Литмир - Электронная Библиотека
A
A

»Was wollen Sie?«, fragte Schroeder. Sein Tonfall war der eines weltverdrossenen Flüchtlings, der gestellt worden war.

»Ich will, dass du den Mund hältst und nur noch das tust, was ich verlange. Man hat mir gesagt, du seist ein ehemaliger Soldat, daher dürftest du wissen, wie man Befehlen gehorcht.«

»Schöner Soldat«, sagte der andere Mann mit unverhohlenem Spott. »Alles, was ich von hier aus sehe, ist ein alter Sack, der seine besten Tage hinter sich hat und sich in die Hose macht.«

Sie lachten beide.

Gut.

Sie wussten, dass er beim Militär gewesen war, aber er vermutete, dass sie keine Ahnung hatten, dass er eine der berüchtigtsten Killerschulen der Welt absolviert hatte. Er hatte, was seine Kampftechniken und seine Schießkünste betraf, sein Training stets beibehalten, und obgleich er bereits auf die achtzig zuging, hatten ständige ausgiebige Fitnessübungen und anstrengende Outdooraktivitäten einen Körper erhalten, um den viele, die nur halb so alt waren wie er, ihn beneidet hätten.

Er blieb ruhig und vertraute auf seine Überlegenheit. Sie befanden sich auf seinem Terrain, wo er jeden Baum und jede Bodenwelle kannte.

»Meine Zeit als Soldat ist eine halbe Ewigkeit her. Jetzt bin ich nur noch ein alter Mann.« Er senkte den Kopf und hob die Schultern, um eine Haltung der Unterwürfigkeit einzunehmen. Gleichzeitig zauberte er ein furchtsames Zittern in seine tiefe Stimme.

»Wir wissen viel mehr von dir, als du ahnst«, sagte der Mann mit der Pistole. »Wir wissen, was du isst, wo du schläfst. Wir wissen, wo du und dein Köter wohnen.«

Sie waren in seinem Haus gewesen.

»Wo dein Köter gewohnt hat«, korrigierte der andere Mann.

Schroeder starrte den Mann an. »Sie haben meinen Hund getötet? Warum?«

»Deine Töle wollte nicht aufhören zu kläffen. Da haben wir ihr eine Pille verpasst, damit sie still ist.«

Der freundliche kleine Dackel, den er Schatsky getauft hatte, war vermutlich nur glücklich gewesen, die Eindringlinge zu sehen und nicht mehr alleine zu sein. Daher sein Bellen.

Kälte schien in seinen Körper zu strömen. Im Geiste hörte er seinen Lehrer, Professor Heinz. Der engelhafte Psychopath mit den freundlichen blauen Augen war für seine maßgebliche Beteiligung am Aufbau der Todesmaschinerie der Nazis mit einer lukrativen Dozentur an der Wevelsburg, dem geistigen Zentrum des Nationalsozialismus, belohnt worden.

In kundigen Händen kann fast jeder gewöhnliche Gegenstand zu einer tödlichen Waffe werden, sagte der Professor mit seiner sanften Stimme. Mit dem harten Ende einer straff zusam­mengerollten Zeitung kann man die Nase eines Menschen brechen und die Knochensplitter in sein Gehirn treiben. Ein Füllfederhalter kann in ein Auge gestochen werden und den Tod herbeiführen. Das Metallarmband dieser Uhr, um die Fingerknöchel gewickelt, kann die Knochenstruktur eines Gesichts zerstören. Dieser Gürtel ist eine wunderschöne Garotte, wenn man keine Zeit mehr hat, die Schnürsenkel seiner Schuhe herauszuziehen …

Schroeder umfasste die Griffe seiner Skistöcke fester.

»Ich werde tun, was Sie verlangen«, sagte er. »Vielleicht können wir uns irgendwie einigen.«

»Bestimmt«, erwiderte der Mann mit dem Anflug eines Lächelns. »Zuerst fährst du schön langsam auf deinen Skiern hinunter ins Tal. Folge meinem Kollegen, dem Hundefreund. Er hat ebenfalls eine Schusswaffe. Ich bin direkt hinter dir. Am Ende der Abfahrt schnallst du die Ski ab, stellst sie in den Skiständer und gehst zum linken Parkplatz.«

»Darf ich erfahren, wo Sie mich hinbringen?«

»Wir bringen dich nirgendwohin. Wir liefern dich ab.«

»Betrachte uns einfach nur als Paketservice wie FedEx oder UPS«, sagte der andere Mann.

Sein Gefährte meinte: »Es ist nichts Persönliches. Alles rein geschäftlich. Los jetzt. Und immer schön langsam.« Er wedelte mit der Pistole, dann verstaute er sie wieder in seinem Overall, damit er ungehindert Ski laufen konnte.

