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»Das waren sozusagen nur Aufwärmaktionen. Wissenschaftler beider Länder entdeckten etwa zur gleichen Zeit, dass sie im Zuge gemeinsamer Anstrengungen wesentliche Veränderungen des elektromagnetischen Felds der Erde herbeiführen konnten. Daraufhin fand eine geheime Konferenz beider Länder auf einer einsamen Insel im Beringmeer statt. Wissenschaftler und Regierungsvertreter nahmen daran teil. Beide Länder wurden mit Indizien konfrontiert, die die ernsten Folgen weiterer Experimente auf Grundlage der Kovacs-Theoreme aufzeigten.«

»Woher wissen Sie das alles, wenn es so geheim war?«, fragte Gamay.

»Das ist einfach. Ich habe daran teilgenommen. Wir kamen überein, sämtliche Forschung in dieser Richtung einzustellen und uns mit harmloseren Dingen wie zum Beispiel nuklearer Kriegführung zu befassen.«

»Es ist schwer zu glauben, dass es noch etwas Schlimmeres gibt als einen nuklearen Holocaust«, sagte Gamay stirnrunzelnd.

»Glauben Sie es ruhig.« Frobisher beugte sich auf seinem Stuhl vor und senkte so gewohnheitsmäßig die Stimme, als ob er glaubte, dass der Raum abgehört wurde. »Das Geheimnis zu bewahren wurde als derart wichtig angesehen, dass in jedem Land entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen wurden. Jeder, der zu viel über Kovacs und seine Arbeiten wusste oder zu neugierige Fragen stellte, wurde sofort gestoppt oder, wenn nötig, eliminiert.«

»Dann wurde die Kovacs Society gar nicht als Tarnung für eine Pokerrunde gegründet?«, fragte Trout.

Frobisher lächelte. »Die Geschichte lässt gewöhnlich das Interesse der Leute schlagartig erlahmen. Nein, die Kovacs Society war ein Teil der Tarnung. Man ging davon aus, dass sie die erste Adresse für jeden wäre, der sich für seine Arbeit interessiert. Wenn Sie vor ein paar Jahren hier erschienen wären und zu unbequeme Fragen gestellt hätten, wäre meine erste Reaktion ein Telefonanruf gewesen, und Sie wären verschwunden. Sie können froh sein, dass die ganze Einrichtung vor ein paar Jahren aufgelöst wurde.«

»Was ist geschehen?«, wollte Trout wissen.

»Es kam zu Budgetkürzungen«, antwortete Frobisher grinsend. »Eine allgemeine Vergesslichkeit setzte ein. Die wenigen Personen, die über die Übereinkunft Bescheid wussten, starben und nahmen ihr Geheimnis mit ins Grab. Niemand war mehr da, der sich um Budgetfragen kümmerte, also wurde es gestrichen. Im Laufe der Zeit verloren Kovacs und seine Arbeiten an Bedeutung. Genauso wie Nikola Tesla wurde Kovacs zu einer Kultfigur für Verschwörungsgläubige, nur war er nicht so bekannt. Die meisten Leute, die hier vorbeikommen, sind ausgemachte Spinner, wie zum Beispiel einer, der sich eine Spinne auf seine Glatze hat tätowieren lassen. Diejenigen, die sich ein wenig ernsthafter mit dieser Geschichte beschäftigen, werden gewöhnlich durch meine Froby-Nummer abgelenkt.«

»Die Nummer ist nicht schlecht«, meinte Gamay anerkennend.

»Vielen Dank. Ich fing schon an, selbst daran zu glauben. Ich war sozusagen der einsame Torwächter, der die Leute abwimmelte, wenn sie zu neugierig wurden.«

»Sie haben von weltweiten Folgen aufgrund der elektromagnetischen Manipulation gesprochen«, kam Trout wieder auf ihr ursprüngliches Anliegen zurück.

Frobisher nickte. »Was jedem der Beteiligten große Sorgen bereitete, war die Möglichkeit, dass die elektromagnetische Manipulation eine Verschiebung der Pole auslösen könnte.«

»Und ist so etwas möglich?«, fragte Gamay.

»Oh ja. Ich will es Ihnen erklären. Das elektromagnetische Feld der Erde wird durch die Rotation der äußeren Kruste um den festen Teil des Erdkerns erzeugt. Wissenschaftler der Leipziger Universität entwickelten ein Modell, das die Erde als riesigen Dynamo erscheinen lässt. Die Schwermetalle und die flüssige Magma des im Kern angesiedelten Elektromagneten stellen die Kupplung dar. Die leichteren Metalle in der Kruste sind sozusagen die Spulenwindungen. Die Planetenpole werden durch die elektromagnetische Spannung bestimmt. Die magnetischen Pole sind die Folge der Strudel und Wirbel im flüssigen Kern. Die Magnetpole neigen zum Wandern. Navigatoren berücksichtigen diesen Effekt stets bei ihren Berechnungen. Wenn ein Pol schwächer wird, könnte es zu einer Umkehr von magnetischem Süd- und Nordpol kommen.«

»Was wäre die Folge dieser Polumkehr?«, fragte Gamay.

