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Zu Ehren der Freundschaft. — Dass das Gefühl der Freundschaft dem Alterthum als das höchste Gefühl galt, höher selbst als der gerühmteste Stolz des Selbstgenügsamen und Weisen, ja gleichsam als dessen einzige und noch heiligere Geschwisterschaft: diess drückt sehr gut die Geschichte von jenem macedonischen Könige aus, der einem weltverachtenden Philosophen Athen's ein Talent zum Geschenk machte und es von ihm zurückerhielt.»Wie? sagte der König, hat er denn keinen Freund?«Damit wollte er sagen:»ich ehre diesen Stolz des Weisen und Unabhängigen, aber ich würde seine Menschlichkeit noch höher ehren, wenn der Freund in ihm den Sieg über seinen Stolz davongetragen hätte. Vor mir hat sich der Philosoph herabgesetzt, indem er zeigte, dass er eines der beiden höchsten Gefühle nicht kennt, — und zwar das höhere nicht!»

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Liebe. — Die Liebe vergiebt dem Geliebten sogar die Begierde.

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Das Weib in der Musik. — Wie kommt es, dass warme und regnerische Winde auch die musikalische Stimmung und die erfinderische Lust der Melodie mit sich führen? Sind es nicht die selben Winde, welche die Kirchen füllen und den Frauen verliebte Gedanken geben?

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Skeptiker. — Ich fürchte, dass altgewordene Frauen im geheimsten Verstecke ihres Herzens skeptischer sind, als alle Männer: sie glauben an die Oberflächlichkeit des Daseins als an sein Wesen, und alle Tugend und Tiefe ist ihnen nur Verhüllung dieser» Wahrheit«, die sehr wünschenswerthe Verhüllung eines pudendum —, also eine Sache des Anstandes und der Scham, und nicht mehr!

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Hingebung. — Es giebt edle Frauen mit einer gewissen Armuth des Geistes, welche, um ihre tiefste Hingebung auszudrücken, sich nicht anders zu helfen wissen, als so, dass sie ihre Tugend und Scham anbieten: es ist ihnen ihr Höchstes. Und oft wird diess Geschenk angenommen, ohne so tief zu verpflichten, als die Geberinnen voraussetzen, — eine sehr schwermüthige Geschichte!

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Die Stärke der Schwachen. — Alle Frauen sind fein darin, ihre Schwäche zu übertreiben, ja sie sind erfinderisch in Schwächen, um ganz und gar als zerbrechliche Zierathen zu erscheinen, denen selbst ein Stäubchen wehe thut: ihr Dasein soll dem Manne seine Plumpheit zu Gemüthe führen und in's Gewissen schieben. So wehren sie sich gegen die Starken und alles» Faustrecht».

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Sich selber heucheln. — Sie liebt ihn nun und blickt seitdem mit so ruhigem Vertrauen vor sich hin wie eine Kuh: aber wehe! Gerade diess war seine Bezauberung, dass sie durchaus veränderlich und unfassbar schien! Er hatte eben schon zu viel beständiges Wetter an sich selber! Sollte sie nicht gut thun, ihren alten Charakter zu heucheln? Lieblosigkeit zu heucheln? Räth ihr also nicht — die Liebe? Vivat comoedia!

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Wille und Willigkeit. — Man brachte einen Jüngling zu einem weisen Manne und sagte:»Siehe, das ist Einer, der durch die Weiber verdorben wird!«Der weise Mann schüttelte den Kopf und lächelte.»Die Männer sind es, rief er, welche die Weiber verderben: und Alles, was die Weiber fehlen, soll an den Männern gebüsst und gebessert werden, — denn der Mann macht sich das Bild des Weibes, und das Weib bildet sich nach diesem Bilde.«—»Du bist zu mildherzig gegen die Weiber, sagte einer der Umstehenden, du kennst sie nicht!«Der weise Mann antwortete:»Des Mannes Art ist Wille, des Weibes Art Willigkeit, — so ist es das Gesetz der Geschlechter, wahrlich! ein hartes Gesetz für das Weib! Alle Menschen sind unschuldig für ihr Dasein, die Weiber aber sind unschuldig im zweiten Grade: wer könnte für sie des Oels und der Milde genug haben.«— Was Oel! Was Milde! rief ein Anderer aus der Menge;»Man muss die Weiber besser erziehen! — Man muss die Männer besser erziehen, «sagte der weise Mann und winkte dem Jünglinge, dass er ihm folge. — Der Jüngling aber folgte ihm nicht.

