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Gleichniss. — Jene Denker, in denen alle Sterne sich in kyklischen Bahnen bewegen, sind nicht die tiefsten; wer in sich wie in einen ungeheuren Weltraum hineinsieht und Milchstrassen in sich trägt, der weiss auch, wie unregelmässig alle Milchstrassen sind; sie führen bis in's Chaos und Labyrinth des Daseins hinein.
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Glück im Schicksal. — Die grösste Auszeichnung erweist uns das Schicksal, wenn es uns eine Zeit lang auf der Seite unserer Gegner hat kämpfen lassen. Damit sind wir vorher bestimmt zu einem grossen Siege.
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In media vita. — Nein! Das Leben hat mich nicht enttäuscht! Von Jahr zu Jahr finde ich es vielmehr wahrer, begehrenswerther und geheimnissvoller, — von jenem Tage an, wo der grosse Befreier über mich kam, jener Gedanke, dass das Leben ein Experiment des Erkennenden sein dürfe — und nicht eine Pflicht, nicht ein Verhängniss, nicht eine Betrügerei! — Und die Erkenntniss selber: mag sie für Andere etwas Anderes sein, zum Beispiel ein Ruhebett oder der Weg zu einem Ruhebett, oder eine Unterhaltung, oder ein Müssiggang, — für mich ist sie eine Welt der Gefahren und Siege, in der auch die heroischen Gefühle ihre Tanz- und Tummelplätze haben.»Das Leben ein Mittel der Erkenntniss«— mit diesem Grundsatze im Herzen kann man nicht nur tapfer, sondern sogar fröhlich leben und fröhlich lachen! Und wer verstünde überhaupt gut zu lachen und zu leben, der sich nicht vorerst auf Krieg und Sieg gut verstünde?
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Was zur Grösse gehört. — Wer wird etwas Grosses erreichen, wenn er nicht die Kraft und den Willen in sich fühlt, grosse Schmerzen zuzufügen? Das Leidenkönnen ist das Wenigste: darin bringen es schwache Frauen und selbst Sclaven oft zur Meisterschaft. Aber nicht an innerer Noth und Unsicherheit zu Grunde gehn, wenn man grosses Leid zufügt und den Schrei dieses Leides hört — das ist gross, das gehört zur Grösse.
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Die Seelen-Aerzte und der Schmerz. — Alle Moralprediger, wie auch alle Theologen, haben eine gemeinsame Unart: alle suchen den Menschen aufzureden, sie befänden sich sehr schlecht und es thue eine harte letzte radicale Cur noth. Und weil die Menschen insgesammt jenen Lehren ihr Ohr zu eifrig und ganze Jahrhunderte lang hingehalten haben, ist zuletzt wirklich Etwas von jenem Aberglauben, dass es ihnen sehr schlecht gehe, auf sie übergegangen: sodass sie jetzt gar zu gerne einmal bereit sind, zu seufzen und Nichts mehr am Leben zu finden und miteinander betrübte Mienen zu machen, wie als ob es doch gar schwer auszuhalten sei. In Wahrheit sind sie unbändig ihres Lebens sicher und in dasselbe verliebt und voller unsäglicher Listen und Feinheiten, um das Unangenehme zu brechen und dem Schmerze und Unglücke seinen Dorn auszuziehen. Es will mir scheinen, dass vom Schmerze und Unglücke immer übertrieben geredet werde, wie als ob es eine Sache der guten Lebensart sei, hier zu übertreiben: man schweigt dagegen geflissentlich davon, dass es gegen den Schmerz eine Unzahl Linderungsmittel giebt, wie Betäubungen, oder die fieberhafte Hast der Gedanken, oder eine ruhige Lage, oder gute und schlimme Erinnerungen, Absichten, Hoffnungen, und viele Arten von Stolz und Mitgefühl, die beinahe die Wirkung von Anästheticis haben: während bei den höchsten Graden des Schmerzes schon von selber Ohnmachten eintreten. Wir verstehen uns ganz gut darauf, Süssigkeiten auf unsere Bitternisse zu träufeln, namentlich auf die Bitternisse der Seele; wir haben Hülfsmittel in unserer Tapferkeit und Erhabenheit, sowie in den edleren Delirien der Unterwerfung und der Resignation. Ein Verlust ist kaum eine Stunde ein Verlust: irgendwie ist uns damit auch ein Geschenk vom Himmel gefallen — eine neue Kraft zum Beispiel: und sei es auch nur eine neue Gelegenheit zur Kraft! Was haben die Moralprediger vom inneren» Elend «der bösen Menschen phantasirt! Was haben sie gar vom Unglücke der leidenschaftlichen Menschen uns vorgelogen! — ja, lügen ist hier das rechte Wort: sie haben um das überreiche Glück dieser Art von Menschen recht wohl gewusst, aber es todtgeschwiegen, weil es eine Widerlegung ihrer Theorie war, nach der alles Glück erst mit der Vernichtung der Leidenschaft und dem Schweigen des Willens entsteht! Und was zuletzt das Recept aller dieser Seelen-Aerzte betrifft und ihre Anpreisung einer harten radicalen Cur: so ist es erlaubt, zu fragen: ist dieses unser Leben wirklich schmerzhaft und lästig genug, um mit Vortheil eine stoische Lebensweise und Versteinerung dagegen einzutauschen? Wir befinden uns nicht schlecht genug, um uns auf stoische Art schlecht befinden zu müssen!
