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»Vielen Dank«, sagte er. »Wie wir vorhin bereits andeuteten, gibt es da ein Problem.« Er sah Arbatov auffordernd an.

Der Russe nickte. »Sie wissen, welches Ziel wir mit dieser Expedition verfolgen?«

»Ja«, erwiderte Karla. »Sie suchen die Überreste eines Mammuts, die man für einen Klonversuch verwenden kann.«

»Richtig.« Arbatov nickte. »Ins Leben gerufen wurde dieses Projekt im Jahr 1999, als eine internationale Expedition einige vielversprechende Reste in einem Klumpen gefrorenen Schlamms entdeckte.«

»Das Zharkov-Mammut«, sagte Karla. »Die Überreste wurden nach der sibirischen Familie benannt, der das Land gehörte, auf dem sie gefunden worden waren.«

»Das ist richtig. Eine Reihe genetischer Forschungs­einrich­tungen auf der ganzen Welt haben großes Interesse an dem Tier bekundet. Sie meinten, wenn es möglich sei, DNS aus dem Gewebe zu gewinnen, dann könnte man es vielleicht dazu verwenden, ein Wollhaarmammut zu klonen.«

»Soweit ich mich erinnere, enthielt der Schlamm lediglich Knochensubstanz und kein weiches Gewebe.«

»Ohne das weiche Gewebe war an einen Klonversuch nicht mehr zu denken, aber das Interesse hielt an. Entsprechende Experimente wurden fortgesetzt«, sagte Arbatov.

»Eine Gruppe japanischer und chinesischer Forscher klonten zwei Kühe, indem sie Hautzellen eines toten Rinderembryos verwendeten, das auf die Temperatur des russischen Permafrosts heruntergekühlt worden war. Seitdem fanden weitere Expeditionen statt, die in Sibirien nach geeigneten Überresten suchten. Meine Frau und ich arbeiten für einen sibirischen Naturschutzpark, der beabsichtigt, einen weiblichen indischen Elefanten als Ersatzmutter zu benutzen, um einen Nachkommen zu erzeugen, der teilweise einem Mammut entspricht, und den gleichen Prozess mit diesem Nachkommen zu wiederholen. Sie hoffen, in fünfzig Jahren ein Lebewesen zu erhalten, das zu achtundachtzig Prozent ein Wollhaarmammut ist.«

»An diesem Projekt sind auch die Japaner beteiligt«, nahm Dr. Sato jetzt den Faden auf. »Studenten der Kinki Universität und Veterinärmediziner von der Kagoshima Uni, wo Dr. Ito tätig ist, suchen seit 1997 in Sibirien nach DNS-Proben. Schätzungsweise zehn Millionen Mammuts ruhen im sibirischen Permafrost, daher kamen wir hierher, in der Hoffnung zu finden, was wir suchen.«

»Und wie soll dieses Klonen durchgeführt werden?«, fragte Karla.

»Es ist außerordentlich kompliziert. Jeder Schritt muss perfekt funktionieren«, sagte Dr. Ito, der veterinärmedizinische Experte. »Wir würden einen kompletten DNS-Strang aus dem weichen Gewebe extrahieren, einem weiblichen Elefanten eine Eizelle entnehmen, die wir dann bestrahlen, um deren DNS zu zerstören. Diese würden wir durch Mammut-DNS ersetzen und die Eizelle dem Elefanten wieder einpflanzen. Die normale Tragzeit eines Elefanten beträgt zweiundzwanzig Monate, aber wir haben keine Ahnung, wie lange sie bei dieser Kreatur dauert. Ebenso wenig wissen wir, wie wir das hybride Junge versorgen müssten.«

»Jedes dieser Hindernisse ist für sich alleine schon fast unüberwindlich«, stellte Karla fest.

»Das Schwierigste war, genügend weiches Gewebe zu finden«, sagte Maria.

»Bis jetzt«, sagte Karla.

»Am idealsten wäre es gewesen, wenn wir ein trächtiges Mammut gefunden hätten«, fuhr Maria fort, »aber dies hier dürfte ausreichen.«

»Ich bin ein wenig verwirrt«, bekannte Karla. »Es scheint, als befände sich im Körper des Jungtieres im Schuppen ein Übermaß an klonfähigem Material.«

Die Art und Weise, wie die vier Wissenschaftler einander anschauten, hatte beinahe etwas Spaßiges an sich.

