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»Und für mich wird es eine Freude sein, mit jemandem von derartiger akademischer Kompetenz zusammenarbeiten zu können«, sagte sie.

Marias Miene hellte sich augenblicklich auf, und sie strahlte vergnügt. Arbatovs finsterer Blick verriet, dass dieser Seitenhieb ihm gar nicht gefiel. Niemand weiß, was als Nächstes passiert wäre, wenn in diesem Moment nicht zwei weitere Personen aus dem Gebäude gekommen wären. Ohne zu zögern ging Karla auf sie zu und verbeugte sich vor einem der Männer.

»Dr. Sato, ich bin Karla Janos. Es freut mich, Sie endlich persönlich kennen zu lernen«, sagte sie zu dem älteren der beiden Männer. »Ich habe viel über das Gifu Science and Technology Center und die Kinki Universität gehört.« Sie wandte sich an den jüngeren Mann. »Und Sie müssen Dr. Ito sein, der Veterinär von der Kagoshima Universität in Süd-Japan.«

Die Männer lächelten und zeigten dabei ihre Zähne. Gleichzeitig senkten sie ihre Köpfe zu einer höflichen Verneigung.

»Wir hoffen, Sie hatten eine angenehme Reise«, sagte Dr. Sato. »Wir sind sehr dankbar, dass Sie sich unserer Expedition anschließen konnten.«

»Vielen Dank, dass Sie mir gestattet haben, hierher zu kommen. Ich weiß, dass Sie mit Ihrer eigenen Arbeit hinreichend ausgelastet sein dürften.«

Karla plauderte mit den beiden Männern über ihre gemeinsamen wissenschaftlichen Bekannten, bis Maria herüberkam und ihren Arm ergriff.

»Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wo Sie wohnen werden.«

Sie ging voraus auf eins der kleineren Gebäude zu, dann traten sie in sein düsteres und muffiges Inneres. »Dies alles hier wurde von einigen alten Pelzhändlern erbaut und anschließend von Elfenbeinsammlern vergrößert. Es ist gemütlicher, als man auf den ersten Blick vermutet«, erklärte Maria. »Die großen Zelte benutzen wir als Küche und Speisesaal. Das kleine Zelt etwas abseits vom Lager ist unser gemeinsames Badezimmer. Es ist da draußen gelegentlich ziemlich windig, daher werden Sie schnell lernen, sich zu sputen. Eine Dusche gibt es nicht. Sie werden sich mit einem Badeschwamm zufriedengeben müssen. Wir verfügen auch über einen Stromgenerator, doch den benutzen wir aufgrund unseres begrenzten Treibstoffvorrats nur gelegentlich.«

»Ich bin sicher, dass ich mich recht wohl fühlen werde«, sagte Karla, obgleich sie sich gleichzeitig fragte, ob in dem Gebäude einer der Pelzhändler ermordet worden war. Sie entrollte eine Schaumgummimatte und breitete sie auf dem Fußboden aus.

»Ich muss Ihnen ein Kompliment machen. Unsere japanischen Freunde haben Ihnen geradezu aus der Hand gefressen, als Sie auf ihre Herkunft zu sprechen kamen.«

»Das war leicht. Sobald ich ihre Namen kannte, habe ich mich im Internet informiert. Ich sah ihre Fotos und machte mich mit ihrer Herkunft vertraut. Allerdings glaube ich, dass mein Charme bei Sergei ziemlich wirkungslos verpufft ist.«

Maria stieß ein schallendes Gelächter aus. »Im Grund seines Herzens ist mein Mann ein lieber Kerl, sonst hätte ich ihm schon längst den Laufpass gegeben. Aber er kann, was Frauen betrifft, ziemlich unausstehlich sein, und er hat ein schrecklich aufgeblasenes Ego.«

»Ich habe mich auch über Sie beide erkundigt. Er hat nicht halb so viel akademische Auszeichnungen wie Sie.«

»Ja, aber er verfügt über die wichtigen politischen Beziehungen, und allein das zählt. Er hat Respekt vor Ihnen, weil Sie ihm die Stirn geboten haben, aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, dem alten Mann zu schmeicheln, dann frisst auch er Ihnen aus der Hand. Im Grunde ist er ziemlich unsicher, und ich tue es ständig.«

»Danke für den Rat. Ich werde sein Ego in Zukunft ein wenig streicheln. Wie sieht unser Zeitplan aus?«

»Im Augenblick hängt alles ein wenig in der Luft.«

»Ich verstehe nicht.« Sie entdeckte ein amüsiertes Grinsen in Marias Augen. »Gibt es etwas, von dem Sie mir noch nichts erzählt haben?«

»Ja. Die gute Nachricht ist, dass wir etwas Wunderbares gefunden haben. Die schlechte Nachricht ist, dass die anderen sich noch nicht ganz im Klaren sind, ob sie Ihnen jetzt schon von ihrer Entdeckung erzählen oder ob sie lieber warten sollen, bis sie Sie ein wenig besser kennen gelernt haben.«

Karlas Neugier wurde durch diesen verlockenden Hinweis angestachelt, aber sie sagte: »Was immer Sie entscheiden, ist mir recht. Ich habe selbst genug Arbeit vor mir.«

Maria nickte und kehrte mit ihr zu den anderen Wissenschaftlern zurück, die sich vor dem größeren Gebäude versammelt hatten.

