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»Ich möchte Sie mit dem Gentleman bekannt machen, dessen Genie uns heute hier zusammengebracht hat«, sagte Trout. »Hier sehen Sie Lazio Kovacs, den brillanten ungarischen Elektroingenieur. Dieses Foto wurde Ende der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts aufgenommen, und zwar etwa zu der Zeit, als er an seinen revolutionären Theorien über den Elektromagnetismus arbeitete. Und dies kann passieren, wenn wissenschaftliche Brillanz missbraucht wird.«

Trout wechselte das Foto und erzeugte einen geteilten Bild­schirm, auf dem zwei Satellitenfotos zu sehen waren. Auf der linken Seite befand sich das Foto von den Monsterwellen, die die Southern Belle verschlungen hatten. Die andere Seite zeigte den riesigen Strudel, wie er sich aus dem Weltraum darstellte.

Er wartete, bis die Bedeutung der Fotos jedem der Anwesenden klar geworden war.

»Wir in diesem Raum haben die Vermutung geäußert, dass jemand elektromagnetische Impulse, basierend auf den Kovacs-Theoremen, angewendet haben könnte, um diese Störungen zu erzeugen. Wie Sie wissen, waren Gamay und ich in Los Alamos und haben dort mit einem ausgewiesenen Kenner der Arbeit Lazio Kovacs’ gesprochen. Er bestätigte unseren Verdacht hinsichtlich direkter menschlicher Einmischung und deutete an, dass die Art von elektromagnetischer Manipulation, mit der wir es hier höchstwahrscheinlich zu tun haben, tatsächlich einen Polsprung auslösen könnte.«

»Ich nehme an, wir unterhalten uns über eine Umkehr der magnetischen Pole«, sagte Adler.

»Ich wünschte, so wäre es«, warf Gamay ein. »Es ist jedoch durchaus möglich, dass wir es mit einem geologischen Polsprung zu tun haben, in dessen Verlauf die Erdkruste über dem Kern in Bewegung gerät.«

»Ich bin zwar kein Geologe«, sagte Adler, »aber für mich klingt das nach den Voraussetzungen für eine Katastrophe größeren Ausmaßes.«

»Tatsächlich«, meinte Gamay mit einem Lächeln, das so düster wie reizend war, »könnten wir es mit dem viel beschworenen Weltuntergang zu tun haben.«

Betroffenes Schweigen folgte auf ihre Erklärung. Adler räusperte sich schließlich. »Ich habe das Wort ›könnten‹ gehört. Offenbar sehen Sie noch einen gewissen Spielraum.«

»Ich wäre froh, wenn der Spielraum so groß wäre, dass wir uns elegant aus dieser Geschichte herauswinden können«, sagte Gamay. »Aber Sie haben Recht mit der Vermutung, dass wir noch gewisse Zweifel hegen. Wir wissen nicht, wie zuverlässig unsere Los-Alamos-Quelle ist, daher hat Paul eine Methode entwickelt, die Kovacs-Theoreme zu testen.«

»Und wie soll das gehen?«, fragte Adler.

»Mithilfe einer Simulation«, sagte Trout, »in etwa so, wie Sie in Ihrem Labor natürliche Bedingungen schaffen, indem Sie sich einer Wellenmaschine oder eines Computermodells bedienen.«

Hibbet hatte einen Einwand. »Kovacs hat seine Theorien eher allgemein dargestellt und einige spezielle Punkte weggelassen.«

»Das ist richtig«, räumte Gamay ein. »Aber Kovacs hat selbst eine detailliertere Zusammenfassung seiner Theoreme veröffentlicht. Er hat sie als Grundlage für seine der Öffentlichkeit zugänglichen Publikationen benutzt. Von dieser Zusammenfassung existiert nur ein einziges Exemplar.«

»Wie schön, wenn wir es hätten«, sagte Adler.

Gamay schob Kovacs’ Buch kommentarlos über den Tisch.

Adler nahm die Blätter vorsichtig vom Tisch auf und las den Namen auf dem Umschlag: Lazio Kovacs. Er blätterte in den vergilbten Seiten. »Das ist ja Ungarisch«, stellte er fest.

»Einer unserer NUMA-Übersetzer hat eine englische Version erstellt«, sagte Trout. »Da jedoch die Mathematik eine universelle Sprache ist, gibt es dort keinerlei Probleme. Da sah es mit den Tests ganz anders aus. Dann erinnerte ich mich an die Arbeit im National Laboratory Los Alamos, wo die Wissenschaftler eine Methode entwickelt hatten, Atombomben aus unserem Arsenal zu testen, ohne internationale Verträge und Abkommen zu verletzen. Sie testen die einzelnen Bauteile der Bombe, berücksichtigen dabei Faktoren wie zum Beispiel die Materialermüdung und so weiter und geben diese Daten in einen Computer ein, der eine Simulation durchführt. Ich beabsichtige, es genauso zu machen.«

»Ein Versuch lohnt sich bestimmt«, sagte Hibbet.

