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Zavala kam von seinem Wachtposten herüber. »Showtime, Leute. Unsere Freunde kommen die Straße herunter.«

Austin schaute sich schnell auf dem Platz um. »Ich habe eine völlig verrückte Idee«, sagte er. Er skizzierte in knappen Worten seinen Plan.

»Das könnte funktionieren«, sagte Schroeder mit erregter Stimme. »Ja, es könnte klappen.«

»Das sollte es auch lieber«, sagte Austin.

»Gibt es denn keine andere Möglichkeit?«, fragte Karla. »Es sind so schöne Kreaturen.«

»Ich fürchte nein. Aber wenn wir alles richtig machen, wird ihnen nicht passieren.«

Karla seufzte, doch sie wusste, dass sie kaum eine andere Wahl hatten. Auf Austins Anweisung hin verteilten Karla und die anderen sich am Rand des Platzes und ließen die der Straße zugewandte Seite offen. Dann warteten sie.

Die Mammuts hatten die Köpfe gehoben, als sie sahen, wie die Menschen sich bewegten, und wurden nun noch nervöser beim Klang der rauen Stimmen Grishas und seiner Männer.

Die Elfenbeinjäger gaben sich keine Mühe, leise zu sein. Entweder hofften sie, auf diese Art und Weise ihrer Beute Angst zu machen, oder sie waren ganz einfach dumm. Aber was immer der Grund war, ihr Eintreffen ließ die Mammuts deutlich unruhiger werden.

Die Herde machte Anstalten, den Platz zu verlassen, blieb dann jedoch abrupt stehen, als sie die Menschen am Rand des Platzes bemerkte. Die Tiere in der ersten Reihe machten kehrt und kollidierten mit den anderen in der Herde. Das Schnauben und Pfeifen wurde lauter.

An der Straßenmündung entstand eine Bewegung. Grisha schob den Kopf um die Ecke. Der Anblick und der Geruch eines weiteren unangenehmen zweibeinigen Wesens erschreckte die Tiere in seiner nächsten Nähe. In ihrem Bestreben zu flüchten, rempelten sie die anderen Mammuts an.

Ermutigt durch den Mangel an Gegenwehr trat Grisha aus seinem Versteck, gefolgt von den anderen Gaunern. Sie blieben am Rand des Platzes stehen, gebannt vom Anblick der Tiere, die sie vorher nur aus großer Entfernung hatten sehen können.

Die Herde erreichte einen gefährlichen Grad von Unruhe. In diesem Moment setzte Austin die Kettenreaktion in Gang. Er schoss in die Luft. Zavala folgte seinem Beispiel. Schroeder und Karla stimmten lautes Geschrei an und klatschten in die Hände. In einem winzigen Moment wurde die Herde von einer Gruppe unsicherer, unruhiger harmloser Tiere in eine ausgewachsene Stampede verwandelt. Ängstlich trompetend drängte sich die Masse schwerer Leiber und spitzer Stoßzähne in die einzige mögliche Fluchtrichtung, nämlich die enge Straße, die sie aus der Höhle hinaus und in Sicherheit führen würde.

Unglücklicherweise standen Grisha und seine Männer zwischen der rasenden Herde Mammuts und deren ersehnter Freiheit.

Die Russen hoben ihre Maschinenpistolen, um auf die rasenden Tiere zu feuern, doch die Herde hatte sie fast erreicht. Sie machten kehrt und rannten los. Doch sie kamen nur wenige Schritte weit, ehe sie niedergewalzt und von Tonnen wütenden Mammutfleischs zertrampelt wurden. Grisha war an den anderen vorbeigerannt, wobei seine Augen hektisch nach einer Fluchtmöglichkeit suchten, doch er rutschte aus, stolperte und geriet unter die Pelzlawine.

Austin und die anderen gingen kein Risiko ein, dass die Herde vielleicht doch noch umkehrte. Sie machten weiterhin so viel Lärm, wie sie konnten.

Nach ein paar Sekunden war alles vorbei.

Der Platz war leer. Das Donnern der galoppierenden Herde verhallte in der Ferne. Austin und Zavala gingen wachsam die Straße entlang. Zavala betrachtete die blutigen Kleiderhaufen, die früher mal Menschen gewesen waren. Sie fanden eine Taschenlampe, die die wilde Flucht der Mammutherde heil überstanden hatte. Austin rief Schroeder und Karla zu, dass sie sich ungefährdet aus ihrer Deckung herauswagen könnten.

»Sie sehen nicht mehr aus wie Menschen«, stellte Karla fest, während sie an den zerfleischten Körpern vorbeigingen.

Austin erinnerte sich an die toten Wissenschaftler, die er im Canyon gesehen hatte. »Wer hat denn behauptet, dass jemals etwas Menschliches an ihnen war?«

Schroeder lachte verhalten.

