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»Du glaubst, es sei eine besondere Situation«, sagte er. »Es ist die alltäglichste der Welt. Die vom Ehemann und vom Liebhaber.«

»Das ist nicht wahr!«

»Doch. Sie hat viele Variationen. Eine davon ist deine.«

»Wie kannst du so etwas sagen!« Sie fuhr auf. »Du bist alles andere als das, und du warst es nie, und du wirst es nie sein. Der andere ist viel mehr...« Sie brach ab. »Nein, so ist es auch nicht. Ich kann es nicht erklären.«

»Sagen wir: die Sicherheit und das Abenteuer. Das klingt besser. Es ist dasselbe. Man will das eine haben und das andere nicht loslassen.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ravic«, sagte sie aus der Dunkelheit heraus, mit einer Stimme, die ihm das Herz bewegte. »Man kann gute Worte dafür haben und schlechte. Das ändert nichts daran. Ich liebe dich und ich werde dich lieben, bis ich aufhöre zu leben. Das weiß ich, und das ist klar in mir. Du bist der Horizont, und alle Gedanken enden in dir. Es kann geschehen, was will, es ist trotzdem immer innerhalb von dir. Es ist kein Betrug. Es nimmt dir nichts. Das ist es, weshalb ich immer wieder hier bin, und das ist es, weshalb ich es nicht bedauern und mich nicht schuldig fühlen kann.«

»Im Gefühl gibt es keine Schuld, Joan. Wie kommst du auf so etwas?«

»Ich habe nachgedacht. Ich habe so viel nachgedacht, Ravic. Über mich und über dich. Du hast mich nie ganz haben wollen. Du weißt es vielleicht selbst nicht. Da war immer etwas, das war zugesperrt für mich. Und ich konnte nie ganz hinein. Ich wollte! Wie ich es wollte! Es war immer so, daß du jeden Augenblick weggehen konntest. Ich war nie sicher. Daß die Polizei dich wegschickte, daß du fort mußtest — es hätte genauso auch anders sein können —, daß du eines Tages weg warst, von dir aus, daß du einfach nicht mehr da warst, weggegangen warst, irgendwohin...«

Ravic starrte auf das Gesicht im Ungewissen Dunkel vor ihm. Da war etwas richtig in dem, was sie sagte.

»Es war immer so«, fuhr sie fort. »Immer. Und dann kam jemand, der mich wollte, nichts, als mich wollte, ganz und für immer, einfach und ohne jede Komplikation. Ich lachte, ich wollte es nicht, ich spielte damit, es erschien so ungefährlich, so leicht, wieder beiseite zu schieben — und dann, plötzlich war es mehr geworden, ein Zwang, etwas, das in mir auch wollte, ich wehrte mich, und es nützte nichts, ich gehörte nicht dahin, es war alles nicht in mir, was wollte, es war nur ein Stück, aber es schob mich, es war wie ein langsamer Erdrutsch, über den man anfangs lacht, und plötzlich ist nichts mehr da, um sich festzuhalten, und man kann sich nicht mehr wehren. Aber ich gehörte nicht dahin, Ravic. Ich gehöre zu dir.«

Er warf seine Zigarette aus dem Fenster. Sie flog wie ein Leuchtkäfer zum Hof hinunter. »Was geschehen ist, ist geschehen, Joan«, sagte er. »Wir können es jetzt nicht mehr ändern.«

»Ich will nichts ändern. Es wird vorübergehen. Ich gehöre zu dir. Weshalb komme ich wieder? Weshalb stehe ich vor deiner Tür? Weshalb warte ich hier auf dich, und du wirfst mich hinaus, und ich werde wiederkommen? Ich weiß, du glaubst mir nicht und denkst, ich hätte andere Gründe. Was für Gründe denn? Wenn das andere mich ausfüllte, würde ich nicht wiederkommen. Ich würde dich vergessen haben. Du sagst, was ich bei dir suche, sei Sicherheit. Das ist nicht wahr. Es ist Liebe.«

Worte, dachte Ravic. Süße Worte. Sanfter, trügerischer Balsam. Hilfe, Liebe, Zusammengehören, Wiederkommen — Worte, süße Worte. Nichts als Worte. Wie viele Worte es gab für diese einfache, wilde, grausame Anziehung zweier Körper! Welch ein Regenbogen der Phantasie, Lüge, Gefühl und Selbstbetrug sich darüber wölbte! Da stand er, in dieser Nacht des Abschieds, da stand er, ruhig, im Dunkeln, und ließ ihn über sich hinträufeln, diesen Regen von süßen Worten, die nichts bedeuteten als Abschied, Abschied, Abschied. Wenn man darüber sprach, war es schon verloren. Der Gott der Liebe hatte eine blutbefleckte Stirn. Er wußte nichts von Worten.

