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»Dayna kam zur Überzeugung, daß ihr unsere Chance sein könntet«, sagte Patty. »Oder vielleicht unsere letzte Chance. Es waren drei Männer in eurer Gruppe - das hatten sie und Heien Roget gesehen. Drei bewaffneteMänner. Und Doc war ein wenig zu selbstsicher geworden, was den Trick mit dem umgestürzten Wohnwagen auf der Straße anbelangt. Doc benahm sich einfach wie ein Beamter, und die Männer der Gruppen, denen sie begegneten - sofern überhaupt Männer dabeiwaren -, fügten sich einfach. Und wurden erschossen. Das funktionierte wie Zauberei.«

»Dayna hat uns gebeten zu versuchen, die Tabletten heute morgen nicht zu nehmen«, fuhr Susan fort. »Doc und die anderen achteten nicht mehr so genau darauf, ob wir sie wirklich nahmen, und wir wußten, heute morgen würden sie damit beschäftigt sein, den großen Wohnwagen auf die Straße zu schleppen und umzukippen. Wir haben es nicht allen gesagt. Nur Dayna und Patty und Heien Roget waren eingeweiht... eins der Mädchen, das Ronnie erschossen hat. Und natürlich ich. Heien sagte: >Wenn sie uns dabei erwischen, wie wir die Tabletten in die Handflächen spucken, bringen sie uns um.< Und Dayna sagte, früher oder später würden sie uns sowieso umbringen. Wenn wir Glück hatten, früher. Das war uns allen klar. Also haben wir es gemacht.«

»Ich mußte meine Tablette eine ganze Weile im Mund behalten«, sagte Patty. »Als ich sie endlich ausspucken konnte, hatte sie schon angefangen, sich aufzulösen.« Sie sah Dayna an. »Ich glaube, Helen mußte ihre sogar tatsächlich schlucken. Darum war sie so langsam.«

Dayna nickte. Sie betrachtete Stu mit einer Zuneigung, die Frannie unbehaglich stimmte. »Es hätte trotzdem nicht funktioniert, wenn du nicht so schnell geschaltet hättest, Großer.«

»Sieht so aus, als hätte ich längst nicht schnell genug geschaltet«, sagte Stu. »Aber nächstes Mal.« Er stand auf, ging zum Fenster und sah hinaus. »Wißt ihr, das ist auch etwas, was mir angst macht«, sagte er. »Wie schnell wir alle schalten.«

Fran gefiel noch weniger, wie verständnisvoll Dayna ihm nachsah. Nach allem, was sie durchgemacht hatte, hatte Dayna kein Recht, verständnisvoll dreinzublicken. Und sie ist trotz allem viel hübscher als ich, dachte Fran. Und ich bezweifle, daß sie schwanger ist.

»In dieser Welt muß man schnell schalten, Großer«, sagte Dayna.

»Schnell schalten oder sterben.«

Stu drehte sich zu ihr um und sah sie zum ersten Mal wirklich an, und Frannie verspürte einen Stich unverhohlenster Eifersucht. Ich habe zu lange gewartet,dachte sie. Mein Gott, das habe ich, ich habe dagesessen und zu lange gewartet.

Sie sah zu Harold und stellte fest, daß Harold verhalten lächelte - hinter vorgehaltener Hand, damit man es nicht sah. Es sah wie ein erleichtertes Lächeln aus. Ihr war zumute, als müßte sie aufstehen, ganz beiläufig zu Harold gehen und ihm mit den Fingernägeln die Augen auskratzen.

Niemals, Harold! würde sie schreien, während sie das tat. Niemals!

Niemals?

Aus Fran Goldsmiths Tagebuch

11. Juli 1990

O Gott. Schlimmer hätte es nicht kommen können. In Romanen geschieht etwas, aber dann ist es auch vorbei, oder irgend etwas ändert sich. Aber im wirklichen Leben scheint es immer weiterzugehen, wie bei einer Familienserie, wo es nie zu einem Finale kommt. Vielleicht sollte ich jetzt etwas unternehmen, um die Dinge zu klären, es einfach riskieren, aber ich habe solche Angst, daß zwischen den beiden etwas passieren könnte und. Man kann einen Satz nicht mit »und« beenden, aber ich habe Angst davor, was nach der Konjunktion kommen könnte.

Laß mich dir alles erzählen, liebes Tagebuch, obwohl es wirklich keinen Spaß macht, es aufzuschreiben. Ich denke nicht mal gern daran.

