Литмир - Электронная Библиотека
Содержание  
A
A

Der Europäer Mandel’štam, der im mittelmeerischen Raum das Zentrum der europäischen Kultur sieht, betrachtet immer auch die zahlreichen Fäden und Verästelungen mit der «Weltkultur», aus der die europäische Kultur ihre besondere Qualität gewinnt.

Laut Nadežda Mandel’štam schloss er die Krim und den Kaukasus, insbesondere Armenien, durch ihre Verbindung mit dem Schwarzen Meer in diesen europäischen Kulturraum ein:

Средиземноморье было для него священной землёй, где началась история, которая путём преемственности дала христианскую культуру Европы. (…) В сферу Средиземноморья он включал Крым и Закавказье. (…) Древние связи Крыма и Закавказья, особенно Армении, с Грецией и Римом казались ему залогом общности с мировой, вернее, европейской культурой. (…)[272]

So wird ihm die Erde Armeniens, mit dem Berg Ararat, der bereits im ersten Buch Mose 8.4 als biblisches Land genannt wird, zum «Lehrbuch derersten Menschen», wie es in einem Gedicht des Zyklus heißt. Mandel’štam verortet Armenien in seiner geokulturellen Landkarte «на окрайне света» (4. Gedicht), wo es seinen Platz als «östlicher Vorposten jüdisch-christlicher, europäisch-abendländischer Kultur»[273] behauptet.

Der heilige Berg Ararat faszinierte auch andere russische reisende Literaten. In der symbolischen Ausdeutung des Ararat bei den Dichtem der Moderne findet man Puškins Staunen über den biblischen Berg wieder («Putešestvie v Azrum»), zugleich aber weiterführende kulturelle Reminiszenzen: Brjusov besingt den «старый Арарат» als Monument der Freiheit: «В огромной шапке Мономаха, / Как властелин окрестных гор, / Ты внёсся от земного праха / В свободный голубой простор»[274]. Belyj sah in ihm den Patriarchen, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft steingeworden seien[275]. Mandel’štam versieht den Ararat mit verschiedenen metaphorischen Bestimmungen, so z. В.: «Весь воздух выпила огромная гора»[276], «дорожный шатёр»[277].

Es ist schwer, in Mandel’štams Armeniengedichten ein geschlossenes Bild des Landes und seiner Kultur auszumachen. Zu den wichtigen Versatzstücken, die das poetische Gebäude namens Armenien errichten, gehören Motive der armenischen Volkspoesie, wie die Rose, die allerdings ihres traditionellen Partners der Nachtigall beraubt ist: «Ты розу Гафиса колышешь»[278] beginnt der Gedichtzyklus und verweist damit auf den starken Einfluss der persischen Tradition auf das Armenische. Zugleich wird das Eigenständige und Widerständige der armenischen Poesie betont:

Закутав рот, как влажную розу, / Держа в руках осьмигранные соты, / Всё утро дней на окрайне мира / Ты простояла, глотая слезу. // И отвернулась со стыдом и скорбью / От огородов богатых востока; / И вот лежишь на москательном ложе / И с тебя снимают посмертную маску[279].

Doch statt der romantischen Liebesbande zwischen der Rose und der Nachtigall, die die Volkspoesie durchzieht, lesen wir im VIII. Gedicht: «Холодно розе в снегу: / На Севане снег в три аршина…»[280] Die zarte Rose muss sich nunmehr in eisigen Gefilden behaupten. Im ständigen Kampf der Mächte wurde Armenien zerrieben. Es ist ein Land, das standig in höchster Gefahr schwebt.

Ein weiteres wichtiges Mosaik seines Armenien-Bildes bildet die armenische Sprache, besonders das Altarmenische (Grapar), das Mandel’štam (erfolglos, wie er selbst erklärt[281]) zu erlernen versuchte. Die fremde Sprache ist ihm Herausforderung: «Дикая кошка — армянская речь — / Мучит меня и царапает ухо»[282], zugleich symbolisiert sie jene unverfälschte Kultur, die sich eben durch ihre unverfügbare Sprache den politischen Zumutungen der Zeit entzieht.

Die poetische Spannung des gesamten Reisetextes «Putešestvie v Armeniju» resultiert aus der Gegenüberstellung des ungeliebten Moskaus derfinsteren Spießerfamilien («суровые семьи обывателей») mit dem lichten Armenien, «где черепа людей одинаково прекрасны»[283]. Nur drei von acht Kapiteln haben Armenien zum Schauplatz[284]. Der Akmeist verteidigt sein Konzept der kulturellen Autonomie und einer lebendigen häusliche Kultur, in das das transkauskasische Armenien genauso gehört wie das weltläufige, europäische Petersburg — nicht aber das «buddhahafte Moskau»[285].

