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Als er neben mir kniete und sagte: »Ist dir auch nichts passiert, Baby?«, fing ich an zu kichern. Wiederholt sich die Geschichte nicht tatsächlich? Aber es war nicht nur das Komische an der ganzen Sache, weißt du. Wenn das alles gewesen wäre, hätte ich mir das Kichern verkneifen können. Nein, es war mehr in der Gegend der Hysterie. Die schrecklichen Träume, die Angst um mein Baby, was ich mit meinen Gefühlen für Stu anfangen sollte, das tägliche Fahren, die Krämpfe, das Wundscheuern, der Verlust meiner Eltern, das alles schien plötzlich nicht mehr so schlimm... zuerst machte es sich durch Kichern Luft, dann durch hysterisches Gelächter, mit dem ich einfach nicht mehr aufhören konnte.

»Was ist so komisch?« fragte Harold und stand auf. Er hatte es wohl in seinem gewohnten selbstgerechten Ton sagen wollen, aber in diesem Augenblick dachte ich schon nicht mehr an Harold, sondern hatte dieses verrückte Bild von Donald Duck im Kopf. Donald Duck, der durch die Trümmer der westlichen Zivilisation watschelt und wütend quakt: Was ist so komisch, he? Was ist so verdammt komisch?Ich schlug die Hände vors Gesicht & kicherte & schluchzte & kicherte, bis Harold mich für total verrückt gehalten haben muß. Nach einer Weile konnte ich aufhören. Ich wischte mir die Tränen vom Gesicht und wollte Harold bitten nachzuschauen, wie schlimm ich mich am Rücken aufgeschürft hatte. Aber ich ließ es sein, weil ich fürchtete, er würde sich FREIHEITEN herausnehmen. Leben, Freiheit und das Streben nach Frannie, oh-ho, das ist nicht komisch.

»Fran«, sagte Harold, »es fällt mir schwer, das zu sagen.«

»Dann solltest du es vielleicht nicht sagen«, sagte ich.

»Ich muß«, antwortete er, und ich sah allmählich ein, daß er kein Nein akzeptieren würde, es sei denn, ich hätte ihn angeschrien.

»Frannie«, sagte er, »ich liebe dich.«

Ich hatte wohl die ganze Zeit gewußt, daß es so schwärmerisch war. Es wäre leichter gewesen, wenn er nur mit mir hätte schlafen wollen. Liebe ist gefährlicher als bloßes Bumsen, und ich steckte in der Klemme. Wie sollte ich nein zu Harold sagen? Ich schätze, es gibt nur eine Methode, ganz gleich, wem man es sagen muß.

»Ich liebe dich nicht, Harold«, sagte ich.

Seine Gesichtszüge entgleisten. »Er ist es, nicht wahr?« sagte er, und jetzt wurde sein Gesicht zu einer häßlichen Fratze. »Es ist Stu Redman, nicht wahr?«

»Ich weiß es nicht«, sagte ich. Ich habe ein Temperament, das ich leider nicht immer zügeln kann - das habe ich von meiner Mutter, glaube ich. Bei Harold allerdings habe ich mir bewundernswerte Mühe gegeben. Aber ich merkte, wie es an seinen Zügeln zerrte.

»Ich weiß.« Seine Stimme war schrill und voller Selbstmitleid. »Ich weiß schon. Ich wußte es schon am ersten Tag, als wir ihn trafen. Ich wollte nicht, daß er mitkommt, weil ich es wußte. Und er hat gesagt...«

»Was hat er gesagt?«

»Daß er dich nicht will! Daß du mir gehören kannst!«

»Als hätte er dir ein neues Paar Schuhe geschenkt, richtig, Harold?«

Er antwortete nicht; vielleicht weil ihm klar wurde, daß er zu weit gegangen war. Mit etwas Mühe erinnerte ich mich an den Tag in Fabyan. Harolds erste Reaktion auf Stu war die eines Hundes gewesen, wenn ein neuer Hund, ein fremder Hund, ins Revier des ersten Hundes kommt. In sein Revier. Ich konnte fast sehen, wie sich Harolds Nackenhärchen aufstellten. Mir wurde klar, was Stu gesagt hatte; er hatte es gesagt, um uns aus der Gattung der Hunde herauszuholen und wieder in die Gattung der Menschen zu bringen. Und geht es nicht ganz genau darum? Ich meine, bei diesem unvorstellbaren Kampf, in den wir gerade verwickelt sind? Wenn nicht, warum machen wir uns dann überhaupt erst die Mühe und versuchen, uns zivilisiert zu benehmen?

»Ich gehöre niemandem, Harold«, sagte ich.

Er murmelte etwas.

