Drei Männer standen in einem der Gänge. Es waren Vladimir Bulgarin, der Inhaber der Elfenbeinhandelsfirma, und zwei Helfer, die einen mächtigen Mammutstoßzahn trugen.
»Das Stück ist wunderschön«, sagte Bulgarin. »Wie schwer?«
»Einhundert Kilo«, sagte einer der Helfer ächzend. »Sehr schwer.«
»Wunderbar«, meinte Bulgarin. Erstklassiges Elfenbein wurde mit hundert Dollar pro Kilo gehandelt.
Ein dritter Helfer eilte durch den Gang. »Ihr Partner ist da«, meldete er.
Bulgarin verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Er wies seine Helfer an, den Stoßzahn in eine mit Sägemehl gefüllte Kiste zu legen und diese beiseite zu stellen. Vielleicht würde er aus dem Stoßzahn kleine Elfenbeinmammuts oder Ohrringe schnitzen lassen und damit seinen Handelswert um ein Vielfaches steigern, anstatt ihn als Rohelfenbein zu verkaufen.
Während er in sein Büro zurückkehrte, lag ein finsterer Ausdruck auf seinem Gesicht. Sein sogenannter Partner war das, was in den Vereinigten Staaten als »Kofferträger« bezeichnet wurde. Er war ein Angehöriger der Mafia, der einmal im Monat aus Moskau kam, um einen prozentualen Anteil am Gewinn zu kassieren, Bulgarin des Betrugs zu bezichtigen und ihm zu drohen, ihm die Beine zu brechen, falls der Verdacht sich bewahrheiten sollte.
Es war unvermeidlich, dass die russische Mafia Mittel und Wege fand, mit ihren klebrigen Fingern im profitablen Mammuthandel mitzumischen. Das Geschäft blühte dank des internationalen Boykotts gegen den Verkauf von Elfenbein von den afrikanischen Elefantenherden, die von Jägern im Laufe der Jahre stark dezimiert worden waren. Die Bewohner von Jakutsk waren seit Jahrhunderten im Elfenbeinhandel tätig, und mit geschätzten zehn Millionen Mammuts, die noch im sibirischen Permafrost vergraben waren, verfügten sie über einen riesigen Vorrat an Material.
Politische Veränderungen hatten den Elfenbeinhandel ebenfalls gefördert. Moskau hatte schon immer den Handel in Jakutsk kontrolliert und überwachte auch heute noch das Diamanten- und Goldgeschäft, aber die Einheimischen trieben schon seit zweitausend Jahren Handel mit den Chinesen und wussten besser als jeder andere, wie man die Knochen alter, toter Riesen zu Geld machte. Das Elfenbein musste erst bearbeitet werden, um legal exportiert werden zu können, doch einige Großhändler, wie Bulgarin zum Beispiel, ignorierten die Gesetze und lieferten Rohelfenbein direkt an ihre Abnehmer.
Als Moskau sich zurückzog, erschien die Mafia. Im vorangegangenen Jahr erhielt die Kooperative einen unangemeldeten Besuch durch eine Gruppe der furchteinflößendsten Männer, denen Bulgarin je begegnet war. Sie trugen schwarze Rollkragenpullover und schwarze Lederjacken, und sie redeten sehr sanft und leise, als sie ihm erklärten, dass sie in Zukunft seine Geschäftspartner seien. Bulgarin war ein Kleinkrimineller, und er hatte gelegentlich mit den gewalttätigeren Elementen der russischen Unterwelt zu tun. Als diese hart und brutal aussehenden Männer ihm verkündeten, er und seine Familie brauchten dringend Schutz, wusste er genau, was sie meinten. Er erklärte sich mit dem neuen Arrangement einverstanden, und die Leute in Moskau stellten zwei Männer mit Maschinenpistolen an der Tür auf, um ihre Investition zu bewachen.
Bulgarin war sowohl verwirrt wie auch verärgert über den Zeitpunkt des Besuchs. So regelmäßig wie ein Uhrwerk erschien sein Partner jeweils am vierten Donnerstag des Monats, doch heute war erst der zweite Mittwoch. Trotz seines Ärgers verzog er, als er sein winziges, unordentliches Büro betrat, das Gesicht in Erwartung Karpovs, des üblichen Mafiaboten aus Moskau, zu einem breiten Lächeln. Aber der Mann im schwarzen Anzug und Rollkragenpullover war jünger, und im Gegensatz zu Karpov, der beim Abholen des Geldes immerhin den rauen, wenn auch zweifelhaften Charme des hartgesottenen Schuldeneintreibers an den Tag legte, war sein Gesichtsausdruck so kalt wie Jakutsk in einer Winternacht.
