Литмир - Электронная Библиотека
A
A

»Vielen Dank, General Jackson. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Schlacht.«

»Es war mir ein Vergnügen«, erwiderte der Soldat, lächelte Karla an und tippte gegen seine Mütze.

Während sie ihm nachschaute, als er in der Menge verschwand, sagte sie: »Er nimmt seine Rolle wirklich ernst, nicht wahr?«

Austin lächelte. »In Manassas fand die erste große Schlacht des Bürgerkriegs statt. Die Unionstruppen glaubten, sie würden die Rebellen überrennen. Sogar aus Washington kamen Leute mit Picknickkörben angereist, um sich die Schlacht anzusehen. Es war beinahe so wie heute. Die Konföderierten hatten an diesem Tag ein Mordsglück, aber am Ende behielt die Union die Oberhand.«

»Warum gehen wir nicht zum originalen Schlachtfeld?«, wollte Karla wissen.

»Sie haben vor einigen Jahren eine Nachinszenierung der Schlacht versucht. Aber das Spektakel lief derart aus dem Ruder, dass sie das Ganze heute auf privatem Land veranstalten.«

Karla schaute sich um. »Ich glaube, ich verstehe, was Sie mit ›aus dem Ruder laufen‹ meinen. Die Leute spielen ja völlig verrückt.«

Austin grinste.

»Wie der alte Stonewall vielleicht gesagt hätte: ›Nicht verzagen. Der Süden wird wieder aufstehen!‹«

Die sechs Männer, die mit ihren Motorrädern vor dem geparkten Van vorfuhren, sahen aus, als wären sie in einem einzigen Labor geklont worden. Alle trugen Spitzbärte, und ihre Geheimratsecken waren zu nadelscharfen Witwenspitzen ausrasiert.

Lucifer’s Legion war eine Gruppe von extremen Neo-Anarchisten, die die Auffassung vertraten, dass Gewalt zur Durchsetzung ihres Anliegens nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar notwendig war. Wie ihre wild dreinblickenden, Bomben legenden Vorgänger agierten sie am Rand der vorwiegend gewaltlosen Anarchistenbewegung, die nichts mit ihnen zu tun haben wollte. Sie zogen auf ihren Motorrädern von Stadt zu Stadt und hinterließen eine breite Spur aus Chaos und Gewalt.

Als Margrave zur neo-anarchistischen Bewegung stieß, versicherte er sich der Unterstützung der Legion. Er argumentierte, dass weil die Eliten die Polizei hatten, die befugt war, physische Gewalt auszuüben und, in entsprechenden Situationen, sogar zu töten, er und seine Helfer die gleichen Möglichkeiten haben sollten. Er finanzierte die Legion und benutzte sie als seine Prätorianer-Garde. Anfangs amüsierte es ihn, als sie sich Bärte wachsen ließen und ihre Haartracht veränderten, um sich ein ähnlich satanisches Aussehen zuzulegen, wie Margrave es von Natur aus vorweisen konnte. Nachdem mehrere anarchistische Demonstrationen, an denen sie beteiligt waren, einen unerwartet blutigen Verlauf genommen hatten, begriff er allmählich, dass sie zunehmend außer Kontrolle gerieten.

Er behielt sie weiter auf seiner Lohnliste, beschäftigte sie aber immer seltener. Er hatte bereitwillig Gants Vorschlag angenommen, die Sicherheitsfirma für die alltäglichen Operationen zu engagieren. Margrave war anfangs überrascht, als Gant ihm empfahl, die Legion einzusetzen, um Austin und Karla zu töten, aber er akzeptierte die Begründung, dass für den Fall, dass irgendetwas schiefgehen sollte, die Behörden zu dem Schluss kämen, es würde sich um eine Bande von Kriminellen handeln, die ihre eigenen Ziele verfolgten.

Margrave kannte die psychopathischen Tendenzen der Legion um einiges besser als Gant, weshalb er darauf bestanden hatte, dass Doyle sie im Auge behielt. Doyle hatte mittlerweile die Aufschrift METROPOLITAN TRANSIT AUTHORITY, die lediglich aus aufgeklebten Lettern bestand, vom Kleinbus entfernt. Als die Motorradfahrer neben dem Kleinbus stoppten, verließ Doyle den Wagen und empfing die seltsame Truppe, die gerade von den Maschinen abstieg, mit einem Grinsen, das seine Verachtung kaschierte.

Doyle war ein kaltblütiger Mörder, aber diese Typen mit ihrem glasigen Blick, dem starren Grinsen und den leisen Stimmen jagten ihm Angst ein. Er hoffte, dass Gant wusste, was er tat. Er hatte, wenn auch widerstrebend, von Zeit zu Zeit mit der Gruppe zusammengearbeitet. Seine eigenen tödlichen Gewaltausbrüche erfolgten stets kontrolliert und genau kalkuliert. Er tötete aus rein geschäftlichen Gründen: um einen Konkurrenten auszu­schalten; um einen Informanten zum Schweigen zu bringen. Das undisziplinierte Verhalten von Lucifer’s Legion beleidigte seinen Ordnungssinn.