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Fähigkeit zur Rache. — Dass Einer sich nicht vertheidigen kann und folglich auch nicht will, gereicht ihm in unsern Augen noch nicht zur Schande: aber wir schätzen Den gering, der zur Rache weder das Vermögen noch den guten Willen hat, — gleichgültig ob Mann oder Weib. Würde uns ein Weib festhalten (oder wie man sagt» fesseln«) können, dem wir nicht zutrauten, dass es unter Umständen den Dolch (irgend eine Art von Dolch) gegen uns gut zu handhaben wüsste? Oder gegen sich: was in einem bestimmten Falle die empfindlichere Rache wäre (die chinesische Rache).

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Die Herrinnen der Herren. — Eine tiefe mächtige Altstimme, wie man sie bisweilen im Theater hört, zieht uns plötzlich den Vorhang vor Möglichkeiten auf, an die wir für gewöhnlich nicht glauben: wir glauben mit Einem Male daran, dass es irgendwo in der Welt Frauen mit hohen, heldenhaften, königlichen Seelen geben könne, fähig und bereit zu grandiosen Entgegnungen, Entschliessungen und Aufopferungen, fähig und bereit zur Herrschaft über Männer, weil in ihnen das Beste vom Manne, über das Geschlecht hinaus, zum leibhaften Ideale geworden ist. Zwar sollen solche Stimmen nach der Absicht des Theaters gerade nicht diesen Begriff vom Weibe geben: gewöhnlich sollen sie den idealen männlichen Liebhaber, zum Beispiel einen Romeo, darstellen; aber nach meiner Erfahrung zu urtheilen, verrechnet sich dabei das Theater und der Musiker, der von einer solchen Stimme solche Wirkungen erwartet, ganz regelmässig. Man glaubt nicht an diese Liebhaber: diese Stimmen enthalten immer noch eine Farbe des Mütterlichen und Hausfrauenhaften, und gerade dann am meisten, wenn Liebe in ihrem Klange ist.

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Von der weiblichen Keuschheit. — Es ist etwas ganz Erstaunliches und Ungeheures in der Erziehung der vornehmen Frauen, ja vielleicht giebt es nichts Paradoxeres. Alle Welt ist darüber einverstanden, sie in eroticis so unwissend wie möglich zu erziehen und ihnen eine tiefe Scham vor dergleichen und die äusserste Ungeduld und Flucht beim Andeuten dieser Dinge in die Seele zu geben. Alle» Ehre «des Weibes steht im Grunde nur hier auf dem Spiele: was verziehe man ihnen sonst nicht! Aber hierin sollen sie unwissend bis in's Herz hinein bleiben: — sie sollen weder Augen, noch Ohren, noch Worte, noch Gedanken für diess ihr» Böses «haben: ja das Wissen ist hier schon das Böse. Und nun! Wie mit einem grausigen Blitzschlage in die Wirklichkeit und das Wissen geschleudert werden, mit der Ehe — und zwar durch Den, welchen sie am meisten lieben und hochhalten: Liebe und Scham im Widerspruch ertappen, ja Entzücken, Preisgebung, Pflicht, Mitleid und Schrecken über die unerwartete Nachbarschaft von Gott und Thier und was Alles sonst noch! in Einem empfinden müssen! — Da hat man in der That sich einen Seelen-Knoten geknüpft, der seines Gleichen sucht! Selbst die mitleidige Neugier des weisesten Menschenkenners reicht nicht aus, zu errathen, wie sich dieses und jenes Weib in diese Lösung des Räthsels und in diess Räthsel von Lösung zu finden weiss, und was für schauerliche, weithin greifende Verdachte sich dabei in der armen aus den Fugen gerathenen Seele regen müssen, ja wie die letzte Philosophie und Skepsis des Weibes an diesem Puncte ihre Anker wirft! — Hinterher das selbe tiefe Schweigen wie vorher: und oft ein Schweigen vor sich selber, ein Augen-Zuschliessen vor sich selber. — Die jungen Frauen bemühen sich sehr darum, oberflächlich und gedankenlos zu erscheinen; die feinsten unter ihnen erheucheln eine Art Frechheit. — Die Frauen empfinden leicht ihre Männer als ein Fragezeichen ihrer Ehre und ihre Kinder als eine Apologie oder Busse, — sie bedürfen der Kinder und wünschen sie sich, in einem ganz anderen Sinne als ein Mann sich Kinder wünscht. — Kurz, man kann nicht mild genug gegen die Frauen sein!

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