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Ken DeMott kam zu seiner Bank, und Ken sah unter der Wüstenbräune blaß und ängstlich aus. »Komm mit«, sagte er.

»Feierabend. Wir fahren nach Vegas zurück. Alle. Die Busse warten draußen.«

»Hm? Warum?« Der Mülleimermann blinzelte zu ihm hoch.

»Ich weiß nicht. Es ist seinBefehl. Lloyd hat ihn durchgegeben. Setz deinen Arsch in Bewegung, Mülli. Man stellt besser keine Fragen, wenn es um den Hartgesottenen geht.«

Also stellte er auch keine. Draußen parkten drei Schulbusse der Stadt Las Vegas mit laufenden Motoren auf dem Hoover Drive. Männer und Frauen stiegen ein. Es wurde wenig gesprochen; die vormittägliche Fahrt zurück nach Las Vegas stand in krassem Widerspruch zu den sonstigen Arbeitsgepflogenheiten. Keine Geplänkel, kaum Unterhaltungen und keine Anzüglichkeiten, wie sie zwischen den etwa zwanzig Frauen und dreißig Männern üblich geworden waren. Alle waren in sich selbst versunken. Als sie sich der Stadt näherten, hörte Mülleimermann einen der Männer, der auf der anderen Seite des Mittelgangs gegenüber saß, leise zu seinem Nachbarn flüstern: »Es ist Heck. Heck Drogan. Herrgott, wie kommt diese Spukgestalt nur immer wieder auf alles?«

»Sei still«, sagte der andere und warf dem Mülleimermann einen mißtrauischen Blick zu.

Müll wich seinem Blick aus und betrachtete die Wüstenlandschaft, die vor dem Fenster vorbeizog. Erstmals wieder verspürte er einen Hauch von Angst.

»Mein Gott«, sagte eine Frau, als sie aus dem Bus ausstiegen, aber sie war die einzige, die eine Bemerkung machte.

Mülleimermann sah sich verwirrt um. Es sah aus, als wären alle versammelt, alle in Cibola. Alle waren zurückbeordert worden, mit Ausnahme einiger Kundschafter, die von der mexikanischen Halbinsel bis West-Texas überall sein konnten. Sie hatten sich um den Springbrunnen herum im Halbkreis versammelt, sechs oder sieben Reihen hintereinander, alles in allem etwa vierhundert Personen. Manche der hinteren standen auf Hotelstühlen, damit sie besser sehen konnten, und bis der Mülleimermann nahe genug war, dachte er, sie würden den Springbrunnen betrachten. Aber als er den Hals streckte, konnte er sehen, daß etwas auf dem Rasen vor dem Springbrunnen lag; freilich nicht, was es war. Eine Hand ergriff ihn am Ellbogen. Es war Lloyd. Sein Gesicht sah blaß und angespannt aus. »Ich hab' nach dir gesucht. Er will dich später sehen. Aber vorher haben wir das. Herrgott, wie ich das hasse. Komm mit. Ich brauche Hilfe, und du bist auserwählt.«

Der Kopf des Mülleimermanns kreiste. Erwollte ihn sehen! Ihn! Aber vorher kam noch dieses... was auch immer.

»Was, Lloyd? Was ist es?«

Lloyd antwortete nicht. Er hielt den Mülleimermann immer noch sanft am Arm und führte ihn zum Springbrunnen. Die Menge teilte sich vor ihnen, schrak beinahe vor ihnen zurück. Die schmale Gasse, durch die sie schritten, schien mit einer stummen, kalten Schicht Abscheu und Angst isoliert zu sein.

In vorderster Front stand Whitey Horgan. Er rauchte eine Zigarette. Er stand mit einem seiner Hush Puppies auf dem Gegenstand, den Müll vorher nicht richtig sehen konnte. Es war ein Kreuz aus Holz. Der vertikale Balken war etwa dreieinhalb Meter lang. Es sah wie ein linkisches kleines t aus.

»Alle da?« fragte Lloyd.

»Ja«, sagte Whitey. »Sieht so aus. Winky hat den Rundruf gestartet. Neun Leute sind nicht im Bundesstaat. Flagg hat gesagt, um die sollen wir uns nicht kümmern. Wie kommst du klar, Lloyd?«

»Mir geht's gut«, sagte Lloyd. »Na ja... gut nicht, aber ich werd's überstehen - du weißt schon.«

Whitey nickte in Richtung Mülleimermann. »Wieviel weiß der Junge?«

»Ich weiß gar nichts«, sagte der Mülleimermann verwirrter denn je. Hoffnung, Ehrfurcht und Grauen fochten einen dubiosen Kampf in ihm aus. »Was soll das? Jemand hat etwas über Heck gesagt...«

»Ja, es ist Heck«, sagte Lloyd. »Er hat Koks geschnüffelt. Scheißschlag, wie ich diese Scheißschläge hasse. Los doch, Whitey, sag ihnen, sie sollen ihn rausbringen.«

