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Beifall. — Der Denker bedarf des Beifalls und des Händeklatschens nicht, vorausgesetzt, dass er seines eigenen Händeklatschens sicher ist: diess aber kann er nicht entbehren. Giebt es Menschen, welche auch dessen und überhaupt jeder Gattung von Beifall entrathen könnten? Ich zweifle: und selbst in Betreff der Weisesten sagt Tacitus, der kein Verleumder der Weisen ist, quando etiam sapientibus gloriae cupido novissima exuitur — das heisst bei ihm: niemals.

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Lieber taub, als betäubt. — Ehemals wollte man sich einen Ruf machen: das genügt jetzt nicht mehr, da der Markt zu gross geworden ist, — es muss ein Geschrei sein. Die Folge ist, dass auch gute Kehlen sich überschreien, und die besten Waaren von heiseren Stimmen ausgeboten werden; ohne Marktschreierei und Heiserkeit giebt es jetzt kein Genie mehr. — Das ist nun freilich ein böses Zeitalter für den Denker: er muss lernen, zwischen zwei Lärmen noch seine Stille zu finden, und sich so lange taub stellen, bis er es ist. So lange er diess noch nicht gelernt hat, ist er freilich in Gefahr, vor Ungeduld und Kopfschmerzen zu Grunde zu gehen.

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Die böse Stunde. — Es hat wohl für jeden Philosophen eine böse Stunde gegeben, wo er dachte: was liegt an mir, wenn man mir nicht auch meine schlechten Argumente glaubt! — Und dann flog irgend ein schadenfrohes Vögelchen an ihm vorüber und zwitscherte: Was liegt an dir? Was liegt an dir?»

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Was heisst erkennen. — Non ridere, non lugere, neque detestari, sed intelligere! sagt Spinoza, so schlicht und erhaben, wie es seine Art ist. Indessen: was ist diess intelligere im letzten Grunde Anderes, als die Form, in der uns eben jene Drei auf Einmal fühlbar werden? Ein Resultat aus den verschiedenen und sich widerstrebenden Trieben des Verlachen-, Beklagen-, Verwünschen-wollens? Bevor ein Erkennen möglich ist, muss jeder dieser Triebe erst seine einseitige Ansicht über das Ding oder Vorkommniss vorgebracht haben; hinterher entstand der Kampf dieser Einseitigkeiten und aus ihm bisweilen eine Mitte, eine Beruhigung, ein Rechtgeben nach allen drei Seiten, eine Art Gerechtigkeit und Vertrag: denn, vermöge der Gerechtigkeit und des Vertrags können alle diese Triebe sich im Dasein behaupten und mit einander Recht behalten. Wir, denen nur die letzten Versöhnungsscenen und Schluss-Abrechnungen dieses langen Processes zum Bewusstsein kommen, meinen demnach, intelligere sei etwas Versöhnliches, Gerechtes, Gutes, etwas wesentlich den Trieben Entgegengesetztes; während es nur ein gewisses Verhalten der Triebe zu einander ist. Die längsten Zeiten hindurch hat man bewusstes Denken als das Denken überhaupt betrachtet: jetzt erst dämmert uns die Wahrheit auf, dass der allergrösste Theil unseres geistigen Wirkens uns unbewusst, ungefühlt verläuft; ich meine aber, diese Triebe, die hier mit einander kämpfen, werden recht wohl verstehen, sich einander dabei fühlbar zu machen und wehe zu thun —: jene gewaltige plötzliche Erschöpfung, von der alle Denker heimgesucht werden, mag da ihren Ursprung haben (es ist die Erschöpfung auf dem Schlachtfelde). Ja, vielleicht giebt es in unserm kämpfenden Innern manches verborgene Heroenthum, aber gewiss nichts Göttliches, Ewig-in-sich-Ruhendes, wie Spinoza meinte. Das bewusste Denken, und namentlich das des Philosophen, ist die unkräftigste und desshalb auch die verhältnissmässig mildeste und ruhigste Art des Denkens: und so kann gerade der Philosoph am leichtesten über die Natur des Erkennens irre geführt werden.

