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Das Bild auf dem Schirm zeigte, wie die Entfernung zwischen dem Wirbel und der Benjamin Franklin stetig schrumpfte. »Könnte dieses Gebilde dem Schiff gefährlich werden?«

»Nicht, wenn man sich auf frühere wissenschaftliche Erkenntnisse stützen kann. Der Old-Sow-Strudel vor der Küste von New Brunswick ist in etwa genauso stark wie der Moskstraumen, der sich mit einer Geschwindigkeit von etwa achtundzwanzig Kilometern in der Stunde bewegt. Er ist der größte ozeanische Wirbel auf der westlichen Halbkugel. Die Turbulenzen in der Nähe des Strudels können kleinen Booten gefährlich werden, jedoch werden größere Schiffe dadurch nicht beeinträchtigt.« Er hielt inne und blickte sichtlich fasziniert auf den Bildschirm. »Verdammt!«

»Was ist los?«

Er starrte auf das Gebilde auf dem Schirm. »Anfangs war ich mir nicht ganz sicher. Aber dieses Ding wächst rasend schnell. In den letzten Minuten hat es seine Größe fast verdoppelt.«

Austin hatte genug gesehen.

»Ich möchte, dass Sie mir einen Gefallen tun, Professor«, sagte er und verlieh seiner Stimme einen möglichst ruhigen, gelassenen Klang. »Begeben Sie sich umgehend in die Beobachtungszentrale. Bitten Sie Joe, sofort das ROV einzuholen und so bald wie möglich auf die Kommandobrücke zu kommen. Sagen Sie ihm, es sei dringend.«

Adler warf einen letzten Blick auf den Bildschirm und entfernte sich dann eilig. Während der Professor seinen Auftrag ausführte, stieg Austin zur Kommandobrücke hinauf.

Tony Cabral, der Kapitän der Throckmorton, war ein freundlicher Mann Ende fünfzig. Sein von der Sonne gebräuntes Gesicht wurde von einer markanten Nase beherrscht, er hatte einen Schnurrbart mit nach oben gezwirbelten Enden, und sein Mund war gewöhnlich zu einem knorrigen Grinsen verzogen, das ihn wie einen freundlichen Piraten aussehen ließ. Im Augenblick war seine Miene jedoch todernst und zeigte plötzlich einen Ausdruck höchster Überraschung, als er Austin erblickte.

»Hey, Kurt, ich wollte Sie gerade suchen lassen.«

»Wir haben ein Problem«, sagte Austin.

»Sie wissen von dem SOS-Ruf, den wir aufgefangen haben?«

»Das höre ich zum ersten Mal. Was ist los?«

»Wir haben vor ein paar Minuten ein Mayday von einem NOAA-Schiff empfangen.«

Damit bestätigten sich Austins schlimmste Befürchtungen. »Wie ist ihre augenblickliche Lage?«

Cabral runzelte die Stirn. »Der größte Teil der Botschaft war verzerrt. Es gab jede Menge Hintergrundgeräusche. Wir haben den Ruf aufgenommen. Vielleicht ergibt er für Sie einen Sinn.«

Er betätigte einen Schalter auf der Funkkonsole. Die Brücke füllte sich mit einer Kakophonie, die klang wie ein Redewettstreit in einem Irrenhaus. Wilde Rufe ertönten, jedoch waren die Worte nicht zu verstehen bis auf eine heisere männliche Stimme, die den Tumult übertönte.

»Mayday!«, sagte die Stimme. »Hier ist das NOAA-Schiff Benjamin Franklin. Mayday. Bitte antworten Sie, wer immer uns hört.«

Eine andere Stimme, noch verzerrter, war im Hintergrund zu hören, wie sie brüllte: »Leistung! Verdammt, mehr Leistung …«

Dann ließ sich ein kurzer Satz vernehmen. Er war nur am Rande zu hören, jedoch reichte er aus, um den Lauschenden das nackte Grauen zu vermitteln.

»Verdammt! Wir stürzen rein!«

Cabrals auf Tonband aufgenommene Antwort folgte. Er beantwortete den SOS-Ruf so gut es ging.

»Hier ist das NUMA-Schiff Throckmorton. Wie ist Ihre Lage? Melden Sie sich. Wie ist Ihre Lage?«

Seine Worte wurden von einem dumpfen, brodelnden Getöse verschluckt, das klang wie ein Sturm, der durch eine Höhle blies. Dann verstummte das Funkgerät. Die Stille, die nun folgte, war noch viel schlimmer als jeglicher Lärm.

Austin versetzte sich in Gedanken auf die Kommandobrücke der Franklin. Offensichtlich hatte dort das totale Chaos geherrscht. Die Stimme, die um Hilfe rief, gehörte wahrscheinlich dem Kapitän. Oder, was näher lag, er war derjenige, der vom Maschinenraum mehr Leistung verlangte.