Arbatov sah Karla mit ernster Miene an und erklärte: »Es kommt auf Sie an, ob Sie in einem sehr ungünstigen oder einem glücklichen Moment auf diese Insel gekommen sind.«

»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«

»Wir haben uns abgesprochen«, erwiderte Arbatov mit gewichtiger Stimme. »Wir haben entschieden, Sie ins Vertrauen zu ziehen. Aber zuerst müssen Sie schwören, ohne die ausdrückliche Einwilligung aller Mitglieder dieser Expedition nichts von dem weiterzugeben, was Sie gesehen haben, und zwar jetzt und auch in Zukunft.«

»Das soll mir recht sein«, sagte Karla. »Aber ich verstehe nicht ganz.« Karla warf Maria einen Hilfe suchenden Blick zu.

Arbatov deutete auf den Schuppen, dessen dicke Holztür von den beiden Japanern flankiert wurde. Sie sahen aus wie Wächterfiguren eines asiatischen Tempels. Auf ein Zeichen des Russen öffnete Sato die Tür und vollführte mit dem Arm eine elegante Bewegung, die sie zum Eintreten aufforderte.

Alle lächelten. Für einen Moment fragte Karla sich, ob sie in einen Club von Verrückten geplatzt war, die aufgrund der arktischen Einsamkeit den Verstand verloren hatten. Aber sie machte ein paar vorsichtige Schritte und gelangte in die geräumige Baracke. Die Atmosphäre war bei Weitem nicht so muffig wie in ihrem Schlafquartier, und sie nahm einen Geruch von Vieh und Viehstall wahr. Die Quelle war ein Bündel bräunlich roten Fells, das auf dem Tisch lag, der von den generatorgespeisten Scheinwerfern angestrahlt wurde. Sie ging näher heran und erkannte einige Details.

Das Wesen sah aus, als schliefe es. Fast erwartete sie, dass seine Augen sich plötzlich öffneten oder dass der Schwanz oder der Rüssel zu zucken begann.

Vor ihr, so lebensecht wie vor zwanzigtausend Jahren, lag das am besten erhaltene Mammutjunge, das sie jemals zu Gesicht bekommen hatte.

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Jordan Gant war wie eine Chimäre, jenes mythische griechische Monster des Altertums, das ein Mischwesen aus verschiedenen, nicht miteinander verwandten Teilen war.

Er war diszipliniert wie ein Mönch in der Fastenzeit und vermittelte den Eindruck eines Asketen, aber sein schwarzer maßgeschneiderter Anzug und der ebenfalls schwarze Rollkragenpulli, die seine bleiche Haut und sein silbergraues Haar betonten, hatten mehr gekostet, als viele Menschen in einer Woche verdienen. Sein Büro auf der Massachusetts Avenue in Washington war, verglichen mit den luxuriösen Räumlichkeiten der anderen einflussreichen Stiftungen in der Nachbarschaft, spartanisch eingerichtet, allerdings besaß er ein schlossähnliches Farmhaus in Virginia, einen Stall voller Pferde und eine Garage voller Sportwagen. Er verdiente ein Vermögen mit multinationalen Beteiligungen, war jedoch Chef einer Organisation, deren erklärtes Ziel darin bestand, Konzerne wie die, die ihn reich gemacht hatten, zu behindern und zu zerschlagen.

Seine Ohren waren klein und lagen dicht an seinem Kopf an und verliehen ihm ein stromlinienförmiges Aussehen, fast so als trüge er eine Kapuze. Seine Gesichtszüge waren glatt und nichtssagend, so als wären sie entstanden, ehe irgendein Charaktermerkmal — gut oder schlecht — seine Spuren darin hinterlassen hatte. Sein Mienenspiel war nicht viel aussagekräftiger als Porträts, die auf einen Bildschirm projiziert werden. Im entspannten, natürlichen Zustand fehlte seinem Gesicht jegliche Emotion. Das Lächeln eines Politikers hatte er bis zur Vollkommenheit verfeinert, und er konnte es anknipsen, als verfügte er über einen eingebauten elektrischen Schalter. Er konnte während der langweiligsten Unterhaltung aufrichtiges Interesse demonstrieren und Sympathie und Freude vermitteln, indem er wie ein Schauspieler des Altertums die Masken wechselte. Manchmal erschien er eher wie eine Illusion als wie ein Mensch aus Fleisch und Blut.

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