Whitey entfernte sich von Lloyd und Müll und trat dabei über ein rechteckiges Loch im Boden. Das Loch war mit Beton ausgeschalt. Es hatte gerade die richtige Größe und Tiefe, um das untere Ende des Kreuzes aufzunehmen. Als Whitney »Whitey« Horgan die breiten Stufen zwischen den Goldpyramiden hinaufging, spürte Müll, wie die ganze Spucke in seinem Mund austrocknete. Er drehte sich plötzlich um, zuerst zu der schweigenden Menge, die sichelförmig unter dem blauen Himmel wartete, dann zu Lloyd, der blaß und stumm dastand, das Kreuz betrachtete und an einem Pickel am Kinn klaubte.

»Du... wir... nageln ihn da dran?« brachte Mülleimermann schließlich heraus. »Geht es darum?«

Plötzlich griff Lloyd in die Tasche seines verblichenen Hemdes.

»Weißt du, ich hab' was für dich. Er hat es mir gegeben, damit ich es dir gebe. Ich kann dich nicht zwingen, es zu nehmen, aber es ist mein Glück, daß mir noch eingefallen ist, es dir überhaupt anzubieten. Möchtest du es?«

Er zog eine feine Goldkette aus der Brusttasche, an deren Ende ein schwarzer Gagat hing. Der Stein hatte einen roten Makel, wie der von Lloyd. Er ließ ihn vor den Augen des Mülleimermanns baumeln wie ein Hypnotiseur sein Amulett.

Die Wahrheit stand in Lloyds Augen zu lesen und war zu deutlich, als daß man sie nicht erkennen konnte; der Mülleimermann wußte, er konnte niemals weinen und hadern - nicht vor  ihm, nicht vor sonstwem, aber besonders nicht vor ihm - und behaupten, er hätte es nicht begriffen gehabt.  Nimm das und du nimmst alles, sagten Lloyds Augen. Und was gehört zu allem? Nun, selbstverständlich Heck Drogan. Heck und das betonierte Loch im Boden, das Loch, das gerade groß genug ist, daß der Stamm von Hecks Kreuz hineinpaßt.

Er griff langsam danach. Seine Hand verharrte, gerade bevor die ausgestreckten Finger die Goldkette berühren konnten.

Das ist meine letzte Chance. Meine letzte Chance, Donald Merwin Elbert zu sein.

Aber eine andere Stimme, die mit größerer Autorität sprach (aber mit einer gewissen Sanftheit, gleich einer kühlenden Hand auf einer fiebrigen Stirn), sagte ihm, daß die Entscheidung schon längst gefallen war. Wenn er sich jetzt für Donald Merwin Elbert entschied, würde er sterben. Er hatte den dunklen Mann aus freiem Willen gesucht (wenn es so etwas für die Mülleimermänner dieser Welt überhaupt gibt) und seine Hilfe angenommen. Der dunkle Mann hatte ihn davor bewahrt, von Kid ermordet zu werden (daß der dunkle Mann Kid eigens zu diesem Zweck  geschickt haben könnte, daran dachte der Mülleimermann gar nicht), und das bedeutete sicher, daß sein Leben jetzt dem dunklen Mann geschuldet war... dem Mann, den manche hier den Wandelnden Geck nannten. Sein Leben! Hatte er selbst es nicht immer wieder angeboten?

Aber  deine Seele...  hast du auch deine Seele angeboten?

Mitgefangen, mitgehangen, dachte der Mülleimermann und legte behutsam eine Hand um die Goldkette und die andere um den dunklen Stein. Der Stein war kalt und glatt. Er hielt ihn einen Moment in der Faust, um festzustellen, ob er warm werden würde. Aber Müll glaubte nicht, daß ihm das gelingen würde, und damit hatte er recht. Also legte er ihn um den Hals, wo er auf der Haut lag wie eine winzige Eiskugel.

Aber das eiskalte Gefühl machte ihm nichts aus.

Das eiskalte Gefühl war Ausgleich für das Feuer, das unablässig in seinem Innern loderte.

»Sag dir einfach, daß du ihn nicht kennst«, sagte Lloyd. »Heck, meine ich. So mache ich es immer. Das macht es leichter. Es...«

Zwei der breiten Hoteltüren gingen auf. Panische, entsetzte Schreie drangen zu ihnen herüber. Die Menge seufzte.

Neun kamen die Stufen herunter. Hector Drogan war in der Mitte. Er kämpfte wie ein Tiger im Netz. Sein Gesicht war totenbleich, abgesehen von den zwei hektischen roten Flecken auf den Wangenknochen. Schweiß floß ihm in Strömen von jedem Zentimeter Haut. Er war splitternackt. Fünf Männer hielten ihn. Einer war Ace High, der Junge, den Heck wegen seines Namens gehänselt hatte.

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