»Ich habe vor langer Zeit gelernt, dass alles, wenn es richtig eingesetzt wird, als Waffe benutzt werden kann«, sagte er. »Aber in dem Lehrbuch stand nichts über kleine, flauschige Elefanten.«

Austin fragte sich, auf welches Buch Schroeder sich bezog und welche Schule er besucht hatte. Er verwarf diesen Gedanken jedoch. Noch hatten sie nicht alle Schwierigkeiten überwunden. Sie setzten ihren Weg durch die teilweise zerstörte Stadt und die Schutthalden fort. Sonnenstrahlen, die durch vereinzelte Felsspalten drangen, verliehen ihnen neue Energie. Sie suchten den Paraglider und mussten feststellen, dass Grisha und seine Männer den Motor zerstört und das Segel zerschnitten hatten.

Mithilfe der Aluminiumrohre bastelten sie für Schroeder eine behelfsmäßige Beinschiene. Sie erklommen die niedrige Felsrampe am Ende des Abhangs und folgten dem Weg zum Rand der Caldera. Die Serpentinen milderten zwar die Steilheit des Weges, machten ihn dafür jedoch um einiges länger. Gelegentlich hielten sie an, damit Schroeder sich ausruhen konnte, aber er begnügte sich jedes Mal mit nur wenigen Minuten Rast, ehe er die anderen zum Weitergehen drängte.

Stunden später standen sie am Rand und blickten hinunter auf die andere Seite des Vulkans. Nebel verhüllte den größten Teil der Insel. Nach einem letzten staunenden Blick in die Caldera machten sie sich an den Abstieg über die Außenseite des Vulkans. Das Gelände war unwegsam, und der Weg abwärts entpuppte sich als mindestens genauso schwierig wie der Aufstieg. Der Weg war nicht mehr als ein schmaler Bergpfad, der mit Steinen übersät war, die das Gehen selbst unter normalen Bedingungen schon zu einer Qual gemacht hätten.

Nachdem sie etwa zwei Drittel des Abstiegs hinter sich hatten, stellten sie fest, dass sie nicht alleine waren. Gestalten, klein wie Ameisen, kamen den Weg herauf. Austins Gruppe setzte den Marsch fort. Sie waren entdeckt worden, daher hatte es keinen Sinn, sich zu verstecken, aber sie hielten ihre Waffen bereit. Austin zählte sechs Leute in der unbekannten Gruppe. Als sie sich fast bis auf Rufweite genähert hatte, winkte der Mann, der die Gruppe anführte. Wenige Sekunden später waren sie nahe genug, so dass Austin Petrows grinsendes Gesicht erkennen konnte.

Der Russe wurde von Mitgliedern seiner Spezialtruppe begleitet, darunter auch Veronika und ihr Mann. Petrow überwand die letzten Meter des Weges im Laufschritt.

Er strahlte. »Hallo, Austin«, keuchte er. »Wie ich sehe, sind Sie und Joe auch noch hervorragende Bergsteiger. Sie verblüffen mich immer wieder aufs Neue.« Er wandte sich an Karla. »Und das muss Mademoiselle Janos sein. Es ist mir eine besondere Freude, Sie kennen zu lernen. Diesen Gentleman kenne ich noch nicht«, sagte er dann zu Schroeder.

»Ich bin nur ein alter Mann, der eigentlich zu Hause in seinem Schaukelstuhl sitzen sollte«, erwiderte Schroeder mit einem müden Lächeln.

»Wie haben Sie uns gefunden?«, fragte Austin.

»Wir haben mit dem Kapitän des Eisbrechers gesprochen. Er sagte, Sie seien mit irgendeinem Fluggerät gestartet, um den Vulkan zu untersuchen.«

»Wir hatten einen Paraglider.«

»Ich erinnere mich. Die beiden großen Koffer, die Sie bei sich hatten.«

Austin nickte. »Sie haben den ganzen Spaß versäumt.«

»Im Gegenteil«, widersprach Petrow fröhlich. »Wir hatten eine Menge Spaß. Wir trafen auf eine Gruppe bewaffneter Männer in einem Boot. Sie bereiteten uns einen heißen Empfang, aber unsere Erwiderung fiel ein wenig heißer aus. Der Überlebende meinte, sie seien losgeschickt worden, um irgendwelchen Männern zu helfen, die bereits hier seien.« Er blickte über Austins Schulter, als erwartete er, jemanden zu sehen, der ihm folgte.

»Diese Männer sind nicht mehr bei uns«, sagte Schroeder.

»Richtig«, bestätigte Austin. »Sie wurden von einer Herde Wollhaarmammuts zertrampelt.«

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