»Was?«

»Ich sagte, du wirst deine Meinung vielleicht ändern müssen.«

Mir fiel eine scharfe Erwiderung ein, aber ich sprach sie nicht aus. Harolds Augen blickten in die Ferne; sein Gesicht war sehr still und ausdruckslos. Dann sagte er: »Ich kenne den Typ schon lange. Das kannst du mir glauben, Frannie. Der Kerl ist Quarterback der Footballmannschaft, sitzt aber im Unterricht nur da, schießt Krampen und zeigt Leuten den Vogel, weil er weiß, der Lehrer muß ihm mindestens eine 3 geben, damit er in der Schulmannschaft weiterspielen kann. Der Typ geht fest mit der hübschesten Cheerleaderin, und sie hält ihn für Jesus Christus persönlich. Der Typ, der furzt, wenn der Englischlehrer dich bittet, deinen Aufsatz vorzulesen, weil es der beste der ganzen Klasse ist. O ja, ich kenne Pisser wie ihn. Viel Glück, Fran.«

Dann ging er einfach davon. Ich bin ziemlich sicher, es war nicht der GROSSE DONNERNDE ABGANG, den er wollte. Es war mehr so, als hätte er einen geheimen Traum gehabt, in den ich gerade jede Menge Löcher geschossen hatte - den Traum, daß sich alles geändert hatte, aber in Wahrheit hatte sich gar nichts geändert. Bei Gott, er tat mir schrecklich leid, denn als er wegging, da spielte er nicht den ermatteten Zyniker, sondern er empfand ECHTEN Zynismus, und auch nicht ermattet, sondern scharf & verletzend wie eine Messerklinge. Er war geprügelt. Aber Harold wird nie begreifen, daß er zuerst seinen Kopf etwas verändern muß, daß die Welt immer gleichbleiben wird, solange er gleichbleibt. Er hortet Maßregelungen, wie Piraten angeblich Schätze horten...

Nun gut. Jetzt sind alle wieder da, das Essen ist verzehrt, Zigaretten geraucht, Veronal ausgegeben (meins ist in meiner Tasche, statt sich in meinem Magen aufzulösen), alle richten sich für die Nacht ein. Harold und ich haben eine schmerzliche Konfrontation hinter uns, aber ich habe das Gefühl, daß sich nichts wirklich aufgeklärt hat und daß er Stu und mich beobachtet, um zu sehen, was als nächstes passieren wird. Es macht mich krank und unnötig wütend, das zu schreiben. Welches Recht hat er, uns zu beobachten? Welches Recht hat er, diese erbärmliche Situation, in der wir uns befinden, noch zu verkomplizieren ?

Zur Erinnerung:Tut mir leid, Tagebuch. Muß an meiner Verfassung liegen. Ich kann mich an überhaupt nichts mehr erinnern.

Als Frannie ihn fand, saß Stu auf einem Stein und rauchte eine Zigarre. Er hatte mit dem Absatz ein kleines rundes Loch in den Boden gescharrt und benutzte es als Aschenbecher. Er sah nach Westen, in den Sonnenuntergang. Die Wolken waren gerade so weit aufgerissen, daß die rote Sonne den Kopf durchstrecken konnte. Obwohl Frannie und die anderen die vier Frauen erst gestern getroffen und in ihre Gemeinschaft aufgenommen hatten, schien es schon lange zurückzuliegen. Sie hatten einen der Kombiwagen ohne große Mühe aus dem Straßengraben geschoben, und jetzt waren sie mit den Motorrädern schon eine ziemliche Karawane, die auf der Mautstraße langsam nach Westen fuhr.

Der Geruch des Zigarrenrauchs ließ Frannie an ihren Vater und dessen Pfeife denken. Mit dieser Erinnerung kam der Kummer, der schon fast zu Nostalgie abgeschwächt war. Ich komme darüber hinweg, daß ich dich verloren habe, Daddy, dachte sie. Ich glaube, es macht mir nichts aus.

Stu drehte sich um. »Frannie«, sagte er aufrichtig erfreut. »Wie geht es dir?«

Sie zuckte die Achseln. »So einigermaßen.«

»Willst du dich zu mir auf den Stein setzen und den Sonnenuntergang betrachten?«

Sie setzte sich zu ihm, und ihr Herz klopfte ein wenig schneller. Aber warum war sie sonst hergekommen? Sie hatte gewußt, in welcher Richtung er das Lager verlassen hatte, wie sie gewußt hatte, dass Harold und Glen und zwei der Mädchen nach Brighton gefahren waren, um ein CB-Funkgerät aufzutreiben (zur Abwechslung Glens und nicht Harolds Idee). Patty Kroger war im Lager und machte Babysitter bei ihren kampfesmüden Patientinnen. Shirley Hammett schien allmählich aus ihrer Lethargie zu erwachen, aber heute morgen hatte sie alle anderen aufgeweckt, weil sie im Schlaf geschrien und mit den Händen abwehrend in der Luft herumgefuchtelt hatte. Die andere Frau, die ohne Namen, schien sich in die andere Richtung zu entwickeln. Sie saß nur da. Sie aß, wenn sie gefüttert wurde. Sie führte die Ausscheidungsfunktionen aus. Sie beantwortete keine Fragen. Nur im Schlaf wurde sie richtig wach. Selbst mit einer großen Dosis Veronal stöhnte sie häufig und kreischte manchmal. Frannie glaubte ziemlich sicher zu wissen, wovon die arme Frau träumte.

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