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Trout schien aus einer Trance aufzuwachen. »Ich dachte gerade an Roswell in New Mexico, wo angeblich das UFO abgestürzt sein soll.«

»Vielleicht können wir ein andermal hinfahren. Nach dem Vortrag deines Freundes Frobisher summt mir der Kopf von Verschwörungstheorien.«

»Was hältst du von ihm?«

»Entweder ist er ein fröhlicher Exzentriker, oder er ist beängstigend normal.«

»Das ist auch meine Meinung, was mich letztlich auf Roswell gebracht hat. Einige UFO-Freaks berichten, dass der Präsident nach dem Vorfall einer Gruppe hochrangiger Wissenschaftler und Regierungsvertreter den Auftrag gab, die Angelegenheit zu untersuchen und zu vertuschen. Die Gruppe erhielt die Bezeichnung MJ12.«

»Das kommt mir irgendwie bekannt vor. Meinst du, dass es zu dem, was wir gehört haben, allzu enge Parallelen gibt?«

»Vielleicht, aber es besteht eine Möglichkeit, die Richtigkeit seiner Aussagen zu bestätigen.«

»Und welche?«

Eine schlichte Broschüre lag auf der Mittelkonsole zwischen den beiden Vordersitzen. Frobisher hatte sie ihnen mit dem Hinweis überreicht, dass Kovacs dieses einzige Exemplar der mathematischen Grundlagen seiner umstrittenen Theoreme hatte drucken lassen. Die vergilbten Seiten waren randvoll mit mathematischen Gleichungen gefüllt. Trout ergriff die Broschüre und sagte: »Lazio Kovacs konnte seine Theoreme nicht testen. Wir hingegen können es.«

20

Austin stand auf der Veranda seines Hauses und betrachtete das funkelnde Band, das hinter seinem Haus vorbeiströmte. Die Morgennebel hatten sich aufgelöst. Vom Potomac stieg ein Geruch von in der Sonne festgebackenem Schlamm und Wildblumen auf. Manchmal stellte er sich vor, dass der Fluss seine eigene Lorelei hatte, und zwar eine lüstern dreinblickende Südstaatenversion der deutschen Sirene, deren Gesang Rheinschiffer in den Tod lockte.

Ihrem unwiderstehlichen Ruf folgend, holte er sein sieben Meter langes Maas Rennskiff unter dem Bootshaus hervor und trug es vorsichtig die Rampe hinunter zum Wasser. Er stieg in das offene Cockpit, schob die Füße unter die Schlaufen, die mit dem Stemmbrett vernietet waren, fuhr auf dem Rollsitz einige Male vor und zurück, um seine Bauchmuskeln zu lockern, und justierte die Dollhaken am Ende der Ausleger auf maximale Leistung.

Dann stieß er sich ab in den Fluss, tauchte die Schaufeln seiner Concept 2 Composit Skulls ins Wasser, beugte sich vor und zog die Innenhebel zurück, wobei er sein Körpergewicht nutzte. Die drei Meter langen Skulls ließen das nadelschlanke Rennboot regelrecht durchs Wasser fliegen. Er steigerte seine Schlagzahl, bis die Anzeige des StrokeCoach ihm verriet, dass er seine übliche Frequenz von achtundzwanzig Schlägen pro Minute erreicht hatte.

Rudern war eine tägliche Routine und seine bevorzugte Trainingsart. Es erforderte mehr Technik als reine Kraft, und das Zusammenwirken von Geist und Körper, das nötig war, um das leichte Boot übers Wasser schießen zu lassen, war eine perfekte Methode, um das Geschnatter der Welt ringsum auszuschalten und seine Konzentration auf einen Punkt zu bündeln.

Während er an stattlichen alten Villen vorüberglitt, versuchte er, einen Sinn in den Ereignissen zu erkennen, die in seinem Kopf herumwirbelten wie der Strudel, der die Trouts beinahe in den Tod gezogen hatte. Eine Tatsache war wohl unwidersprochen. Jemand hatte eine Möglichkeit gefunden, die Ozeane gezielt und willkürlich in Wallung zu bringen.

Aber zu welchem Zweck? Welcher Gewinn war daraus zu ziehen, dass man Killerwellen und riesige Mahlströme erzeugte, die fähig waren, ganze Schiffe zu verschlingen? Und wer war in der Lage, derart unvorstellbare und gottgleiche Kräfte zu entwickeln?

Aus den Augenwinkeln bemerkte Austin eine Bewegung, die seine Überlegungen unterbrach. Ein anderes Skiff kam auf gleiche Höhe. Austin stellte seine Skullschaufeln auf und stoppte. Der andere Ruderer tat das Gleiche. Sie musterten einander. Sein unerwarteter Gefährte entsprach nicht den ordentlichen athletischen Typen, denen er bei seinen morgendlichen Ruderaktivitäten häufig begegnete. Zuerst einmal quollen lange Rastalocken unter seiner braunen Baseballmütze hervor. Dazu trug er eine Sonnenbrille mit blauen Gläsern.