Trout tippte auf dem Keyboard, und ein Bild der Erde erschien auf dem Monitorschirm. Aus der Kugel war ein Stück herausgeschnitten worden wie bei einer Orange, um die Schichten des Erdinneren zu zeigen: der äußere Kern aus flüssigem Eisen, der Mantel und die Erdkruste. »Vielleicht können Sie dieses Diagramm ein wenig erläutern, Al.«

»Liebend gern«, antwortete Hibbet. »Die Erde ist im Prinzip nichts anderes als ein riesiger Stabmagnet. Der innere Kern aus festem Eisen rotiert mit einer anderen Geschwindigkeit als der äußere Kern aus flüssigem Eisen. Diese Bewegung hat einen Dynamoeffekt zur Folge, der ein Magnetfeld erzeugt, das man auch Geodynamo nennt.«

Das Bild veränderte sich und zeigte nun den intakten Globus. Linien strahlten von einem Pol hinaus ins All und führten gekrümmt zum entgegengesetzten Pol zurück.

»Dies sind die magnetischen Kraftlinien«, erklärte Hibbet. »Sie erzeugen ein magnetisches Feld, das die Erde umgibt und uns den Gebrauch von Kompassen erlaubt. Noch wichtiger ist, dass die Magnetosphäre rund siebzig Kilometer weit ins All hinausreicht. Sie stellt insofern eine Barriere dar, als sie uns vor der schädlichen Strahlung des Sonnenwindes und vor den Schwärmen tödlicher Partikel schützt, die die Erde aus dem Weltraum ständig bombardieren.«

Trout veränderte abermals das Computerbild. Jetzt blickten sie auf eine Weltkarte. Der Ozean war mit blauen und goldenen Flecken übersät.

»In den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts fassten Wissenschaftler alles zusammen, was über den geschmolzenen Erdkern bekannt ist, und gaben es einem Supercomputer ein«, erklärte Trout. »Alle möglichen Daten kamen hinzu. Temperatur. Mengenangaben. Viskosität. Sie stellten fest, dass die Pole sich alle hunderttausend Jahre umkehren, und zwar beginnt es damit, dass ein Pol merklich schwächer wird. Offensichtlich befinden wir uns am Anfang eines solchen Zyklus.«

»Heißt das, die Erde unterliegt einem natürlichen Polsprung?«, fragte Adler.

»Offensichtlich«, antwortete Trout. »Das Magnetfeld der Erde begann vor etwa einhundertfünfzig Jahren an Kraft zu verlieren. Seine Feldstärke hat seitdem um zehn bis fünfzehn Prozent abgenommen, und der Abbau hat sich beschleunigt. Wenn dieser Trend anhält, wird das Feld stetig schwächer und würde bald nahezu vollständig verschwinden, um sich mit entgegengesetzter Polarität wieder aufzubauen.«

»Nadeln, die heute noch nach Norden zeigen, würden dann nach Süden zeigen«, fügte Hibbet hinzu.

»Das ist richtig«, sagte Trout. »Ein Wechsel des magnetischen Pols würde eine ganze Reihe störender Ereignisse zur Folge haben, doch die Wirkung insgesamt wäre nur minimal. Die meisten Menschen würden sich an die neuen Verhältnisse anpassen und den Vorgang überleben. Wie verschiedene Studien zeigen, haben die magnetischen Pole sich recht häufig umgekehrt.«

»Herodot schrieb davon, dass die Sonne dort aufging, wo sie normalerweise unterging«, sagte Gamay. »Die Hopi sprachen von dem Chaos, das einsetzt, wenn die beiden Zwillinge, die die Erde an Ort und Stelle festhalten, ihre Positionen verlassen. Dies könnten Hinweise auf frühere Polsprünge sein.«

»Während Legenden faszinierend sind und häufig ein Körnchen Wahrheit enthalten, sind wir alle an diesem Tisch mit wissenschaftlichen Methoden vertraut«, sagte Adler.

»Deshalb habe ich die Wahrsager und Pseudowissenschaftler, die das Ende der Welt vorausgesagt haben, gar nicht erst erwähnt«, sagte Gamay. »Das physikalische Phänomen des Polsprungs wurde mit Theorien über Atlantis und vorzeitliche Astronauten vermischt.«

»Als Wellenexperte beschäftige ich mich mit ungeahnten ozeanischen Kräften«, sagte Adler, »aber eine Verschiebung der Oberfläche einer gesamten Welt erscheint mir eher unglaublich.«

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