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Man muss lieben lernen. — So geht es uns in der Musik: erst muss man eine Figur und Weise überhaupt hören lernen, heraushören, unterscheiden, als ein Leben für sich isoliren und abgrenzen; dann braucht es Mühe und guten Willen, sie zu ertragen, trotz ihrer Fremdheit, Geduld gegen ihren Blick und Ausdruck, Mildherzigkeit gegen das Wunderliche an ihr zu üben: — endlich kommt ein Augenblick, wo wir ihrer gewohnt sind, wo wir sie erwarten, wo wir ahnen, dass sie uns fehlen würde, wenn sie fehlte; und nun wirkt sie ihren Zwang und Zauber fort und fort und endet nicht eher, als bis wir ihre demüthigen und entzückten Liebhaber geworden sind, die nichts Besseres von der Welt mehr wollen, als sie und wieder sie. — So geht es uns aber nicht nur mit der Musik: gerade so haben wir alle Dinge, die wir jetzt lieben, lieben gelernt. Wir werden schließlich immer für unseren guten Willen, unsere Geduld, Billigkeit, Sanftmüthigkeit gegen das Fremde belohnt, indem das Fremde langsam seinen Schleier abwirft und sich als neue unsägliche Schönheit darstellt: — es ist sein Dank für unsere Gastfreundschaft. Auch wer sich selber liebt, wird es auf diesem Wege gelernt haben: es giebt keinen anderen Weg. Auch die Liebe muss man lernen.