»Guten Morgen«, sagte Austin.

Der Mann nahm die Mütze mit den daran befestigten Dreadlocks sowie die Sonnenbrille ab. »Verdammt, ist das Ding heiß!«, sagte er. Er grinste Austin an. »Haben Sie nicht vor kurzem an irgendwelchen Kajakrennen teilgenommen?«

Die Sonne beschien die bizarre Spinnentätowierung auf dem schweißnassen Schädel.

Austin lehnte sich nach vorne auf seine Skulls. »Hallo, Spider«, sagte er.

»Sie wissen, wer ich bin?«

Austin nickte. »Das Bob-Marley-Kostüm hatte mich für einen Moment getäuscht.«

Barrett zuckte die Achseln. »Das war das Beste, was mir auf die Schnelle einfiel. Ein Typ verhökerte diese Dinger am Andenkenstand in der Nähe der Bootsvermietung. Ich hatte die Wahl zwischen dem hier und Elvis.«

»Eine gute Entscheidung. Ich kann Sie mir wirklich nicht dabei vorstellen, wie Sie ›Hound Dog‹ singen«, sagte Austin. »Warum überhaupt eine Verkleidung?«

Barrett deutete auf einen Verband, der seinen Kopf zierte. »Jemand will mich töten.«

»Weshalb?«

»Das ist eine lange Geschichte, Kurt.«

Austin beschloss, einen Schuss ins Blaue abzufeuern. »Hat das etwas mit den niederfrequenten elektromagnetischen Impulsen zu tun?«

Der erstaunte Ausdruck auf Barretts Gesicht verriet, dass seine Frage ins Schwarze getroffen hatte. »Woher wissen Sie davon?«

»Das ist in etwa alles, was ich weiß.«

Barrett betrachtete blinzelnd die funkelnden Reflexe der Sonne auf den Wellen. »Wunderschön.«

»Das finde ich auch, aber Sie sind sicher nicht wegen der Landschaft hergekommen.«

»Da haben Sie Recht. Ich bin hier, weil ich einen Freund brauche.«

Austin machte mit dem Arm eine ausholende Bewegung.

»Sie befinden sich hier in freundlichen Gewässern. Wenn Sie und Ihr Boot nicht gewesen wären, hätten die Mörderwale mich als Imbiss verspeist. Kommen Sie mit in mein Haus und lassen Sie uns über alles reden.«

»Das ist keine gute Idee«, sagte Barrett mit einem verstohlenen Blick über die Schulter. Er griff in seine Hemdtasche und holte ein schwarzes Kästchen von der Größe einer Zigarettenschachtel hervor. »Dies verrät uns, ob in der Nähe irgendwelche elektronischen Überwachungseinrichtungen in Betrieb sind. Okay, im Augenblick ist alles sauber, aber ich möchte kein Risiko eingehen. Was dagegen, wenn wir weiterrudern? Mir macht es nämlich Spaß.«

»Nicht weit von hier ist eine Stelle, wo wir an Land gehen können«, sagte Austin. »Folgen Sie mir.«

Sie ruderten etwa dreihundert Meter und zogen dann die Boote auf ein flaches Ufer. Eine menschenfreundliche Seele hatte im Schatten der Bäume eine Picknickbank für müde Bootsfahrer aufgestellt. Austin teilte den Inhalt seiner Wasserflasche mit Barrett.

»Danke«, sagte dieser, nachdem er einige Schlucke getrunken hatte. »Ich bin total außer Form.«

»Aber nicht nach dem, was ich gesehen habe. Ich war ziemlich schnell unterwegs, als Sie mich einholten.«

»Ich gehörte zur Rudermannschaft des MIT. Ich war praktisch jeden Tag auf dem Charles River. Das ist schon lange her.« Er lächelte ein wenig wehmütig.

»Was war Ihr Hauptfach am MIT?«

»Quantenphysik mit Schwerpunkt Computerlogik.«

»Das sieht man Ihrem Hell’s-Angels-Look aber nicht an.«

Barrett lachte. »Das ist nur Schau. Ich war schon immer ein Computerfreak. Aufgewachsen bin ich in Kalifornien, wo meine Eltern beide Universitätsprofessoren waren. Zuerst war ich an der Caltech, um Computerwissenschaften zu studieren, dann ging ich ans MIT, um mein Diplom zu machen. Dort lernte ich Tris Margrave kennen. Wir setzten uns zusammen und kamen mit dem Bargrave Softwaresystem heraus. Wir verdienten uns damit mehrere goldene Nasen. Uns ging es richtig gut, bis Tris sich mit Lucifer einließ.«

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