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Ernst nehmen. — Der Intellect ist bei den Allermeisten eine schwerfällige, finstere und knarrende Maschine, welche übel in Gang zu bringen ist: sie nennen es» die Sache ernst nehmen«, wenn sie mit dieser Maschine arbeiten und gut denken wollen — oh wie lästig muss ihnen das Gut-Denken sein! Die liebliche Bestie Mensch verliert jedesmal, wie es scheint, die gute Laune, wenn sie gut denkt; sie wird» ernst«! Und» wo Lachen und Fröhlichkeit ist, da taugt das Denken Nichts«: — so lautet das Vorurtheil dieser ernsten Bestie gegen alle» fröhliche Wissenschaft«. — Wohlan! Zeigen wir, dass es ein Vorurtheil ist!
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Der Dummheit Schaden thun. — Gewiss hat der so hartnäckig und überzeugt gepredigte Glaube von der Verwerflichkeit des Egoismus im Ganzen dem Egoismus Schaden gethan (zu Gunsten, wie ich hundertmal wiederholen werde, der Heerden-Instincte!), namentlich dadurch, dass er ihm das gute Gewissen nahm und in ihm die eigentliche Quelle alles Unglücks suchen hiess.»Deine Selbstsucht ist das Unheil deines Lebens«— so klang die Predigt Jahrtausende lang: es that, wie gesagt, der Selbstsucht Schaden und nahm ihr viel Geist, viel Heiterkeit, viel Erfindsamkeit, viel Schönheit, es verdummte und verhässlichte und vergiftete die Selbstsucht! — Das philosophische Alterthum lehrte dagegen eine andere Hauptquelle des Unheils: von Sokrates an wurden die Denker nicht müde, zu predigen:»eure Gedankenlosigkeit und Dummheit, euer Dahinleben nach der Regel, eure Unterordnung unter die Meinung des Nachbars ist der Grund, wesshalb ihr es so selten zum Glück bringt, — wir Denker sind als Denker die Glücklichsten. «Entscheiden wir hier nicht, ob diese Predigt gegen die Dummheit bessere Gründe für sich hatte, als jene Predigt gegen die Selbstsucht; gewiss aber ist das, dass sie der Dummheit das gute Gewissen nahm: — diese Philosophen haben der Dummheit Schaden gethan.
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Musse und Müssiggang. — Es ist eine indianerhafte, dem Indianer-Bluthe eigenthümliche Wildheit in der Art, wie die Amerikaner nach Gold trachten: und ihre athemlose Hast der Arbeit — das eigentliche Laster der neuen Welt — beginnt bereits durch Ansteckung das alte Europa wild zu machen und eine ganz wunderliche Geistlosigkeit darüber zu breiten. Man schämt sich jetzt schon der Ruhe; das lange Nachsinnen macht beinahe Gewissensbisse. Man denkt mit der Uhr in der Hand, wie man zu Mittag isst, das Auge auf das Börsenblatt gerichtet, — man lebt, wie Einer, der fortwährend Etwas» versäumen könnte«.»Lieber irgend Etwas thun, als Nichts«— auch dieser Grundsatz ist eine Schnur, um aller Bildung und allem höheren Geschmack den Garaus zu machen. Und so wie sichtlich alle Formen an dieser Hast der Arbeitenden zu Grunde gehen: so geht auch das Gefühl für die Form selber, das Ohr und Auge für die Melodie der Bewegungen zu Grunde. Der Beweis dafür liegt in der jetzt überall geforderten plumpen Deutlichkeit, in allen den Lagen, wo der Mensch einmal redlich mit Menschen sein will, im Verkehre mit Freunden, Frauen, Verwandten, Kindern, Lehrern, Schülern, Führern und Fürsten, — man hat keine Zeit und keine Kraft mehr für die Ceremonien, für die Verbindlichkeit mit Umwegen, für allen Esprit der Unterhaltung und überhaupt für alles Otium. Denn das Leben auf der Jagd nach Gewinn zwingt fortwährend dazu, seinen Geist bis zur Erschöpfung auszugeben, im beständigen Sich-Verstellen oder Ueberlisten oder Zuvorkommen: die eigentliche Tugend ist jetzt, Etwas in weniger Zeit zu thun, als ein Anderer. Und so giebt es nur selten Stunden der erlaubten Redlichkeit: in diesen aber ist man müde und möchte sich nicht nur» gehen lassen«, sondern lang und breit und plump sich hinstrecken. Gemäss diesem Hange schreibt man jetzt seine Briefe; deren Stil und Geist immer das eigentliche» Zeichen der Zeit «sein werden. Giebt es noch ein Vergnügen an Gesellschaft und an Künsten, so ist es ein Vergnügen, wie es müde-gearbeitete Sclaven sich zurecht machen. Oh über diese Genügsamkeit der» Freude «bei unsern Gebildeten und Ungebildeten! Oh über diese zunehmende Verdächtigung aller Freude! Die Arbeit bekommt immer mehr alles gute Gewissen auf ihre Seite: der Hang zur Freude nennt sich bereits» Bedürfniss der Erholung «und fängt an, sich vor sich selber zu schämen.»Man ist es seiner Gesundheit schuldig«— so redet man, wenn man auf einer Landpartie ertappt wird. Ja, es könnte bald so weit kommen, dass man einem Hange zur vita contemplativa (das heisst zum Spazierengehen mit Gedanken und Freunden) nicht ohne Selbstverachtung und schlechtes Gewissen nachgäbe. — Nun! Ehedem war es umgekehrt: die Arbeit hatte das schlechte Gewissen auf sich. Ein Mensch von guter Abkunft verbarg seine Arbeit, wenn die Noth ihn zum Arbeiten zwang. Der Sclave arbeitete unter dem Druck des Gefühls, dass er etwas Verächtliches thue: — das» Thun «selber war etwas Verächtliches.»Die Vornehmheit und die Ehre sind allein bei otium und bellum«: so klang die Stimme des antiken Vorurtheils!