Die überraschende und übergangslose Hinwendung zur französischen Malerei in Moskau (Kapitel «Francuzy») in einem Text über seine Armenien-Reise erklärt sich aus einer Vorstellung, die die europäische Kultur als ein geistiges Kontinuum denkt und nicht als einen abgeschlos-senen Raum. Im «buddhahaften Moskau» sucht er die Spuren, die von europäischer Kultur zeugen und verbindet sie kraft seiner poetischen Assoziation zu jenem Gewebe, dessen Struktur nicht so leicht zu durchschauen ist. Die Fäden reichen von den französischen Impressionisten über den Biologen Boris S. Kuzin, den er in Armenien und später in Moskau trifft und der ihm nicht nur die Lehren Lamarcks und Linnés nahe bringt[286], sondern auch die deutsche Literatur. Kuzin ist das Gedicht «К nemeckoj reči» (1932) gewidmet. Die vielfältigen kulturellen Assoziationen und Überschneidungen, die den Armenien-Text durchziehen, bedürfen einer differenzierten Erforschung[287], an dieser Stelle kann lediglich auf das Verfahren der omamentalen Verflechtungen hingewiesen werden, mit dem der Dichter die unterschiedlichen geographischen Räume überzieht, wodurch sich über die augenscheinlich unterschiedlichen nationalen Physiognomien ein einheitliches geistig-kulturelles Gewebe legt, das die europäische Kultur für ihn darstellt. Insofern vermag er auch dem «buddhahaften Moskau» seine europäischen Seiten abzutrotzen.

Mandel’štam — wie auch seine Dichterkollegen Bijusov und Belyj — interessieren nicht die Grenzziehungen und Exklusionen, sondern die Verbindungslinien zwischen Kulturen und Zeiten — wobei das Zentrum ihres Denkens stets die europaische Kultur bleibt.

____________________
Christa Ebert

Межъязыковые каламбуры

В моем петербургско-тартуском филологическом окружении в письмах и разговорах довольно часто использовались шуточные «переводы» с одного языка на другой. Так, видный немецкий славист Герхард Цигенгайст (во времена ГДР он занимал крупные научно-административные посты) в нашем быту прочно именовался «Козлиный дух» (а иногда и «Цыганский дух»). Первое — это буквальный перевод с немецкого Ziegengeist, а второе — легкий каламбур: цыган по звучанию (der Ziegener) близок к козе (die Ziege). Следует учесть, что некоторая каламбурность содержится внутри самой немецкой фамилии Цигенгайст: Geist это дух в философском, возвышенном значении, а материальный запах, что куда естественнее прилагать к козе, по-немецки — der Geruch.

Возможны смешанные межъязыковые каламбуры, особенно действенные благодаря частичному «переводу». Была известна дружеская шутка Н. Я. Берковского, назвавшего выдающегося питерского филолога и искусствоведа А. А. Гозенпуда за его энциклопедические познания и отменную работоспособность — «пуд штанов» (штаны по-немецки — die Hosen).

вернуться

272

Zit. nach: Sippl C. Reisetexte der russischen Moderne. S. 185.

вернуться

273

Armenien, Armenien! S. 207.

вернуться

274

«К Арарату» // Брюсов и Армения. Кн. 1. С. 34.

вернуться

275

S. Fußnote 19.

вернуться

276

Armenien, Armenien! S. 106.

вернуться

277

Ebenda S. 112.

вернуться

278

Ebenda S. 93.

вернуться

279

Ebenda S. 98.

вернуться

280

Ebenda S. 106.

вернуться

281

Ebenda S. 65.

вернуться

282

Ebenda S. 124.

вернуться

283

Мандельштам О. Собр. соч.: В 3 т. Т. 2. С. 146, 147.

вернуться

284

Zur Struktur des Textes s. Sippl C. Reisetexte der russischen Moderne. S. 189–202.

вернуться

285

Vgl.: «В год тридцать первый от рождения века / Я возвратился, нет — читай насильно / Был возвращён в буддийскую Москву» (Zit. nach: Armenien, Armenien! S. 134). Buddhahaft bedeutete für Mandel’štam Weltabkehr und Lebensverneinung, im politischen Sinn «asiatisch» und «despotisch». Vgl. dazu auch: Dutli R. Mandelstam. Eine Biographie. Frankfurt a. М.: Fischer Taschenbuch Verlag, 2005. S. 360.

вернуться

286

Vgl. die Abschnitte «Замоскворечье» und «Вокруг натуралистов» // Мандельштам О. Собр. соч.: В 3 т. Т. 2. С. 145–155; 162–168.

вернуться

287

Wichtige Vorarbeiten dazu haben bereits Ralph Dutli und Carmen Sippl geleistet.

45
{"b":"535976","o":1}