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Er duschte und rasierte sich und entschied sich für ein T-Shirt und Shorts. Anschließend bereitete er sich eine Portion Rührei mit Virginiaschinken zu, die er genussvoll auf der Veranda verzehrte. Er war soeben damit fertig geworden, das schmutzige Geschirr wegzuräumen, als Zavala an die Tür klopfte. Kurz darauf erschienen die Trouts mit Professor Adler. Al Hibbet kam praktisch gleichzeitig mit ihnen an. Hibbet war ein hochaufgeschossener Mann mit vollem weißem Haar. Er war ungemein schüchtern, und seine Haut war weiß wie Marmor, beides eine Folge seines Wissenschaftlerdaseins, das er nahezu ausschließlich in einem Labor, weit weg von jeglichem menschlichem Kontakt und frischer Luft und Sonnenschein, verbrachte.

Austin reichte jedem einen Becher Kaffee und geleitete sie dann zu einem großen runden Teakholztisch auf der Veranda. Austin hätte das Treffen in seinem Büro in dem mit grün getöntem Glas verkleideten Turm in Arlington abhalten können, der das Zentrum der NUMA-Operationen darstellte. Aber er war nicht bereit, Fragen zu beantworten oder seine Gedanken mit irgendjemand anderem außerhalb des Kreises seiner engsten Vertrauten zu teilen, bevor er sich nicht erschöpfende Kenntnisse angeeignet hatte. Er ließ sich auf einem Stuhl nieder und blickte sehnsüchtig auf den in der Sonne gleißenden Fluss, auf dem er gewöhnlich den Morgen beim Training in seinem Ruderboot zu verbringen pflegte. Dann ließ er den Blick am Tisch in die Runde schweifen und bedankte sich bei jedem für sein Erscheinen. Er kam sich vor wie Van Helsing, der einen Kriegsrat abhält, um den Kampf gegen Dracula aufzunehmen, und hätte beinahe gefragt, ob jeder genügend Knoblauch mitgebracht habe.

Stattdessen kam er gleich zum Thema. »Etwas Seltsames geht im Atlantik und im Pazifik vor sich«, begann er. »Die See wird aufgewühlt und durchgerührt wie Eier in einer Schüssel. Diese Störungen haben zum Untergang von einem, vermutlich sogar zwei Schiffen geführt. Ein weiteres Schiff wäre beinahe ebenfalls gesunken. Außerdem haben sie einigen der hier Versammelten, mich eingeschlossen, eine heillose Angst eingejagt.« Er wandte sich an Adler. »Professor, seien Sie doch so nett und beschreiben Sie das Phänomen, dessen wir Zeuge wurden, und nennen Sie uns einige Ihrer Theorien dazu.«

»Sehr gerne«, sagte Adler. Er lieferte einen kurzen Abriss über das Verschwinden der »unsinkbaren« Southern Belle und die erfolgreiche Suche nach ihrem Wrack. Er beschrieb die von Satelliten gelieferten Beweise für die Existenz von Monsterwellen in der nächsten Umgebung des Schiffs. Zuletzt, und mit deutlich weniger Begeisterung, kam er zu seiner Theorie, dass die Störungen nicht natürlichen Ursprungs sein könnten. Während er seine Überlegungen skizzierte, blickte er nervös von Gesicht zu Gesicht, als suchte er dort nach einem Anflug von Zweifel. Zu seiner Erleichterung fand er nur Ernsthaftigkeit und waches Interesse.

»Normalerweise könnten wir diese seltsamen Meeresaktivitäten König Neptun zuschreiben, den offenbar der Hafer sticht, wären da nicht zwei Dinge«, sagte er. »Satellitenbilder lassen vermuten, dass auch andere Regionen der Ozeane von ähnlichen Störungen heimgesucht wurden und dass bei diesen Störungen eine ungewöhnliche Symmetrie zu beobachten ist.« Indem er sich Austins Laptop bediente, zeigte er die Satellitenbilder von den Monsterwellenkonzentrationen.

Austin bat die Trouts, ihren Abstieg in den Mahlstrom zu schildern. Wieder herrschte aufmerksame Stille, während Gamay und Paul abwechselnd berichteten, wie sie in den Strudel gesogen und in allerletzter Minute gerettet wurden.

»Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie Blitze beobachtet haben, als dieser Strudel sich bildete?«, fragte Hibbet.

Gamay und Paul nickten.

Hibbets Antwort war außerordentlich erschöpfend. Er sagte nur: »Aha.«

Zavala nahm den Faden auf und berichtete vom Besuch des wieder aufgetauchten Schiffs. Hibbet interessierte sich besonders lebhaft für seine Beschreibung des Kraftwerks und der beschädigten elektrischen Aufbauten an Deck.

»Ich wünschte, ich hätte dabei sein können, um es mit eigenen Augen zu sehen«, sagte er.

