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»Verdammt.« Austin biss sich auf die Lippen. »Wo sind sie hin?«

»Keine Ahnung. Margrave hat sich mir gegenüber niemals über die Pläne für die letzte Phase geäußert. Aber ich mache mir weniger Sorgen darüber, wo etwas passieren könnte, als vielmehr darüber, was passieren wird. Ich denke, sie sind im Begriff, den Polsprung tatsächlich einzuleiten.«

»Können Sie abschätzen, wie viel Zeit uns bleibt?«

»Schwer zu sagen«, erwiderte Barrett. »Der Zielort befindet sich im Südatlantik. Ich war bei den letzten Gesprächen nicht mehr zugegen, daher kenne ich den genauen Ort nicht. Sobald sie in Position sind, ist es nur noch eine Frage von Stunden, ehe sie auf den Knopf drücken.«

Austin gab Barrett die Serviette zurück. »Kann diese Gleichung in etwas übertragen werden, mit dem wir die Polumkehr tatsächlich rückgängig machen können?«

»Sicher. Genauso wie E=mc2 in die Bombe und in Atomkraft umgesetzt wurde. Man braucht nur die entsprechenden Mittel und genügend Zeit.«

»Sie kriegen alle Mittel, die Sie brauchen. Wie lange brauchen Sie, um etwas zu bauen, das die geforderte Aufgabe lösen kann?«

»Erst einmal brauche ich Hilfe. Ich habe das technische Wissen beigesteuert und das Modell für die Auslöse-Apparatur hergestellt, doch andere waren mit der eigentlichen Konstruktion befasst.«

»Ich verschaffe Ihnen Hilfe. Wie lange?«

Barrett revanchierte sich mit einem trüben Lächeln. »Zweiundsiebzig Stunden. Vielleicht.«

»Ich dachte, ich hätte Sie sechsunddreißig sagen gehört.« Austin lächelte unschuldig. »Und wie groß ist dieser Apparat?«

»Richtig groß«, sagte Barrett. »Sie haben ja die Anlage auf dem Transmitter-Schiff gesehen.«

»Autsch«, kam es Austin ungewollt über die Lippen. Sein unerschütterliches Selbstvertrauen geriet für einen Moment ins Wanken, doch sein lebhafter Geist fing sich sofort wieder. »Was tut man mit dem Ding, sobald es gebaut wurde?«

»Es muss elektromagnetische Wellen übertragen und dabei in etwa den gleichen Bereich abdecken wie der Polsprung.« Er schüttelte den Kopf. »Wir müssen uns etwas überlegen, wie wir dieses Gerät zum Zielbereich transportieren. Verdammt. Ich allein habe der Welt diese ganze Schweinerei eingebrockt.«

Trotz Barretts Hell’s-Angel-Erscheinung hatte er eine ziemlich zerbrechliche Psyche. Austin sah, dass Schuldgefühle dieses brillante Computergenie zu zerbrechen drohten, und wenn das geschah, wäre er zu nichts mehr nütze.

»Dann kann ich mir niemanden vorstellen, der besser geeignet wäre, diese Schweinerei zu beseitigen. Überlassen Sie die Transportfrage mir. Ich habe eine Idee, die funktionieren könnte.«

Er erhob sich von seinem Stuhl und legte ein paar Geldscheine für das Bier auf den Tisch. Während sie den Gasthof verließen, sah Austin, wie Spider den Weg zu seinem Motorrad einschlug, und fragte: »Wo wollen Sie hin?«

»Zu meiner Maschine.«

»Die lasse ich von jemandem abholen«, meinte Austin und ergriff seinen Arm. »Zu gefährlich.«

Karla fasste Barretts anderen Arm, und gemeinsam lotsten sie ihn zum Jeep. Während der Rückfahrt nach Washington holte Austin sein Mobiltelefon hervor, rief Zavala an und erklärte, er habe einen wichtigen Auftrag für ihn.

»Ich werde mich sofort darum kümmern«, versprach Zavala, nachdem er sich die Einzelheiten angehört hatte. »Ich habe übrigens mit den Trouts gesprochen. Es gibt gute Nachrichten. Sie haben das Transmitter-Schiff per Satellit nach Rio verfolgt und sind bereits dorthin unterwegs.«

Weniger als eine Stunde später bog Austin mit Barrett und Karla in die Einfahrt zur NUMA-Tiefgarage ein, und sie fuhren anschließend mit dem Fahrstuhl hinauf in den dritten Stock. Die Flure waren verlassen und dunkel bis auf einen Lichtbalken, der aus dem Arbeitszimmer neben dem Konferenzsaal drang. Zavala hatte Austins Bitte erfüllt und Hibbet abgeholt.

