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»Schade, daß du so etwas nicht haben kannst«, sagte sie. »Eine Wohnung. Man fühlt sich ganz anders darin. Anders als in diesen traurigen Hotelzimmern.«

»Du hast recht. Es war gut, dies hier noch gesehen zu haben. Ich gehe jetzt, Joan...«

»Du willst gehen? Schon? Du bist gerade jetzt erst gekommen.«

Er nahm ihre Hände. »Ich gehe, Joan. Für immer. Du lebst mit jemand anderem. Und ich teile Frauen, die ich liebe, nicht mit anderen Männern.«

Sie riß ihre Hände los. »Was? Was sagst du da? Ich... wer hat dir denn das erzählt? So etwas!« Sie starrte ihn an. »Ich kann mir schon denken! Morosow natürlich, dieser...«

»Kein Morosow! Mir braucht niemand etwas zu erzählen. Es erzählt sich von selbst.«

Ihr Gesicht war plötzlich voll bleicher Wut. Sie war schon sicher gewesen, und jetzt kam es doch. »Ich weiß schon! Weil ich diese Wohnung habe und nicht mehr in der Scheherazade bin! Da muß natürlich gleich einer da sein, der mich aushält! Natürlich! Anders geht es ja nicht!«

»Ich habe nicht gesagt, daß dich jemand aushält.«

»Es ist dasselbe. Ich verstehe schon! Erst bringst du einen in diese Nachtklubbude hinein, dann läßt du mich allein, und wenn man dann einmal mit jemand redet oder jemand kümmert sich um einen, dann heißt es gleich, man wird ausgehalten! So ein Portier hat ja nichts anderes als eine schmutzige Phantasie! Daß man selber etwas ist und selber arbeiten und etwas werden kann, geht natürlich nicht in diese Trinkgeldseele hinein! Und du, du, ausgerechnet du kommst damit an! Daß du dich nicht schämst!«

Ravic drehte sie um, packte sie an den Armen, hob sie hoch und warf sie über das Fußende hinüber auf das Bett. »So!« sagte er. »Und nun hör auf mit diesem Unsinn!«

Sie war so überrascht, daß sie liegenblieb. »Willst du mich nicht auch schlagen?« fragte sie dann.

»Nein. Ich will nur, daß dieses Geschwätz aufhört.«

»Es sollte mich nicht wundern«, sagte sie leise und gepreßt. »Es sollte mich nicht wundern.«

Sie lag still da. Ihr Gesicht war leer und weiß, der Mund war blaß, und ihre Augen glänzten leblos wie Glas. Ihre Brust war halb offen, und ein Bein hing nackt über die Ecke des Bettes. »Ich rufe dich an«, sagte sie, »ahnungslos, ich freue mich, ich will mit dir zusammen sein — und dann kommt so etwas! So etwas!« wiederholte sie verächtlich. »Und ich dachte, du wärest anders!«

Ravic stand an der Tür des Schlafzimmers. Er sah den Raum mit seiner falschen Einrichtung, er sah Joan auf dem Bett liegen, und er sah, wie gut das alles zusammen paßte. Er ärgerte sich, daß er etwas gesagt hatte. Er hätte gehen sollen, ohne etwas zu sagen, und damit Schluß. Aber dann wäre sie zu ihm gekommen, und es wäre dasselbe gewesen.

»Du«, wiederholte sie. »Von dir hätte ich das nicht erwartet. Ich dachte, du wärest anders.«

Er antwortete nicht. Es war alles so billig, daß es fast unerträglich war. Er begriff plötzlich nicht mehr, daß er drei Tage lang geglaubt hatte, wenn sie nicht wiederkäme, könne er nie mehr schlafen. Was ging ihn das alles noch an? Er zog eine Zigarette hervor und zündete sie an. Sein Mund war trocken. Er hörte, daß das Grammophon immer noch spielte. Es wiederholte die Platte, die es am Anfang gespielt hatte: J’attendrai. — Er ging in das Nebenzimmer und stellte es ab.

Sie lag unbeweglich da, als er zurückkam. Es schien, als hätte sie sich nicht bewegt. Aber das Dressing-gown war weiter offen als vorher. »Joan«, sagte er, »je weniger wir darüber reden, desto besser...«

»Ich habe nicht angefangen.«

Er hätte ihr am liebsten eine Flasche Parfüm an den Kopf geworfen. »Das weiß ich«, sagte er. »Ich habe angefangen, und ich höre jetzt auf.«