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Hoch die Physik — Wie viel Menschen verstehen denn zu beobachten! Und unter den wenigen, die es verstehen, — wie viele beobachten sich selber!» Jeder ist sich selber der Fernste«— das wissen alle Nierenprüfer, zu ihrem Unbehagen; und der Spruch» erkenne dich selbst!«ist, im Munde eines Gottes und zu Menschen geredet, beinahe eine Bosheit. Dass es aber so verzweifelt mit der Selbstbeobachtung steht, dafür zeugt Nichts mehr, als die Art, wie über das Wesen einer moralischen Handlung fast von Jedermann gesprochen wird, diese schnelle, bereitwillige, überzeugte, redselige Art, mit ihrem Blick, ihrem Lächeln, ihrem gefälligen Eifer! Man scheint dir sagen zu wollen:»Aber, mein Lieber, das gerade ist meine Sache! Du wendest dich mit deiner Frage an Den, der antworten darf: ich bin zufällig in Nichts so weise, wie hierin. Also: wenn der Mensch urtheilt,»so ist es recht«, wenn er darauf schliesst,»darum muss es geschehen!«und nun thut, was er dergestalt als recht erkannt und als nothwendig bezeichnet hat, — so ist das Wesen seiner Handlung moralisch! «Aber, mein Freund, du sprichst mir da von drei Handlungen statt von einer: auch dein Urtheilen zum Beispiel» so ist es recht «ist eine Handlung, — könnte nicht schon auf eine moralische und auf eine unmoralische Weise geurtheilt werden? Warum hältst du diess und gerade diess für recht? — »Weil mein Gewissen es mir sagt; das Gewissen redet nie unmoralisch, es bestimmt ja erst, was moralisch sein soll!«— Aber warum hörst du auf die Sprache deines Gewissens? Und inwiefern hast du ein Recht, ein solches Urtheil als wahr und untrüglich anzusehen? Für diesen Glauben — giebt es da kein Gewissen mehr? Weisst du Nichts von einem intellectuellen Gewissen? Einem Gewissen hinter deinem» Gewissen«? Dein Urtheil» so ist es recht «hat eine Vorgeschichte in deinen Trieben, Neigungen, Abneigungen, Erfahrungen und Nicht-Erfahrungen;»wie ist es da entstanden?«musst du fragen, und hinterher noch:,»was treibt mich eigentlich, ihm Gehör zu schenken?«Du kannst seinem Befehle Gehör schenken, wie ein braver Soldat, der den Befehl seines Offiziers vernimmt. Oder wie ein Weib, das Den liebt, der befiehlt. Oder wie ein Schmeichler und Feigling, der sich vor dem Befehlenden fürchtet. Oder wie ein Dummkopf, welcher folgt, weil er Nichts dagegen zu sagen hat. Kurz, auf hundert Arten kannst du deinem Gewissen Gehör geben. Dass du aber diess und jenes Urtheil als Sprache des Gewissens hörst, also, dass du Etwas als recht empfindest, kann seine Ursache darin haben, dass du nie über dich nachgedacht hast und blindlings annahmst, was dir als recht von Kindheit an bezeichnet worden ist: oder darin, dass dir Brod und Ehren bisher mit dem zu Theil wurde, was du deine Pflicht nennst, — es gilt dir als» recht«, weil es dir deine» Existenz-Bedingung «scheint (dass du aber ein Recht auf Existenz habest, dünkt dich unwiderleglich!). Die Festigkeit deines moralischen Urtheils könnte immer noch ein Beweis gerade von persönlicher Erbärmlichkeit, von Unpersönlichkeit sein, deine» moralische Kraft «könnte ihre Quelle in deinem Eigensinn haben — oder in deiner Unfähigkeit, neue Ideale zu schauen! Und, kurz gesagt: wenn du feiner gedacht, besser beobachtet und mehr gelernt hättest, würdest du diese deine» Pflicht «und diess dein» Gewissen «unter allen Umständen nicht mehr Pflicht und Gewissen benennen: die Einsicht darüber, wie überhaupt jemals moralische Urtheile entstanden sind, würde dir diese pathetischen Worte verleiden, — so wie dir schon andere pathetische Worte, zum Beispiel» Sünde«,»Seelenheil«,»Erlösung «verleidet sind. — Und nun rede mir nicht vom kategorischen Imperativ, mein Freund! — diess Wort kitzelt mein Ohr, und ich muss lachen, trotz deiner so ernsthaften Gegenwart: ich gedenke dabei des alten Kant, der, zur Strafe dafür, dass er» das Ding an sich«— auch eine sehr lächerliche Sache! — sich erschlichen hatte, vom» kategorischen Imperativ «beschlichen wurde und mit ihm im Herzen sich wieder zu» Gott«,»Seele«, Freiheit «und,»Unsterblichkeit «zurückverirrte, einem Fuchse gleich, der sich in seinen Käfig zurückverirrt: — und seine Kraft und Klugheit war es gewesen, welche diesen Käfig erbrochen hatte! — Wie? Du bewunderst den kategorischen Imperativ in dir? Diese» Festigkeit «deines sogenannten moralischen Urtheils? Diese» Unbedingtheit «des Gefühls» so wie ich, müssen hierin Alle urtheilen«? Bewundere vielmehr deine Selbstsucht darin! Und die Blindheit, Kleinlichkeit und Anspruchslosigkeit deiner Selbstsucht! Selbstsucht nämlich ist es, sein Urtheil als Allgemeingesetz zu empfinden; und eine blinde, kleinliche und anspruchslose Selbstsucht hinwiederum, weil sie verräth, dass du dich selber noch nicht entdeckt, dir selber noch kein eigenes, eigenstes Ideal geschaffen hast: — diess nämlich könnte niemals das eines Anderen sein, geschweige denn Aller, Aller! — Wer noch urtheilt» so müsste in diesem Falle Jeder handeln«, ist noch nicht fünf Schritt weit in der Selbsterkenntniss gegangen: sonst würde er wissen, dass es weder gleiche Handlungen giebt, noch geben kann, — dass jede Handlung, die gethan worden ist, auf eine ganz einzige und unwiederbringliche Art gethan wurde, und dass es ebenso mit jeder zukünftigen Handlung stehen wird, — dass alle Vorschriften des Handelns sich nur auf die gröbliche Aussenseite beziehen (und selbst die innerlichsten und feinsten Vorschriften aller bisherigen Moralen), — dass mit ihnen wohl ein Schein der Gleichheit, aber eben nur ein Schein erreicht werden kann, — dass jede Handlung, beim Hinblick oder Rückblick auf sie, eine undurchdringliche Sache ist und bleibt, — dass unsere Meinungen von» gut«,»edel«,»gross «durch unsere Handlungen nie bewiesen werden können, weil jede Handlung unerkennbar ist, — dass sicherlich unsere Meinungen, Werthschätzungen und Gütertafeln zu den mächtigsten Hebeln im Räderwerk unserer Handlungen gehören, dass aber für jeden einzelnen Fall das Gesetz ihrer Mechanik unnachweisbar ist. Beschränken wir uns also auf die Reinigung unserer Meinungen und Werthschätzungen und auf die Schöpfung neuer eigener Gütertafeln: — über den» moralischen Werth unserer Handlungen «aber wollen wir nicht mehr grübeln! Ja, meine Freunde! In Hinsicht auf das ganze moralische Geschwätz der Einen über die Andern ist der Ekel an der Zeit! Moralisch zu Gericht sitzen soll uns wider den Geschmack gehen! Ueberlassen wir diess Geschwätz und diesen üblen Geschmack Denen, welche nicht mehr zu thun haben, als die Vergangenheit um ein kleines Stück weiter durch die Zeit zu schleppen und welche selber niemals Gegenwart sind, — den Vielen also, den Allermeisten! Wir aber wollen Die werden, die wir sind, — die Neuen, die Einmaligen, die Unvergleichbaren, die Sich-selber-Gesetzgebenden, die Sich-selberSchaffenden! Und dazu müssen wir die besten Lerner und Entdecker alles Gesetzlichen und Nothwendigen in der Welt werden: wir müssen Physiker sein, um, in jenem Sinne, Schöpfer sein zu können, — während bisher alle Werthschätzungen und Ideale auf Unkenntniss der Physik oder im Widerspruch mit ihr aufgebaut waren. Und darum: Hoch die Physik! Und höher noch das, was uns zu ihr zwingt, — unsre Redlichkeit!

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