Mit dem unteren Mann als Vorhut und Schroeder in der Mitte bewegten sie sich mit mäßigem Tempo die Piste hinunter. Schroeder schätzte den vorderen Mann als aggressiven Skiläufer ein, dessen Körperkraft teilweise seinen Mangel an Technik wettmachte. Er warf einen Blick nach hinten auf den anderen Mann und schloss aus seinem wenig ausgefeilten Stil, dass er der schlechtere Skifahrer war. Und dennoch, sie waren jung und stark, und sie waren bewaffnet.

Ein Snowboarder flog vorüber und verschwand die Piste hinunter.

Darauf vertrauend, dass seine Begleiter reflexartig zu dem beweglichen Objekt hinüberschauen würden, wurde Schroeder aktiv. Er fuhr einen weiten Bogen, aber anstatt den Hang zu queren, drehte er sich um hundertachtzig Grad, so dass er bergauf blickte.

Sein Begleiter bemerkte nichts von dem Manöver, bis es zu spät war. Er versuchte anzuhalten. Schroeder stemmte seinen Talski in den Schnee. Er packte seinen rechten Skistock mit beiden Händen, ließ den anderen Stock mit der Schlaufe an seinem linken Handgelenk baumeln und rammte die Stahlspitze oberhalb des Rollkragens in den weichen Teil des Halses seines Gegners.

Der Mann war immer noch in Bewegung, als die Spitze ein Loch dicht unterhalb des Adamsapfels in den Hals stanzte. Der Mann gab ein feuchtes Gurgeln von sich, seine Beine rutschten unter ihm weg, und er krachte rücklings in den Schnee, wo er sich in entsetzlichen Qualen wand.

Schroeder wich dem um sich schlagenden Körper zur Seite aus wie ein Torero einem anstürmenden Stier.

Der führende Mann blickte über die Schulter. Schroeder riss seine improvisierte Lanze zurück. Er stemmte seine Skistöcke ein und stürzte sich die Piste hinunter. Er rammte seinen rechten Ellbogen gegen die Wange des Mannes und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Mit gebeugten Knien und gesenktem Kopf jagte er in Schussfahrt über die Piste, bis er sich dem Ende der Abfahrt näherte, wo die Piste eine scharfe Kurve nach rechts machte.

Der zweite Skiläufer hatte offenbar eine Maschinenpistole unter seiner Jacke versteckt, denn eine entsprechend klingende Salve zerriss die morgendliche Stille.

Die Kugeln schlugen, ohne ernsten Schaden anzurichten, in die Baumäste über seinem Kopf ein.

Schon eine Sekunde später befand Schroeder sich außerhalb der Schusslinie.

Er hielt auf eine schmale, mit zwei schwarzen Symbolen gekennzeichnete Steilabfahrt zu, die sich korkenzieherhaft am steilen Berghang in die Tiefe schlängelte. Die Skiwacht hatte gelbes Absperrband angebracht sowie ein Schild, aus dem hervorging, dass diese Piste gesperrt war.

Schroeder duckte sich und schlüpfte unter dem Absperrband hindurch. Die Piste senkte sich fast senkrecht ab. Der Schnee hatte eine bräunliche Farbe, ein Beweis, dass die Schneedecke nur sehr dünn war. Die Schneeschicht wurde immer wieder durch große Flecken nackter Erde unterbrochen. Felsen, die normalerweise vom Schnee bedeckt waren, bildeten unerwartete Hindernisse.

Schroeder hörte Maschinenpistolenfeuer hinter sich, und nur wenige Schritte entfernt wurden kleine Schlammfontänen hochgeschleudert. Der Schütze befand sich am oberen Ende der Steilabfahrt und schoss nach unten.

Schroeder fuhr Slalom zwischen nacktem Untergrund und Felsblöcken. Seine Ski gerieten auf Schneematsch und wurden fast vollständig abgebremst, aber zum Glück war noch immer genügend Schnee vorhanden, so dass sie weitergleiten konnten.

Schroeder suchte sich seinen Weg durch ein Feld kleiner Gesteinsbrocken und gelangte auf einen steilen Abschnitt, wo die Schneedecke ausreichte. Zu seiner Rechten hörte er Schüsse. Sein Verfolger benutzte eine Piste, die parallel zu der Schroeders verlief, und feuerte dabei durch den Waldstreifen, der sie voneinander trennte. Die meisten Kugeln schlugen in die Bäume ein. Der Schütze erkannte, dass er sein Ziel verfehlte, und drang in das Wäldchen ein, das sich zwischen den Pisten erstreckte.

Die Gestalt des Mannes erinnerte an ein Känguruh nach einer Steroidkur, doch er kämpfte sich in Sprüngen und Schwüngen durch den Waldstreifen. Schroeder realisierte, dass der Mann ein Stück unter ihm aus dem Wald kommen würde. Von dort aus könnte er die Piste mit tödlichen Salven beharken.

18
{"b":"197139","o":1}