Austin begrüßte ihn. »Vielen Dank, dass Sie mitgekommen sind, Alan. Tut mir leid, dass wir Sie zum zweiten Mal haben belästigen müssen, aber wir brauchen Ihre Hilfe.«

»Ich hatte es durchaus ernst gemeint, als ich sagte, Sie könnten mich Tag und Nacht anrufen, wenn Sie mich brauchen. Gibt es seit unserem letzten Gespräch irgendetwas Neues?«

»Wir haben eindeutig feststellen können, dass der Strudel und die Monsterwellen Nebenwirkungen eines Experiments zur Auslösung eines Polsprungs waren. Und dass die magnetische Verschiebung eine geologische Reaktion mit katastrophalen Auswirkungen für die ganze Welt verursachen kann.«

Hibbets Gesicht wurde aschfahl. »Gibt es irgendeine Möglichkeit, ein solches Ereignis zu verhindern?«

Austin brachte trotz der Lage den Anflug eines Lächelns zustande. »Ich hoffe, dass Sie uns das verraten können.«

»Wieso ich? Das verstehe ich nicht.«

»Dies ist Spider Barrett«, stellte Austin seinen Begleiter vor. »Er hat den Mechanismus zum Auslösen eines Polsprungs konstruiert.«

Hibbet musterte den todtraurigen Barrett und seinen tätowierten Schädel. Er war schon lange genug in der Szene tätig, um zu wissen, dass die wissenschaftliche Welt von einer ganzen Reihe seltsamer Typen bevölkert wurde. Er streckte ihm spontan eine Hand entgegen. »Hervorragende Arbeit.«

Barretts Miene hellte sich bei diesem professionellen Lob zu einem Strahlen auf. »Vielen Dank.«

Austin spürte sofort zwischen den beiden Männern eine synergistische Verbindung. »Wir möchten, dass Sie sich mit Spider, Joe und Karla zusammensetzen, um eine Antenne zu bauen, die gegebenenfalls die niederfrequenten elektro­magnetischen Wellen neutralisieren kann, die einen Polsprung in Gang setzen können.«

»Eine solche Antenne zu bauen, wird kein Problem sein. Dazu ist nur ein wenig Metall und Draht nötig. Aber sie wäre ohne die richtigen Frequenzen, die nötig sind, um die Auslösefrequenzen auszulöschen, allenfalls als Wäscheleine zu gebrauchen.«

Karla lächelte und angelte ein zusammengefaltetes Stück Papier aus ihrem Blouson. Mit unendlicher Behutsamkeit faltete sie das Papier auseinander und schob es auf dem Tisch zu Hibbet hinüber. Er ergriff die Serviette und las stirnrunzelnd die Gleichung, die darauf notiert war. Dann leuchtete in seinen Augen ein Licht des Verstehens auf.

»Woher haben Sie das?«, fragte er. Seine Stimme war zu einem andächtigen Flüstern herabgesunken.

»Von meinem Großvater«, antwortete Karla.

»Karlas Großvater war Lazio Kovacs«, erklärte Austin. »Er verschlüsselte die Ergebnisse seiner Arbeit, ehe er sie weitergab. Dank Spider haben wir das Rätsel entschlüsselt. Und jetzt, nachdem wir alle unsere Hausaufgaben gemacht haben, die entscheidende Frage — können Sie uns eine Antenne bauen?«

»Ja«, sagte Hibbet. »Zumindest glaube ich, dass ich das kann.«

»Das reicht uns schon. Verraten Sie uns, was Sie brauchen. Ihnen stehen sämtliche Ressourcen der amerikanischen Regierung zur Verfügung.«

Hibbet lachte und schüttelte den Kopf. »Das ist um einiges besser, als sich mit den Erbsenzählern der NUMA herumzu­schlagen. Sie glauben gar nicht, welche Schwierigkeiten ich immer habe, neue Geräte für notwendige Experimente bewilligt zu bekommen.« Er überlegte. »Selbst wenn ich auf die Schnelle etwas zusammenbasteln kann, brauchen wir immer noch eine Plattform, um die Konstruktion dort hinzuschaffen, wo sie den größten Nutzen hat.«

»Wie groß wäre diese Konstruktion denn?«, wollte Austin wissen.

»Sehr groß«, antwortete Hibbet. »Dann wären da noch die Generatoren, um die Antenne mit Energie zu versorgen. Und etwas, womit man tonnenschwere Lasten transportieren kann.«

»Das wären also die schlechten Nachrichten«, sagte Austin.

»Und was ist die gute Nachricht?«, fragte Hibbet.

Austin grinste. »Not macht erfinderisch.«

In diesem Moment klingelte das Telefon, und Austin meldete sich. Pitt musste einige bedeutende Fäden gezogen haben. Das Pentagon gab Bescheid, dass man einen Wagen losgeschickt habe, um sie abzuholen.

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