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»Stu Redman!« brüllte er in die Dunkelheit. »Hier ist Stu Redman!«

Er schluckte, und in seiner Kehle klickte es hörbar. »Wer ist denn da drüben?«

Dummes Zeug. Den kenn' ich doch sowieso nicht...

Aber die Stimme, die durch den Schnee herüberdrang, klang vertraut. »Stu? Stu Redman?«

»Tom Cullen ist auch hier... verdammt noch mal, schießen Sie bloss nicht!«

»Ist das vielleicht ein Trick?« Die Stimme schien Überlegungen anzustellen.

»Es ist kein Trick! Tom, sag was.«

»Hallo«, sagte Tom gehorsam.

Eine Pause. Der Schnee wirbelte um sie herum, und der Sturm kreischte. Dann rief der Posten (ja, die Stimme klang vertraut): »Stu hatte in seiner alten Wohnung ein Bild an der Wand hängen. Was war das für ein Bild?«

Stu überlegte fieberhaft. Er hatte dauernd nur das Geräusch beim Durchladen im Kopf. Mein Gott, dachte er, ich stehe hier im Schneesturm und muß mir überlegen, was für ein Bild im Zimmer meiner alten 'Wohnung hängt - in meiner alten Wohnung hat er gesagt. Fran muß also zu Lucy gezogen sein. Lucy hat sich über das Bild immer lustig gemacht. Sie sagte immer, John Wayne wartet schon auf diese Indianer, man sieht ihn nur nicht...

»Ein Bild von Frederic Remington!« Er brüllte, so laut er konnte. »Es heißt >Auf dem Kriegspfad<!«

»Stu!« brüllte die Wache zurück. Ein schwarzer Schatten löste sich aus dem Schnee und rannte auf sie zu, wobei er dauernd in Gefahr war, auszurutschen und auf die Nase zu fallen. »Ich kann es einfach nicht glauben...«

Dann stand er vor ihnen, und Stu erkannte Billy Gehringer, der ihnen im letzten Sommer mit seinen Amokfahrten so viel Ärger gemacht hatte.

»Stu! Tom! Und Kojak auch noch! Wo sind Glen Bateman und Larry? Wo ist Ralph?«

Stu schüttelte müde den Kopf. »Weiß nicht. Wir müssen aus der Kälte raus, Billy. Wir erfrieren.«

»Klar, der Supermarkt ist gleich da hinten. Ich hole Norm Kellogg...

Harry Dunbarton... Dick Ellis... ach, Scheiße, ich werde die ganze Stadt wecken! Das ist ja wunderbar! Ich kann's nicht glauben!«

»Billy...«

Als Billy Gehringer sich abwandte, packte Stu ihn an der Schulter.

»Billy, Fran sollte ein Baby bekommen...«

Bill wurde ganz still. Dann flüsterte er: »Scheiße, daran habe ich überhaupt nicht mehr gedacht.«

»Hat sie es schon?«

»George. George Richardson kann es dir sagen, Stu. Oder Dan Lathrop. Das ist unser neuer Arzt. Er kam ungefähr vier Wochen nachdem ihr weggegangen wart. Er ist eigentlich Hals-Nasen-OhrenArzt, aber er ist sehr g...«

Stu schüttelte Billy kurz und schnitt damit sein beinahe hektisches Gebrabbel ab.

»Stimmt was nicht?« fragte Tom. »Stimmt was nicht mit Frannie?«

»Sag's mir, Billy«, sagte Stu. »Bitte.«

»Mit Fran ist alles in Ordnung«, sagte Billy.

»Hat man dir das nur erzählt?«

»Nein, ich hab' sie selbst gesehen. Ich und Tony Donahue sind zusammen raufgegangen. Wir hatten ein paar Blumen aus dem Treibhaus mit. Das Treibhaus ist Tonys Projekt, er baut da alles mögliche an, nicht nur Blumen. Der einzige Grund, warum sie noch im Krankenhaus ist... sie hatte eine, wie nennt man das noch... eine Operation...«

»Einen Kaiserschnitt?«

»Ja, richtig, denn das Baby kam verkehrt. Aber keine Sorge. Drei Tage nach der Geburt haben wir sie besucht, das war am siebten Januar, vor zwei Tagen. Wir brachten ihr ein paar Rosen. Wir dachten, sie könnte eine kleine Aufmunterung gebrauchen, weil...«

»Das Baby gestorben ist?« fragte Stu bedrückt.

»Es ist nicht tot«, sagte Billy. »Noch nicht«, fügte er dann widerwillig hinzu.

Stu fühlte sich plötzlich weit weg. Er fiel ins Leere. Er hörte Gelächter... und das Heulen von Wölfen...