Er drehte sich um und ging. Aber bevor er an der Tür des Studios war, stand sie vor ihm. Sie schlug die Tür zu und stellte sich davor, die Arme und Hände gegen das Holz gepreßt. »So!« sagte sie. »Du hörst auf! Du hörst auf und gehst. Das ist einfach, was? Aber ich habe noch etwas zu sagen! Ich habe noch viel zu sagen! Du, du selbst hast mich gesehen in der Cloche d’Or, du hast gesehen, mit wem ich war, und als ich nachts zu dir kam, da war alles egal, du schliefst mit mir, und morgens war es immer noch egal, du hattest noch nicht genug und schliefst wieder mit mir, und ich liebte dich, und du warst wunderbar und wolltest nichts wissen, und ich liebte dich dafür wie nie vorher, ich wußte, du mußtest so sein und nicht anders, ich habe geweint, als du schliefst, und dich geküßt und war glücklich und ging nach Hause und betete dich an — und jetzt! Jetzt kommst du und wirfst mir vor, was du damals, als du mit mir schlafen wolltest, so großartig mit einer Handbewegung beiseite geschoben und vergessen hattest, jetzt holst du es heraus und hältst es mir hin und stehst da, ein beleidigter Tugendwächter, und machst eine Szene wie ein eifersüchtiger Ehemann! Was willst du denn von mir? Was für ein Recht hast du dazu?«

»Keines«, sagte Ravic.

»So! Gut, daß du das wenigstens einsiehst. Wozu kommst du her und wirfst mir das heute ins Gesicht? Warum hast du es nicht getan, als ich nachts zu dir kam? Natürlich, da...«

»Joan...«, sagte Ravic.

Sie verstummte.

Ihr Atem ging rasch, und sie starrte ihn an.

»Joan«, sagte er. »In der Nacht, als du zu mir kamst, glaubte ich, du kämest zurück. Das war genug. Ich habe mich geirrt. Du bist nicht zurückgekommen.«

»Ich bin nicht zu dir zurückgekommen? Was denn sonst? War das ein Geist, der zu dir gekommen ist?«

»Du bist zu mir gekommen. Aber du bist nicht zurückgekommen.«

»Das ist mir zu hoch. Ich möchte wissen, was da für ein Unterschied ist?«

»Du weißt es. Ich wußte es damals nicht. Heute weiß ich es. Du lebst mit jemand anderem.«

»So, ich lebe mit jemand anderem. Da ist es wieder! Wenn ich ein paar Freunde habe, lebe ich mit jemand anderem! Soll ich vielleicht den ganzen Tag eingeschlossen bleiben und mit niemandem reden, nur damit es nicht heißt, ich lebe mit jemand anderem?«

»Joan«, sagte Ravic. »Sei nicht lächerlich.«

»Lächerlich? Wer ist lächerlich? Du bist lächerlich.«

»Meinetwegen. Soll ich dich mit Gewalt von der Tür wegtreiben?«

Sie rührte sich nicht. »Wenn ich mit jemand war, was geht es dich an? Du hast selbst gesagt, du willst es nicht wissen.«

»Gut. Ich wollte es auch nicht wissen. Ich glaubte, es wäre zu Ende. Was gewesen war, ging mich nichts an. Es war ein Irrtum. Ich hätte es besser wissen sollen. Möglich, daß ich mich selbst belügen wollte. Schwäche, aber das ändert nichts.«

»Wieso ändert das nichts? Wenn du einsiehst, daß du unrecht hast...«

»Hier geht es nicht um Recht und Unrecht. Du warst nicht nur mit jemand, du bist es noch. Und willst es auch weiter bleiben. Das wußte ich damals nicht.«

»Lüg nicht!« unterbrach sie ihn plötzlich ruhig. »Du hast es immer gewußt. Damals auch.«

Sie sah ihm gerade in die Augen. »Gut«, sagte er. »Meinetwegen habe ich es gewußt. Ich wollte es dann nicht wissen. Ich wußte es und glaubte es nicht. Du verstehst das nicht. Einer Frau passiert so was nicht. Das hat trotzdem nichts damit zu tun.«

Ihr Gesicht war plötzlich überflogen von einer wilden, ausweglosen Angst. »Ich kann doch jemand nicht ohne weiteres hinauswerfen, der mir nichts getan hat, nur weil du plötzlich wieder auftauchst! Verstehst du das nicht?«

»Ja«, sagte Ravic.

Sie stand da wie eine Katze, die in eine Ecke getrieben ist und springen will und der auf einmal der Boden weggezogen wird. »Ja?« sagte sie überrascht. Die Spannung wich aus ihren Augen. Sie ließ die Schultern fallen. »Weshalb quälst du mich dann, wenn du es verstehst?« sagte sie müde.

»Komm von der Tür weg.« Ravic setzte sich in einen der Sessel, die unbequemer waren, als sie aussahen. Joan zögerte. »Komm«, sagte er. »Ich laufe nicht mehr weg.«

Sie kam langsam herüber und ließ sich auf die Couch fallen. Sie wirkte erschöpft, aber Ravic sah, daß sie es nicht war. »Gib mir etwas zu trinken«, sagte sie.

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