Dr. Sato ergriff das Wort. »Es gibt gewisse juristische Differenzen. Es ist, als stritten sich zwei Elternteile um das Sorgerecht für ein Kind.«

»Sie brauchen keinen vollständigen Körper. Eine DNS-Probe wäre ausreichend.«

»Das ist richtig«, sagte Sato. »Aber Sie wissen doch, wie heftig gelegentlich in der wissenschaftlichen Welt gestritten wird. Wer immer den Fund nach Hause bringt, deren oder dessen Karriere macht einen großen Sprung, und finanziell geht es der oder dem Betreffenden auch erheblich besser.«

»Wer hat das Baby gefunden?«

Arbatov zuckte die Achseln. »Sato und Ito, aber wir beanspruchen das Baby für uns, weil wir geholfen haben, es in die Hütte zu bringen, und weil es sich auf russischem Boden befindet.«

»Wurde für einen solchen Fall nicht irgendeine Vereinbarung getroffen?«

»Das schon, aber niemand hatte erwartet, dass wir ein derart perfekt erhaltenes Exemplar finden würden«, sagte Maria.

»Wir alle sind doch vernünftige Menschen«, meinte Arbatov. »Maria hat dafür gesorgt, dass wir unser männliches Naturell einigermaßen im Zaum hielten. Wir hatten einige hitzige Diskussionen und haben uns ausführlich darüber unterhalten, ob wir Ihnen überhaupt von unserem Fund erzählen sollen. Wir beschlossen, dass es unklug wäre, unseren Fund vor Ihnen zu verheimlichen, und dass es ganz einfach wissenschaftlich unaufrichtig wäre. Wir wissen jedoch noch immer nicht, was wir tun sollen.«

»Sie haben Recht. Sie haben wirklich ein Problem«, stellte Karla fest.

Vier Köpfe nickten zustimmend.

»Aber das Problem ist nicht unlösbar«, fügte sie hinzu, und die Köpfe hielten mitten in der Bewegung inne.

»Bitte verlangen Sie nicht von uns, salomonisch zu entscheiden und das Baby in der Mitte zu teilen«, sagte Arbatov.

»Ganz und gar nicht. Die Antwort liegt doch auf der Hand. Gehen Sie los und suchen Sie ein anderes Exemplar. Es ist möglich, dass in derselben Gegend noch weitere Mammuts darauf warten, gefunden zu werden. Ich helfe Ihnen. Ich habe die Topographie von Ivory Island bis ins Pleistozän, als es in den Steppen noch von Tieren wimmelte, ausgiebig untersucht. Ich glaube, ich kann Ihnen die Regionen mit der größten Konzentration und den entsprechenden Umweltbedingungen zeigen, was Ihre Chance auf eine erfolgreiche Suche erheblich steigern dürfte.«

Dr. Sato meldete sich zu Wort. »In unserem Land halten wir mehr von Konsens als von Konfrontation. Ich schlage vor, dass wir nach einem zweiten Exemplar Ausschau halten. Wenn wir keins gefunden haben, ehe das Schiff zurückkehrt, werden wir unsere jeweiligen Sponsoren über die Situation ins Bild setzen und es ihnen überlassen, die Angelegenheit vor Gericht auszufechten.«

Diplomatisch wie sie war, wandte Maria sich an ihren Mann. »Sergei? Als Leiter des Projekts, was hältst du davon?«

»Ich finde, dass Ms. Janos eine Lösung gefunden hat, mit der wir alle leben können.«

»Sie können sich gleichzeitig revanchieren«, sagte Karla, »indem Sie mir bei meinem Projekt behilflich sind.«

»Ich muss mich entschuldigen«, meinte Dr. Sato. »Wir waren so sehr mit unseren eigenen Angelegenheiten beschäftigt, dass wir die grundlegendsten Gebote der Höflichkeit vernachlässigt haben. Was genau hoffen Sie hier zu finden?«

»Die Antwort auf das Rätsel des Mammuts.«

»Sie meinen das Aussterben während des Pleistozäns?«, fragte Maria.

Karla nickte. »Stellen Sie sich diese Insel vor zwanzigtausend Jahren vor. Das Land draußen vor unserem Zelt war grün und strotzte von Vegetation. Die Erde erbebte unter dem Donner der Füße von riesigen Herden der Art Mammuthus. Diese Tiere waren bis zu fünf Metern hoch, womit sie die größten aller Elefanten waren. Bereits vor drei Millionen Jahren streiften ihre umfangreichen Herden durch die Alte Welt. Sie lebten in Nordamerika von North Carolina bis Alaska, in den meisten Teilen Russlands und Europas und sogar in Britannien und in Irland. Aber um achttausend vor Christus waren sie nahezu ausgestorben. Die Herden der Mammuts verschwanden zusammen mit Hunderten anderer Arten, und zurück blieben ihre tiefgefrorenen Knochen, um Wissenschaftler wie uns in Verwirrung zu stürzen.«

»Das Aussterben ist eins der größten Rätsel der Welt«, sagte Maria. »Mammuts, Mastodonten, Säbelzahntiger — sie alle verschwanden vor zehn- bis zwölftausend Jahren vom Antlitz der Erde und fast zweihundert andere Säugetierarten mit ihnen. Millionen von Tieren starben auf der ganzen Welt. Was hoffen Sie ausgerechnet hier zu finden?«

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