Er funkelte Bulgarin wütend an. »Ich mag es nicht, wenn man mich warten lässt.«
»Es tut mir leid«, sagte Bulgarin und behielt sein Lächeln bei. »Ich war gerade am anderen Ende des Lagerhauses. Ist Karpov krank?«
»Karpov ist lediglich ein Kassierer. Wir haben wichtige Geschäfte zu besprechen. Ich will, dass Sie mit den Männern auf Ivory Island Verbindung aufnehmen.«
»Das ist nicht so einfach.«
»Tun Sie es trotzdem.«
Mehrere Tage zuvor hatte Moskau sich telefonisch gemeldet und ihn angewiesen, einen Trupp seiner härtesten Elfenbeinjäger zusammenzustellen und auf die Insel zu schicken. Sie würden dort auf eine Gruppe Wissenschaftler treffen, die vor Ort arbeitete, und sollten eine weibliche Forscherin namens Karla Janos in ihre Gewalt bringen. Diese sollten sie anschließend einem Team übergeben, das aus Alaska käme.
»Ich kann es versuchen«, sagte Bulgarin. »Das Wetter –«
»Ich will, dass Sie Ihre Befehle ändern. Sagen Sie ihnen, sie sollen sich die Kleine holen und mit ihr die Insel verlassen.«
»Was ist mit den Amerikanern?«
»Deren Leute können nicht kommen. Sie wollten eine Menge Geld für den Job bezahlen, also ist die Kleine offensichtlich einiges wert. Wir unterhalten uns mit ihr, um zu hören, was sie zu erzählen hat, und für sie ein Lösegeld zu fordern.«
Bulgarin zuckte die Achseln. Das war typisch für die Moskauer Mafia. Ein klassisches Doppelspiel. Direkt und rücksichtslos.
»Was ist mit den anderen Wissenschaftlern?«
»Sagen Sie Ihren Männern, keine Zeugen.«
Bulgarin lief es eiskalt über den Rücken. Er war sicherlich kein Engel und hatte als junger Schmuggler so manchen Schädel eingeschlagen. Die Elfenbeinjagd war ein Halsabschneidergeschäft. Nachdem die Mafia ebenfalls in die Elfenbeinjagd eingestiegen war, hatte sie Männer engagiert, die man wohlwollend als »Abschaum« bezeichnen konnte. Einige seiner Konkurrenten waren bequemerweise verschwunden.
Gleichzeitig war er clever genug zu wissen, dass er als Zeuge ebenfalls in der Reihe derer stünde, die irgendwann eliminiert würden. Er würde tun, was der Mann von ihm verlangte, aber in Gedanken beschäftigte er sich bereits mit den Schritten, die notwendig waren, um sein Geschäft zu schließen und Jakutsk zu verlassen. Er nickte nur, weil sein Mund plötzlich ausgetrocknet war und er keinen Ton hervorbrachte, und öffnete dann einen Schrank, in dem ein hochmodernes Sprechfunkgerät verborgen war.
Innerhalb weniger Minuten hatte er Verbindung mit den Elfenbeinjägern. Indem er sich eines sorgfältig ausgearbeiteten Codes bediente für den Fall, dass irgendjemand mithörte, verlangte er den Anführer des Trupps, einen vor keiner Gewalt zurückschreckenden Mann namens Grisha, der als Bewohner der Republik Sakha in direkter Linie von den Mongolen abstammte, die Hunderte von Jahren von der Elfenbeinjagd gelebt hatten. Er teilte ihm die neuen Instruktionen mit. Grisha bat nur um eine kurze Wiederholung, um sicherzugehen, dass er alles richtig gehört hatte, und hatte darüber hinaus keinerlei Fragen.
»Es ist erledigt«, sagte Bulgarin und legte das Mikrofon beiseite.
Der Mafiavertreter nickte. »Ich komme morgen zurück, um nachzufragen, ob alles glattgegangen ist.«
Bulgarin wischte sich den Schweiß von der Stirn, nachdem der Mann sich verabschiedet hatte. Er konnte nicht entscheiden, was schlimmer war, sich mit den Halsabschneidern aus Moskau herumzuschlagen oder mit den Halsabschneidern, die für ihn arbeiteten. Was er jedoch genau wusste, war, dass seine Tage in Jakutsk gezählt waren. Er wäre sicher, bis sie jemanden holten, um ihn zu ersetzen, doch in der Zwischenzeit würde er einige Pläne, die er schon vor langer Zeit geschmiedet hatte, nach und nach in die Tat umsetzen. Er hatte Millionen auf verschiedenen Nummernkonten in der Schweiz gesammelt.
Genf wäre sehr schön. Oder Paris oder London. Als profitable Beschäftigung bot sich der Edelsteinhandel an.
Alles wäre dem sibirischen Winter vorzuziehen.