Ganz rasch sprach Billy weiter: »Es hat die Grippe. Es hat Captain Trips. Das ist das Ende für uns alle, sagen die Leute. Frannie kriegte ihr Kind am vierten, ein Junge, ungefähr sechs Pfund, und zuerst war er okay, und ich glaube, alle in der Zone haben sich besoffen, Dick Ellis sagte, es war wie Pfingsten und Weihnachten an einem Tag, und dann am sechsten hat... hat er es dann einfach gekriegt. Ja, Mann«, sagte Billy, und seine Stimme klang belegt. »Er hat es, o Scheiße, ist das vielleicht ein schöner Empfang für dich, Stu, es tut mir so verdammt leid, Stu...«

Stu streckte die Hände aus, packte Billy an den Schultern und zog ihn näher heran.

»Zuerst sagten alle, vielleicht geht's ihm bald wieder besser, vielleicht ist das nur 'ne gewöhnliche Grippe... oder Bronchitis... vielleicht Diphtherie... aber die Ärzte sagen, daß Neugeborene so was nie kriegen. Es ist wie eine natürliche Immunität, weil sie so klein sind. Und George und Dan haben im letzten Jahr so viel von der Supergrippe gesehen...«

»Verdammte Scheiße«, murmelte Stu. Er wandte sich von Billy ab und humpelte die Straße hinunter.

»Stu, wohin willst du?«

»Ins Krankenhaus«, sagte Stu. »Zu meiner Frau.«

76

Fran lag wach, und eine Leselampe brannte. Die Lampe warf einen hellen Lichtkreis auf die linke Seite der sauberen Bettwäsche, unter der Fran lag. In diesem Lichtkreis lag mit dem Titel nach unten ein Roman von Agatha Christie. Fran war wach, aber sie versank langsam in den Zustand, wo Erinnerungen auf magische Weise klar werden, wenn sie beginnen, in Träume überzugehen.

Sie wollte ihren Vater begraben. Was später geschah, spielte keine Rolle, aber sie mußte sich aus ihrem Schock so weit lösen, um dies tun zu können. Wenn es getan war, konnte sie sich ein Stück Erdbeer-Rhabarber-Kuchen abschneiden. Es würde ein großes, ein saftiges Stück sein, und es würde sehr, sehr bitter schmecken. Marcy war vor einer halben Stunde hier gewesen, um nach ihr zu sehen, und Fran hatte gefragt: »Ist Peter schon tot?« Und sogar als sie sprach, schien sich die Zeit zu verdoppeln, so daß sie nicht sicher war, ob sie Peter das Baby meinte oder den Großvater des Babys, der auch Peter hieß und schon lange tot war.

»Pssst, ihm geht es gut«, hatte Marcy gesagt, aber Frannie hatte die richtige Antwort in Marcys Augen gesehen. Das Baby, das sie von Jess Rider bekommen hatte, war gerade im Begriff, irgendwo hinter vier Glaswänden zu sterben. Vielleicht würde Lucys Baby mehr Glück haben; beide Eltern waren gegen Captain Trips immun gewesen. Die Zone hatte ihren Peter jetzt abgeschrieben, und die Hoffnung aller galt den Frauen, die nach dem ersten Juli des letzten Jahres empfangen hatten. Es war brutal, aber völlig verständlich. Ihr Geist schwebte an der Grenze zwischen Wachen und Schlaf über das Terrain ihrer Vergangenheit und die Landschaft in ihrem Herzen hinweg. Sie dachte an den Salon ihrer Mutter, wo die Jahreszeiten in einem trockenen Zeitalter vorüberzogen. Sie dachte an Stus Augen und daran, wie sie ihr Baby Peter Goldsmith-Redman zum ersten Mal gesehen hatte. Sie träumte, daß Stu bei ihr im Zimmer war.

»Fran?«

Nichts war so gekommen, wie es hätte kommen sollen. Alle Hoffnungen hatten getrogen. Sie waren so falsch gewesen wie diese audioanimatronischen Tiere in Disney World, nur ein Haufen Uhrwerk, ein Trugbild, eine falsche Dämmerung, eine falsche Schwangerschaft, eine...

»He, Frannie.«

Im Traum sah sie, daß Stu wiedergekommen war. Er stand an der Tür des Zimmers und trug einen riesigen Fellparka. Noch ein Trugbild. Aber im Traum hatte Stu einen Bart. War das nicht komisch?

Sie fragte sich, ob es überhaupt ein Traum war, als sie Tom Cullen hinter ihm stehen sah. Und... war das nicht Kojak, der neben Stu saß?

Plötzlich fuhr sie sich mit der Hand an die Wangen und kniff so kräftig hinein, daß ihr die Tränen kamen. Nichts änderte sich.

»Stu?« flüsterte sie. »O mein Gott, bist du's, Stu?«

Sein Gesicht war tief gebräunt, außer der Haut um die Augen, die eine Sonnenbrille bedeckt haben mochte. Kann man solche Einzelheiten träumen?

Sie kniff sich noch einmal.

»Ich bin's«, sagte Stu und trat ins Zimmer. »Hör auf, dich zu quälen, Schatz.« Er humpelte so stark, daß er fast stürzte. »Frannie, ich bin wieder zu Hause.«

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