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Austin kniete sich neben ihn, säuberte die Wunden und trug eine antiseptische Salbe auf das rohe Fleisch auf. Seine Behandlung musste ziemlich schmerzhaft sein, doch der Mann zuckte kein einziges Mal. Seine eisblauen Augen verfolgten jede Bewegung Austins.

Austin hatte seine Erste-Hilfe-Aktion kaum richtig begonnen, als der Mann sich rührte. »Das reicht. Helfen Sie mir auf.« Mit Austins Unterstützung kämpfte Schroeder sich auf die Füße. Er war hochgewachsen und um einiges größer als Austin mit seinen eins fünfundachtzig.

Karla legte einen Arm um die Taille ihres Onkels. »Geht es dir gut?«

»Ich bin ein zähes altes Krokodil«, sagte er. »Du bist es, um die ich mir Sorgen mache.«

»Ich bin okay, dank dieser beiden Männer.«

Austin bemerkte das enge Band, das offensichtlich zwischen dem alten Mann und der jungen Frau bestand. Er stellte sich und Zavala vor.

»Mein Name ist Schroeder«, revanchierte der Mann sich. »Vielen Dank für Ihre Hilfe. Wie haben Sie uns gefunden?«

»Wir haben mit einer Frau namens Maria Arbatov gesprochen.«

»Maria. Wie geht es ihr?«, wollte Karla wissen.

»Sie wird wieder auf die Beine kommen, aber ihr Mann und zwei andere Männer wurden ermordet. Ich nehme an, es waren Ihre wissenschaftlichen Kollegen. Da war noch ein anderer Mann, den wir nicht identifizieren konnten.«

Karla blickte zu Schroeder, der das Rätsel aufklärte. »Er hat Karla angegriffen. Ich musste ihn aufhalten.« Er blickte hinüber zu dem Gesteinsfeld. »Dies ist ein gefährlicher Ort. Sie kommen sicher zurück. Außerdem besitzen sie Maschinenpistolen, und wir sind hier draußen völlig ungeschützt.«

»Dies hier ist Ihr Terrain«, sagte Austin. »Wo können wir Deckung finden?«

Schroeder deutete auf den Fuß des Abhangs, der sich vom Rand der Caldera herabschwang.

»Da unten in der Stadt.«

Austin fragte sich, ob der Mann aufgrund seiner Verletzungen plötzlich ins Delirium gefallen war.

»Sagten Sie ›Stadt‹?« Er sah lediglich die niedrigen Felsterrassen am Fuß des Berghangs.

»Das ist richtig«, bestätigte Karla. »Oh nein, die Zwerge sind verschwunden. Die Schüsse müssen sie vertrieben haben.«

Jetzt war Zavala an der Reihe, sich zu fragen, ob er richtig gehört hatte. »Zwerge?«

»Ja«, bekräftigte Karla. »Kleine Wollhaarmammuts.«

Austin und Zavala wechselten vielsagende Blicke.

»Genug geredet. Wir müssen aufbrechen«, sagte Schroeder.

Sich an Karlas Arm festhaltend, humpelte er zum Rand der Schüssel. Austin und Zavala bildeten die Nachhut. Schroeders Drängen, endlich loszugehen, erwies sich als guter Rat. Die Gruppe hatte den Rand der Grünfläche fast erreicht, als Grisha und seine Männer plötzlich aus ihrer Deckung hinter den Felsen hervorbrachen und zu schießen begannen.

Erdfontänen wurden hinter der Gruppe im Gras hochgeschleudert.

Es würde nur wenige Sekunden dauern, bis Grisha und seine Männer sich auf die richtige Entfernung eingeschossen hätten. Austin trieb die anderen zu größerer Eile an. Er machte kehrt, warf sich auf den Boden und zielte mit seinem Bowen-Revolver auf den nächsten Russen.

Er feuerte zwei Schüsse ab, die jedoch zu kurz waren. Grisha und seine Männer gingen kein Risiko ein. Als Austin feuerte, hörten sie sofort auf zu schießen und gingen ebenfalls bäuchlings auf Tauchstation.

Austin wandte sich um und sah, dass die anderen die Felsrampe beinahe erreicht hatten. Er sprang hoch und rannte hinter ihnen her. Grishas Männer begannen augenblicklich, wieder zu schießen. Die Kugeln schlugen dicht hinter seinen Fersen ein, während er sich zusammen mit den anderen in eine Öffnung in der Felswand warf.

Karla schüttelte ihre Taschenlampe, und die Batterien hatten sich entweder erholt oder noch ein wenig Strom, denn die Birne leuchtete matt auf. Sie suchten sich ihren Weg zwischen dem Geröll und den Dunghaufen. Als die Taschenlampe schließlich endgültig streikte, waren sie in den Bereich vorgedrungen, wo zwischen dem Schutt vereinzelte Gebäude stehen geblieben waren, und sie konnten von dort das Leuchten der unterirdischen Stadt erkennen. Diesem Licht strebten sie entgegen wie Motten einer Flamme und standen schon bald am Rand der unterirdischen Metropole.