»Das kann ich Ihnen nicht bieten, aber etwas nahezu ebenso Gutes«, meinte Zavala. Kurz darauf erschienen die Digitalfotos, die er auf dem geheimnisvollen Schiff geschossen hatte, auf dem Computerbildschirm.

Austin wollte von Hibbet wissen, welche Erklärung ihm für die Bilder einfiel. Der NUMA-Gelehrte betrachtete sie stirnrunzelnd und bat darum, sämtliche Fotos noch einmal durchlaufen zu lassen.

»Es ist ziemlich offensichtlich, dass ein großer Teil des elektrischen Stroms in einen zentralen Punkt eingespeist wird.« Er deutete auf den kegelförmigen Aufbau. »Im augenblicklichen Zustand der Apparatur ist schwer zu entscheiden, welche Funktion er erfüllt.«

»Joe hat ihn mit einer riesigen Zündkerze verglichen«, sagte Austin.

Hibbet kratzte sich am Kopf. »Wahrscheinlich nicht. Eher sieht es aus wie eine riesige Tesla-Spule. Viele der Schaltkreise, die das Ding seine spezielle Funktion erfüllen lassen, sind nicht zu sehen. Wo ist das Schiff jetzt?«

»Es ist wieder versunken«, sagte Zavala.

Hibbet reagierte völlig anders, als Austin erwartet hatte. Seine grauen Augen funkelten erregt, und er rieb sich die Hände. »Das ist ja viel besser, als jeden Tag an irgendwelchen Antennen herumzufummeln.« Er klickte sich mit der Maus noch einmal durch sämtliche Satellitenbilder, dann warf er einen fragenden Blick in die Runde. »Ist jemand von Ihnen mit den Arbeiten Nikola Teslas vertraut?«

»Ich bin wohl der Einzige in dieser Runde, der regelmäßig die Popular Science liest«, stellte Zavala nach einer kurzen Pause fest. »Soweit ich weiß, hat Tesla den Wechselstrom erfunden.«

Hibbet nickte. »Er war ein aus Serbien stammender amerikanischer Ingenieur. Bei seinen Forschungen entdeckte er, dass man ein Magnetfeld in Rotation versetzen kann, wenn man zwei Spulen rechtwinklig zueinander anordnet und einen zweiphasigen Gleichstrom hindurchschickt.«

»Könnten Sie das vielleicht in eine verständliche Sprache übersetzen?«, fragte Adler höflich.

Hibbet lachte. »Ich liefere auch gleich den historischen Zusammenhang mit. Tesla kam in die Vereinigten Staaten und arbeitete für Thomas Edison. Sie wurden schließlich zu Rivalen. Edison machte sich für den Gleichstrom stark, und es entbrannte ein heftiger Kampf. Tesla schoss den Vogel ab, indem er den Auftrag für die Entwicklung der Wechselstromgeneratoren bei den Niagarafällen erhielt. Das Patent seines Induktionsmotors verkaufte er an George Westinghouse, dessen System zur Stromversorgung die Grundlage dessen wurde, was wir heute benutzen. Edison musste sich mit der Glühbirne und dem Phonographen zufriedengeben.«

»Soweit ich mich erinnere, meldete Tesla auch noch eine ganze Reihe ziemlich verrückter Patente an«, sagte Zavala.

»Das stimmt. Er war ein exzentrisches Genie. Zum Beispiel meldete er ein Patent für ein unbemanntes elektrisch betriebenes Flugzeug an, das eine Geschwindigkeit von zweiund­dreißigtausend Kilometern in der Stunde erreichen sollte und als Waffe eingesetzt werden konnte. Er trat mit einer Entwicklung, die er ›Teleforce‹ nannte, an die Öffentlichkeit. Dabei handelte es sich um einen Todesstrahl, der Flugzeuge auf eine Entfernung von bis zu vierhundertfünfzig Kilometern zerschmelzen konnte. Er beschäftigte sich außerdem intensiv mit der drahtlosen Übertragung von elektrischer Energie. Er war fasziniert von der Möglichkeit, elektrische Energie zu bündeln und dadurch ihre Wirkung zu vervielfachen. Er behauptete sogar, von seinem Labor aus ein Erdbeben ausgelöst zu haben.«

»Mit seinen ballistischen Raketen und Laserstrahlen war Tesla vermutlich seiner Zeit um einiges voraus«, sagte Austin.

»Seine Konzepte waren durchaus vernünftig. Aber die Ausführung wurde den Erwartungen niemals gerecht. In den vergangenen Jahren ist er so etwas wie eine Kultfigur geworden. Bestimmte Kreise, die überall irgendeine Verschwörung wittern, gehen davon aus, dass verschiedene Regierungen, unsere eigene eingeschlossen, mit den destruktiveren Aspekten von Teslas Entwicklungen experimentiert haben.«

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