»Es käme zu empfindlichen Störungen, die durchaus Katastrophencharakter annehmen können. Energiesysteme würden ausfallen. Satelliten wären plötzlich nutzlos. Kompasse würden durchdrehen. In der Ozonschicht könnten große Löcher entstehen, die wiederum gesundheitliche Probleme aufgrund ungefilterter Sonnenstrahlung zur Folge hätten. Man könnte das Polarlicht viel weiter im Süden beobachten. Vögel und andere Tiere würden bei ihren Wanderungen in die Irre geleitet.«

»Das wären wirklich heftige Störungen«, gab Gamay zu.

»Ja, aber all das wäre harmlos im Vergleich mit den Auswirkungen einer geologischen Polverschiebung.«

Als Tiefseegeologe wusste Trout genau, was Frobisher meinte. »Worauf Sie offensichtlich abzielen, ist eine tatsächliche Bewegung der Kruste über dem Erdkern und nicht so sehr eine Veränderung des elektromagnetischen Feldes der Erde.«

»Genau. Der feste Teil der Erde schwimmt auf dem flüssigen Teil. Es gibt Hinweise, dass so etwas schon früher vorkam, ausgelöst durch ein natürliches Ereignis wie zum Beispiel einen vorbeiziehenden Kometen.«

»Ich bin Tiefseegeologe«, sagte Trout. »Ein Komet ist die eine Sache. Ich habe jedoch Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass von Menschen vorgenommene Maßnahmen wesentliche physikalische Veränderungen auslösen können.«

»Deshalb waren Kovacs’ Untersuchungen ja so wichtig.«

»Inwiefern?«

Frobisher erhob sich und ging in dem kleinen Raum einige Male auf und ab, um seine Gedanken zu ordnen, dann blieb er stehen und vollführte mit seinem Zeigefinger eine Kreisbewegung.

»Da ist noch ein völlig anderer Aspekt. Das gesamte Universum wird vom Elektromagnetismus gesteuert. Die Erde ist aufgeladen wie ein riesiger Elektromagnet. Veränderungen des Feldes können eine Verschiebung der Polarität auslösen, wie wir soeben festgestellt haben. Es gibt jedoch noch einen weiteren Effekt, auf den Kovacs während seiner Forschungen gestoßen ist. Materie oszilliert zwischen den Zuständen Materie und Energie.«

Trout nickte verstehend. »Wenn ich Sie richtig interpretiere, kann mittels einer Veränderung des elektromagnetischen Feldes der Erde die Position von Materie auf der Erdoberfläche ebenfalls verändert werden.«

»Das könnte eine Erklärung für die ozeanischen Störungen sein«, warf Gamay ein.

Frobisher schnippte mit den Fingern und grinste triumphierend. »Damit haben Sie sich beide eine dicke Zigarre verdient.«

»Was würde bei einer Festlandverschiebung passieren?«, fragte Gamay.

Frobishers Lächeln verflog. »Die Ruhekräfte würden auf die Materieverschiebung reagieren. Die Wassermassen der Weltmeere und der Seen würden in eine andere Richtung gerissen, gegen die Küsten branden und heftige Überschwemmungen auslösen. Sämtliche elektrischen Anlagen würden versagen. Es käme zu heftigsten Hurrikans und Tornados. Die Erdkruste würde aufbrechen. Erdbeben, Vulkanausbrüche und riesige Lavaströme wären die Folge. Es käme zu drastischen und lange andauernden Klimaveränderungen. Vermehrte Sonnenstrahlung, die das Magnetfeld der Erde durchdringt, würde bei Millionen von Menschen die Strahlenkrankheit auslösen und zum Tod führen.«

»Es käme also zu einer weltweiten Katastrophe ungeahnten Ausmaßes«, sagte Gamay.

»Nein.«

Frobisher schüttelte den Kopf, und seine Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Ich rede von nichts anderem als dem Ende jedweder lebenden Materie — im Grunde vom Weltuntergang.«

Während der Rückfahrt nach Albuquerque, von wo aus sie nach Hause fliegen würden, war Paul Trout derjenige, der sich in Schweigen hüllte.

»Einen Penny für deine Gedanken«, sagte Gamay. »Natürlich unter Berücksichtigung der Inflationsrate.«

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