Austin starrte die schimmernden Straßen und Gebäude entgeistert an.

»Was ist das denn, etwa das Land Oz?«, fragte er.

Karla lachte. »Das ist eine unterirdische Stadt, die aus irgendeinem Licht aussendenden Mineral erbaut wurde«, erklärte sie. »Wir wissen nicht, wer sie erbaut hat, aber dies sind nur die Außenbezirke. Sie ist sehr weitläufig.«

Schroeder unterbrach Karlas Redefluss und sagte, sie könnten sich später noch ausgiebig unterhalten. Dann führte er sie durch das Straßenlabyrinth, bis sie wieder auf dem Platz standen, wo sie zuerst auf die Mammuts gestoßen waren.

Die Zwergmammuts waren auf den Platz zurückgekehrt und drängten sich um die Pyramide. Sie schienen unruhig zu sein und schnaubten gelegentlich, während sie umhertrotteten.

Karla bemerkte, wie Austin nach seiner Pistole griff. Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Es ist schon okay. Sie tun Ihnen nichts. Offenbar wurden sie durch den Lärm aufgeschreckt.«

Austin hatte während seiner Missionen, die ihn um die ganze Welt und in die Tiefen der Ozeane geführt hatten, schon viel Seltsames gesehen. Aber nichts war mit diesen Lebewesen zu vergleichen, die auf diesem unterirdischen Platz herumstanden. Sie glichen von den Schwanzspitzen bis hin zu den gekrümmten Stoßzähnen jenen urzeitlichen Riesen, die er schon als Kind in Bilderbüchern bewundert hatte.

Zavala war ähnlich beeindruckt. »Ich dachte, diese Wesen seien längst ausgestorben.«

»Sie sind ausgestorben«, sagte Karla. »Das heißt, sie waren es. Diese Tiere sind die Nachkommen der großen Mammuts, die einst auf dieser Insel gelebt haben.«

»Karla«, brachte Schroeder sich in Erinnerung. »Wir sollten lieber beraten, wie wir uns vor diesen Mördern in Sicherheit bringen können.«

»Er hat Recht«, pflichtete Austin ihm bei. »Gibt es von hier aus noch einen anderen Weg nach draußen?«

»Ja, aber er ist lang und gefährlich«, sagte Karla.

»Ich schaffe ihn nicht, aber es gibt keinen Grund, weshalb ihr es nicht versuchen solltet«, sagte Schroeder. »Wenn mir jemand eine Waffe leiht, dann kann ich sie hier aufhalten, während du mit unseren neuen Freunden durch die Höhle flüchtest.«

Austin grinste. »Netter Versuch, Onkel Karl. Aber Märtyrer sind seit dem Mittelalter völlig aus der Mode. Wir bleiben zusammen.«

»Ich fange gerade an, diesen Ort zu mögen«, sagte Joe. »Warm. Romantische Beleuchtung. Ein einzigartiger, hm, Geruch in der Luft.«

Schroeder lächelte. Er hatte keine Ahnung, wer diese Männer waren, aber er war für Karla froh, dass er sie an seiner Seite hatte. »Wenn Sie unbedingt irgendwelchen Unsinn vorhaben, sollten wir lieber unsere Vorbereitungen treffen.«

Auf Austins Vorschlag hin bezog Zavala an der Stelle, wo die Straße in den Platz mündete, Posten, um Wache zu halten.

Austin wandte sich an Schroeder. »Irgendwelche Ideen?«

»Es hat keinen Sinn wegzulaufen. Wir können entsprechende Positionen einnehmen, so dass wir sie in einem Kreuzfeuer erwischen.«

Austin war froh, dass Schroeder sich für die Offensive entschieden hatte. Die Stadt lieferte ein schützendes Netz mit Dutzenden von Verstecken, doch er wusste, ebenso wie Schroeder, dass das ständige In-Bewegung-bleiben am Ende seinen Tribut fordern würde.

»Ich weiß nicht, wie heftig ich schießen soll«, sagte Austin. »Wir haben zwar Reservemunition mitgebracht, aber wir haben nicht mit einer Wiederholung der Schlacht am Little Bighorn gerechnet.«

»Sie brauchen nur zu warten, bis uns die Munition ausgeht, und dann können sie uns nacheinander abknallen. Zu schade, dass ich meine Handgranate schon verbraucht habe.«

Austin warf Schroeder einen skeptischen Seitenblick zu. Der alte Mann sah nicht aus wie jemand, der mit einer Granate in der Hosentasche herumläuft. Austin wurde wieder mal daran erinnert, dass die äußere Erscheinung eines Menschen irreführend sein konnte. Schroeder war alt genug für Medicare, aber er redete, als gehörte er zu einem Sondereinsatzkommando.

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