Glen und Stu fuhren kurz vor Anbrach der Dämmerung in die Stadt (es handelt sich um Girard, Ohio) und wollten Lebensmittel besorgen, möglichst Nahrungskonzentrate oder gefriergetrocknete Sachen. Die sind leicht zu transportieren, und einige Konzentrate schmecken echt lecker, aber was mich betrifft, hat das ganze gefriergetrocknete Essen den gleichen Geschmack, nämlich wie getrocknete Truthahnkacke. Und wann hat man schon getrocknete Truthahnkacke gegessen, um mal einen Vergleich zu bringen? Vergiß es, Tagebuch, es gibt Dinge, über die man nie spricht, ha-ha.

Die anderen fragten Harold und mich, ob wir mitkommen wollten, aber ich sagte, ich hätte für heute die Nase voll vom Motorradfahren, und ob sie ohne mich auskommen könnten, und Harold sagte nein, er wolle Wasser holen und es abkochen. Wahrscheinlich heckte er schon einen Plan aus. Es tut mir leid, daß ich ihn so ränkeschmiedend darstelle, aber Tatsache ist, er ist es nun einmal.

Dazu eine Anmerkung: Wir alle haben gekochtes Wasser bis über beide Ohren satt, weil es schal und völlig SAUERSTOFFARM schmeckt, aber Mark und Glen sagen, die Fabriken usw. sind noch nicht lange genug außer Betrieb, daß sich die Bäche und Flüsse von selbst wieder gereinigt hätten, besonders im industrialisierten Norden und dem, wie man so sagt, Rostgürtel, daher kochen wir es ab, weil es sicherer ist. Wir hoffen alle, daß wir früher oder später einen großen Vorrat Mineralwasser in Flaschen finden, was eigentlich schon der Fall hätte sein müssen - sagt Harold -, aber ein Großteil scheint auf geheimnisvolle Weise verschwunden zu sein. Stu glaubt, viele Menschen haben gedacht, daß Leitungswasser sie krank macht, und darum haben sie viel Mineralwasser getrunken, bevor sie gestorben sind.

Nun, Mark und Perion waren irgendwo unterwegs, wahrscheinlich auf der Suche nach wilden Beeren als Abwechslung unseres Speisezettels, aber möglicherweise haben sie auch etwas anderes gemacht - sie sind ziemlich bescheiden deswegen & schüchtern, sage ich -, daher suchte ich zuerst Holz für ein Feuer und zündete dann eins für Harolds Kessel an... und etwas später kam er damit zurück (er war offenbar lange genug am Bach geblieben, ein Bad zu nehmen und sich das Haar zu waschen). Er hängte den Eimer ans Wie-heißt-es-doch-gleich über dem Feuer. Dann kommt er rüber & setzt sich neben mich.

Wir saßen auf einem Baumstamm und sprachen über dies und das, als er plötzlich den Arm um mich legte und versuchte, mich zu küssen. Ich sage versuchte, aber es gelang ihm tatsächlich, zumindest anfangs, weil ich so überrascht war. Dann riß ich mich von ihm los - im Rückblick wirkt es ziemlich komisch, obwohl mir noch alles weh tut - und fiel rückwärts vom Stamm runter. Der Rücken meiner Bluse ist zerrissen, und ich habe mir schätzungsweise einen Quadratmeter Haut abgeschürft. Ich stiess einen Schrei aus. Da wir schon davon gesprochen haben, daß sich die Geschichte wiederholt... das erinnert mich zu sehr an das Gespräch mit Jess auf dem Wellenbrecher, als ich mir auf die Zunge gebissen hatte... so sehr, daß es nicht tröstlich war. Innerhalb eines Augenblicks ist Harold neben mir auf den Knien, fragt, ob alles in Ordnung ist, und wird rot bis unter die frischgewaschenen Haarwurzeln. Harold versucht manchmal, so eiskalt zu sein, so gebildet - er kommt mir immer vor wie ein erschöpfter junger Schriftsteller, der ununterbrochen nach dem speziellen Traurigen Cafe am Westufer sucht, wo er den ganzen Tag sitzen und herumtrödeln, sich über Jean Paul Sartre unterhalten und billigen Fusel kippen kann - aber darunter verbirgt sich, gut versteckt, ein Teenager mit weit weniger reifen Phantasien. Glaube ich wenigstens. Hauptsächlich Phantasien aus Samstagsmatineen: Errol Flynn in Captain from Castile, Humphrey Bogart in Dark Passage, Steve McQueen in Bullitt. In Streßzeiten scheint immer diese Seite von ihm zum Vorschein zu kommen, vielleicht, weil er sie als Kind zu sehr unterdrückt hat, ich weiß nicht. Wie auch immer, wenn er versucht, einen auf Bogie zu machen, dann erinnert er mich immer nur an den Typen, der Bogie in Woody Allans Film Mach's noch einmal, Samgespielt hat.

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