Das unheimliche dumpfe Getöse war mit nichts zu vergleichen, dem Austin in seinem bisherigen Leben begegnet war. Ihm wurde bewusst, dass die Haare in seinem Nacken sich aufgerichtet hatten und stramm standen wie Soldaten bei einer Parade. Er schaute sich auf der Kommandobrücke um. Den Gesichtern des Kapitäns und der übrigen Besatzung nach zu urteilen, war er mit seinen Überlegungen nicht alleine.

»Wie lautet die Position der Franklin, wollte Austin wissen.

Kapitän Cabral ging zu dem bläulich leuchtenden Radarschirm.

»Das ist auch so eine verrückte Sache. Als wir sie mit dem Radar orteten, waren sie gut dreißig Kilometer weit entfernt. Sie waren nach Südwesten unterwegs. Und dann verschwanden sie plötzlich vom Schirm.«

Austin verfolgte, wie der Suchstrahl des Radars ein paarmal über den Schirm wanderte. Von dem Schiff war nichts zu sehen außer ein paar vereinzelten Signalen, wo der Radarstrahl die Wellenkämme berührte. »Wie lange brauchen wir bis zu der Stelle?«

»Weniger als eine Stunde. Wir müssen jedoch vorher das ROV reinholen.«

»Darum kümmert Joe sich bereits. Mittlerweile müsste das Vehikel wieder an Bord sein.«

Cabral gab Befehl, den Kurs zu ändern und mit voller Kraft die Benjamin Franklin anzusteuern. Die Throckmorton lichtete den Anker, und ihr hoher Bug schnitt mit zunehmender Geschwindigkeit durch die Wellen, als Zavala zusammen mit Professor Adler auf der Kommandobrücke erschien.

»Der Professor hat mir von dem Strudel berichtet«, sagte Zavala. »Gibt es irgendwelche Nachrichten von der Franklin?«

»Sie haben ein SOS gesendet, doch dann wurde die Funkverbindung unterbrochen. Und wir haben sie auf dem Radar verloren.«

Cabral hatte den kurzen Dialog mitgehört. »Was war das gerade mit einem Strudel, Kurt?«

»Der Professor und ich haben uns ein paar Satellitenbilder angesehen und in der Nähe der letzten bekannten Position der Franklin eine riesige kreisrunde Störung im Wasser ausgemacht. Durchmesser etwa drei bis vier Kilometer.«

»Ist die NOAA zur Zeit nicht gerade damit beschäftigt, ozeanische Wellenerscheinungen, sogenannte Eddies, zu untersuchen?«

»Dies ist keine langsame Welle. Die Erscheinung, mit der wir es hier zu tun haben, ist wahrscheinlich einige Hundert Meter tief und rotiert mit mehr als dreißig Knoten.«

»Das meinen Sie nicht ernst.«

»Sogar todernst, fürchte ich.«

Austin bat den Professor zu beschreiben, was sie gesehen hatten. Adler setzte den Kapitän über die Einzelheiten ins Bild, als sie durch den Funker unterbrochen wurden.

»Wir haben sie wieder auf dem Radar«, meldete er.

»Käpt’n«, meinte der Funker nur Sekunden später. »Ich kriege gerade einen Ruf von der Franklin herein.«

Cabral ergriff das Mikrofon. »Hier spricht Kapitän Cabral vom NUMA-Schiff Throckmorton. Wir haben Ihren Notruf aufgefangen. Wie ist Ihr derzeitiger Status?«

»Hier ist der Kapitän der Franklin. Im Augenblick sind wir außer Gefahr, aber das Schiff wurde beinahe von einem riesigen Loch im Meer verschluckt. Das war das verdammteste Ding, das ich je gesehen habe.«

»Wurde jemand verletzt?«

»Einige Beulen und Blutergüsse, aber damit kommen wir zurecht.«

Austin lieh sich das Mikrofon aus. »Hier spricht Kurt Austin. An Bord Ihres Schiffs sind zwei Freunde von mir. Können Sie mir mitteilen, wie es Paul und Gamay Trout geht?«

Stille trat ein, und zuerst schien es, als sei die Sprechfunkverbindung unterbrochen. Dann war wieder die Stimme zu hören. »Ich bedauere sehr, was ich Ihnen mitteilen muss. Sie führten eine Planktonuntersuchung mit dem Zodiac-Schlauchboot durch, als der Strudel sie mitriss. Wir haben versucht, ihnen zu Hilfe zu kommen, wobei wir jedoch selbst in Schwierigkeiten gerieten.«

»Haben Sie sie tatsächlich in dem Strudel gesehen?«

»Wir hatten alle Hände voll zu tun, und die Sicht ist sogar jetzt noch gleich null.«

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