeit zu behandeln war. Aber jetzt, als Russo ins Labor schaute, kam Carter mit einer dicken Schutzbrille vor den Augen von der anderen Seite des Felsens herum und ging zuversichtlich auf den Laser zu.

Nur, dass es nicht Carter war, wie er plötzlich begriff.

Dieser Typ war zu klein, und das Haar war lang und strähnig. Als er herüberblickte und Russo entdeckte, schob er die Brille hoch und sagte verlegen: »Oh, hallo. Ich hatte nicht damit gerechnet, Sie heute Abend hier zu sehen.«

»Mitchell?«, fragte Russo erstaunt. »Was tun Sie hier?«

Mitchell sah aus, als fehlten ihm die Worte. Aber der summende Laser beantwortete die Frage für ihn, ohne dass er einen Ton sagen musste. Und das wusste er.

»Wie sind Sie hier hereingekommen?«, fragte Russo und durchquerte das Labor.

»Durch den Lagerraum. Ich meine, ich musste keine Schlösser knacken oder so.«

»Dies hier ist ein privates Labor. Sie haben kein Recht, sich hier aufzuhalten.«

Mitchell sah aus, als suchte er erneut verzweifelt nach einer Antwort. »Hey, Sie können so ein Geheimnis nicht lange unter Verschluss halten.« Er lächelte verschlagen. »Ein privates Labor, eine Lieferung aus Übersee, die Anforderung eines Lasers … Ich bin kein Sherlock Holmes, aber das war kaum zu übersehen.«

»Woher wussten Sie überhaupt irgendetwas davon?«, fragte Russo entrüstet.

»Ich weiß eine Menge«, sagte Mitchell, in dem sich langsam ebenfalls Zorn zu regen begann. »Und für den Fall, dass Sie es vergessen haben, ich bin hier Juniorprofessor. Ich denke, ich habe ein Recht darauf, zu wissen, was hier vor sich geht.«

»Sie sind nicht berechtigt, hier hereinzukommen und … sich in unsere Experimente einzumischen.«

»Ich muss schon sagen, Joe, Sie haben echt Nerven.« Er zog die Brille von seinem Kopf und schob sich das strähnige Haar hinter die Ohren. »Sie gehören nicht einmal zur Fakultät hier, im Gegensatz zu mir, und Sie wollen mir erzählen, was ich in diesem Fachbereich tun darf und was nicht? Ich war nett zu Ihnen, habe Sie zu meiner Party eingeladen, habe mich bemüht, freundlich zu sein. Und was ist der Dank dafür? Mit keinem einzigen Wort haben Sie mir verraten, warum Sie hier sind oder was Sie machen oder was«, dabei deutete er auf den schwarzen Felsblock, »für ein unglaubliches Ding sich in diesem Stein verbirgt.«

Russo warf einen raschen Blick auf den Felsen. Der Laserstrahl war exakt auf die Stelle gerichtet, von der sie die Probe der versteinerten Klaue genommen hatten. Ein sehr feiner, aber ätzender Geruch lag in der Luft.

»Wie lange läuft der Laser schon?«, fragte Russo hastig.

»Ein paar Minuten, mehr nicht«, sagte Mitchell. »Ich wollte gerade ausprobieren, was der so alles kann.«

»Schalten Sie ihn aus. Sofort!«

»Ich glaube, das darf man nicht machen. Sobald er einmal eingeschaltet ist, muss man ihn mindestens …«

Russo erinnerte sich noch an genug von der Einführung durch den Techniker, um zu wissen, wo sich der Ein-und Ausschalter befand. Er ging um das Gerät herum zur Rückseite und beugte den Kopf über das Bedienungspaneel, doch Mitchell kam ihm zuvor.

»Es wird schon nicht schaden, ihn noch eine Weile laufen zu lassen«, sagte er und legte die Hände über die Kontrollschalter.

»Der Stein ist sehr, sehr gefährlich«, sagte Russo. Der Geruch nach Verbranntem wurde stärker. »Nehmen Sie die Hände weg!«

»Was soll so gefährlich daran sein?«, fragte Mitchell, obwohl er seine Hände fortnahm.

»Gase! Sie sind darin eingeschlossen!« Russo stieß Mitchell grob aus dem Weg.

Mitchell musste den Brandgeruch ebenfalls bemerkt haben. »Ich dachte, der Laser würde auf kalte Weise brennen. Es funktioniert auf Argon-Basis, und das bedeutet …«

Es gab einen Knall, nicht lauter als ein Luftballon, in den jemand eine Nadel gestochen hatte.

Russo wurde plötzlich in die Luft gehoben und von einer ohrenbetäubenden Druckwelle aus sengend heißem Wind und grellem Licht quer durchs Labor geschleudert. Er knallte gegen die gegenüberliegende Wand und rutschte auf den Betonfußboden, während ein Flammenmeer gleich einer blitzartigen Woge durch das Labor auf ihn zukam. Er konnte sich nicht bewegen, doch er hätte ohnehin keine Zeit mehr gehabt. Die Flammen verschlangen den Boden, dann seine Beine, seinen Körper, reinigten ihn, versengten ihn, wuschen über sein Gesicht und knisterten in seinem Haar. Das Labor erbebte unter der Explosion und warf das Brüllen zurück. Die Deckenscheinwerfer barsten, die Luft war erfüllt von einem dichten Schauer aus zerbrochenem Glas. Ein Hagel aus Scherben und Kiesel ging nieder, Steine schossen wie Gewehrkugeln durchs Labor.

Russo konnte nicht atmen und kaum etwas sehen. Die Flammen rasten durch den Raum, leckten an den Wänden und Türen, wie wilde Hunde, die sich zu befreien versuchten. In der Luft lag ein feiner schwarzer Staubnebel, der vom pulverisierten Felsen stammte.

Doch das Labor war nicht dunkel.

Selbst mit seinen verletzten Augen konnte Russo das Licht erkennen. Ein weißes schimmerndes Licht in der Mitte des Raumes, genau dort, wo sich die Felsplatte befunden hatte. Das Licht schien sich zu bewegen, es schien … eine Gestalt zu formen.

36
{"b":"195231","o":1}