»Du mußt jetzt gehen, Joan.«

Sie stand auf. »Ich will hierbleiben. Laß mich hierbleiben. Nur eine Nacht.«

Er schüttelte den Kopf. »Wofür hältst du mich? Ich bin kein Automat.«

Sie lehnte sich an ihn. Er fühlte, daß sie zitterte.

»Es ist mir gleich. Laß mich hierbleiben.«

Er schob sie behutsam von sich. »Du solltest nicht gerade mit mir anfangen, den anderen zu betrügen. Er wird noch genug zu leiden haben.«

»Ich kann jetzt nicht allein nach Hause gehen.«

»Du brauchst nicht lange allein zu bleiben.«

»Doch, ich bin allein. Schon seit Tagen. Er ist fort. Nicht in Paris.«

»So...«, erwiderte Ravic ruhig. Er sah sie an. »Immerhin, du bist wenigstens offen. Man weiß, woran man mit dir ist.«

»Ich bin nicht deshalb gekommen.«

»Natürlich nicht.«

»Ich hätte es ja auch nicht zu sagen brauchen.«

»Richtig.«

»Ravic, ich will nicht allein nach Hause gehen.«

»Dann werde ich dich nach Hause bringen.«

Sie trat langsam einen Schritt zurück. »Du liebst mich nicht mehr...«, sagte sie leise und fast drohend.

»Bist du gekommen, um das zu erfahren?«

»Ja — das auch. Nicht allein — aber auch deshalb.«

»Mein Gott, Joan«, sagte Ravic ungeduldig, »dann hast du soeben eines der offensten Liebesbekenntnisse gehört.«

Sie antwortete nicht. Sie sah ihn an. »Glaubst du, daß ich mir sonst etwas daraus machen würde, dich hierzubehalten, ganz gleich, mit wem du lebst?« sagte er.

Sie begann langsam zu lächeln. Es war kein eigentliches Lächeln — es war wie ein Schein von innen heraus, als hätte jemand in ihr eine Lampe angezündet und der Glanz stiege langsam höher bis in die Augen. »Danke, Ravic«, sagte sie. Und nach einer Weile vorsichtig, ihn immer noch ansehend: »Du wirst mich nicht verlassen?«

»Wozu fragst du das?«

»Du wirst warten? Du wirst mich nicht verlassen?«

»Ich glaube, da ist nicht viel Gefahr. Nach den Erfahrungen mit dir.«

»Danke.« Sie war verändert. Wie schnell sich das tröstet, dachte er. Aber warum sollte sie nicht? Sie glaubt, erreicht zu haben, was sie wollte, auch ohne hierzubleiben. Sie küßte ihn. »Ich wußte, daß du so sein würdest, Ravic. Du mußtest so sein. Ich gehe jetzt. Bring mich nicht nach Hause. Ich kann jetzt allein gehen.«

Sie stand an der Tür. »Komm nicht wieder«, sagte er. »Und bedenke nichts. Du gehst nicht unter.«

»Nein. Gute Nacht, Ravic.«

»Gute Nacht, Joan.«

Er ging zur Wand und machte Licht. Du mußt so sein, er schüttelte sich leicht. Aus Lehm und Gold sind Sie gemacht, dachte er. Aus Lüge und Erschütterung. Aus Schwindel und schamloser Wahrheit. Er setzte sich ans Fenster. Von unten kam immer noch das leise, monotone Klagen. Eine Frau, die ihren Mann betrogen hatte und ihn bejammerte, weil er tot war. Vielleicht aber auch nur, weil ihre Religion es so vorschrieb. Ravic wunderte sich, daß er nicht unglücklicher war.

23

»Ich bin zurück, Ravic, ja«, sagte Kate Hegström.

Sie saß in ihrem Zimmer im Hotel Lancaster. Sie war schmaler geworden. Das Fleisch unter der Haut schien eingesunken, als wäre es von feinen Instrumenten von innen heraus ausgehöhlt worden. Die Linien traten mehr hervor; und die Haut war wie Seide, die leicht reißen konnte.

»Ich glaubte Sie noch in Florenz — oder in Cannes — oder schon in Amerika«, sagte Ravic.

»Ich war die ganze Zeit in Florenz. In Fiesole. Bis ich es nicht mehr aushalten konnte. Erinnern Sie sich noch, wie ich Sie überreden wollte, mitzukommen? Bücher, ein Feuer, Abende, Frieden? Die Bücher waren da — das Feuer im Kamin auch —, aber Friede? Ravic, selbst die Stadt des Franziskus von Assisi ist laut geworden. Laut und unruhig, wie alles drüben. Da, wo er den Vögeln von der Liebe gepredigt hat, ziehen jetzt Kolonnen in Uniformen umher und berauschen sich an Großtuerei, Worten und grundlosem Haß.«

»Das war doch schon immer so, Kate.«

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