Er deutete auf einen türkisfarbenen Jeep in einer angrenzenden Reihe. »Austin und die Frau sind unterwegs zum Schlachtfeld. Wir müssen sie finden.«

Die Angehörigen der Legion schienen ohne Worte miteinander kommunizieren zu können und bewegten sich unisono wie ein Vogelschwarm oder ein Schwarm Fische. Wie eine Einheit reagierend, verteilten sie sich auf dem Parkplatz. Sie entdeckten den Lieferwagen einer Firma namens Gone With The Wind Costumes. Ein Angestellter lud gerade einen Ständer mit Kostümen für die weniger traditionsbewussten Darsteller ab, die keine eigenen Uniformen besaßen. Er fand sich plötzlich von sechs grinsenden Klons umringt. Einer schlug ihn mit einem Teleskopschlagstock bewusstlos, während die anderen die Szene mit ihren Körpern vor unliebsamen Zuschauern abschirmten.

Sie schoben den ohnmächtigen Mann in den Lieferwagen und durchwühlten die Kleiderkollektion, bis sie fanden, was sie suchten. Sie trugen ihre Beute zu Doyles Van und zogen sich um. Kurz darauf war von den Bikern in Jeans und T-Shirts nichts mehr zu sehen. An ihre Stelle waren drei konföderierte und drei Soldaten der Union getreten. Sie schoben sich abgesägte Schrotflinten in den Hosenbund, dann schwangen sie sich wieder auf ihre Motorräder und begaben sich wie hungrige Wölfe auf die Suche nach ihrer Beute.

Doyle ließ den Van stehen und mischte sich unter den Fußgängerverkehr. Während er durch die Scharen von Zuschauern und kostümierten Teilnehmern schlenderte, suchte er die Menge ab wie ein Radar. Doyle hatte eine nahezu perfekte Sicht, ein großer Vorteil für einen Jäger, und seine scharfen Augen entdeckten Austins helles Haar. Nur wenige Sekunden später sah Doyle auch die hübsche blonde Frau an Austins Seite. Ihr Gesicht war das gleiche, das der Computer im Kleinbus als das von Karla Janos identifiziert hatte.

Er hakte das Sprechfunkgerät von seinem Gürtel los und schickte Lucifer’s Legion eine kurze Nachricht.

Austin hatte die Dampfwagen gefunden. Ungefähr zwanzig antike Stanleys waren am Rand des Feldes aufgereiht. Ein Mann in mittlerem Alter mit einem Klemmbrett in der Hand wanderte an der Wagenreihe entlang.

»Ich suche jemanden, der sich hier ein wenig auskennt«, sagte Austin und spielte ganz bewusst den Unbedarften.

Der Mann grinste. »Kommt ganz darauf an, worin ich mich auskennen soll.« Er streckte ihm eine Hand entgegen. »Doug Reilly. Ich bin der Präsident des Virginia Stanley Steamer Clubs. Was kann ich für Sie tun?«

»Ich suche einen Wagenbesitzer namens Dirk Pitt.«

»Oh sicher, Pitts Wagen ist die Kopie des 1906 Vanderbilt Cup Racer da drüben.« Reilly deutete auf einen offenen roten Wagen, dessen lange Motorhaube geformt war wie ein Sarg. »Es gab davon nur zwei Originale, und soweit wir wissen, existiert keins mehr. Die Motoren kommen allerdings von Stanley. In den Bergen absolut unschlagbar.«

»Und welcher ist Ihrer?«

Reilly führte sie zu einer glänzenden schwarzen Limousine Baujahr 1926 und zählte wie ein stolzer Vater die Besonderheiten des Wagens auf. »Kennen Sie sich bei diesen alten Kisten ein wenig aus?«

»Ich bin ein einziges Mal bei einer Dampfwagen-Rallye mitgefahren. Dabei habe ich mehr Zeit damit verbracht, auf die Anzeigeinstrumente zu achten als auf die Straße.«

»Das sagt mir in etwa alles«, meinte Reilly kichernd. »Der Stanley Steamer war der schnellste und stärkste Wagen seiner Zeit. Ein Stanley mit ›Kanu‹-Karosserie brach 1906 mit 220 Kilometern in der Stunde den Geschwindigkeitsweltrekord. Sie liefern schon volle Kraft, wenn man den Gashebel nur anschaut. Mit ihrem Dieselantrieb konnten sie innerhalb kürzester Zeit vom Stand auf hundert Stundenkilometer beschleunigen, während die Fahrer der meisten benzingetriebenen Fahrzeuge noch in den Gängen herumrührten.«

89
{"b":"197139","o":1}