Литмир - Электронная Библиотека

Die Wasseroberfläche war nun mit dahinziehenden Wolken von Pulverqualm bedeckt, und die Luft dröhnte von dem fast unaufhörlichen Geheul und anschließendem Einschlag der schweren Eisenkugeln.

Während einer kurzen Feuerpause hörte Bolitho ein tieferes, gewaltigeres Geräusch, das unter der Wasseroberfläche entlangzulaufen und den Kiel seines Schiffes anzuheben schien.

Grubb ging zur Logkladde.»Schätze, daß die Flotte jetzt angreift,

Sir.»

Wolfe wandte sich um und lächelte grimmig.»Wird auch verdammt Zeit, Mr. Grubb! Ich habe es satt, immer das Hauptziel zu sein.»

Ein Ruck lief durch den Schiffsrumpf, als eine Kugel tief unten in der Bilge einschlug. Bolitho hörte, wie der Bootsmann einige seiner Reserveleute zur Hilfeleistung hinunterschickte.

«Lookout ist in Schwierigkeiten, Sir!»

Bolitho schaute hinüber zur Korvette und erstarrte, als er ihren

Fockmast umsinken sah, während allerlei Trümmer an ihrer Gefechtsseite außenbords herumhingen. Die Galeeren kamen ihr immer näher und hämmerten so schnell sie nachladen konnten mit ihren Kanonen auf sie ein. Eine war zu waghalsig gewesen und wurde wie ein Jagdhund vom verfolgten Eber hochgeworfen. Menschen und Riemen fielen aus ihrem zertrümmerten Rumpf ins Wasser, bevor er selber versank.

Irgend jemand rief: «Styx hat zwei von ihnen geknackt!»

Schreie und Flüche kamen von unten, als eine weitere schwere Kugel wie ein Rammbock die Bordwand durchschlug.

Bolitho hörte Wolfe durch sein Sprachrohr kommandieren:»Geschützführer in der Aufwärtsbewegung feuern!»

Die Männer der oberen Batterie warteten in Hockstellung wie Statuen, blind und taub gegen alles außer dem Befehl zum Feuern.

Wolfe schrie:»Feuer!»

Bolitho beobachtete den führenden dänischen Zweidecker. Der Mund wurde ihm trocken, als die gesammelte Ladung von Schrapnells und Stangenkugeln durch die Takelage des Gegners fegte. Erst kamen Segel und allerlei Tauwerk, dann die Stenge des Großmastes selber wie eine alles vernichtende Lawine von oben. Mit den Stangenkugeln — Massen von halbkugeligen Eisenstücken, die durch kurze Stangen miteinander verbunden waren — ließ es sich schlecht zielen, aber wenn sie trafen, dann konnten sie die Takelage eines feindlichen Schiffes in Sekunden zu Fetzen zerreißen.

Der Erfolg der Breitseite ermutigte die Geschützbedienungen, die von der überlegenen Taktik und Beweglichkeit der Dänen etwas eingeschüchtert waren. Sie wischten ihre Kanonenrohre aus, schufteten und fluchten in dem undurchdringlichen Pulverqualm wie die Dämonen, während ihnen der Schweiß trotz der Kälte an Armen und Rük-ken herunterrann.

«Feuer!»

Bolitho ging weiter nach achtern — die Augen fest auf das führende Schiff gerichtet, das unter dem mörderischen Feuer der Benbow nach Lee abtrieb.

Jetzt zahlten sich die Wochen und Monate harten Drills seiner Geschützbedienungen aus. Nur ein paar ferne Wassersäulen zeugten von Fehlschüssen, die meisten aber — ob Kugeln oder Stangen — fanden ihr Ziel. Die vordere Bramstenge des Dänen fiel und drehte sich dabei wie betrunken, als sie mit dem Zug der Wanten und Stage kämpfte, bevor sie mit Donnergetöse und in einem riesigen Wasserschwall über die Seite fiel.

Die Benbow steckte einen weiteren Treffer ein, der von irgendwoher voraus kam, und Bolitho bemerkte zwei Galeeren, die auf das Schiff zuhielten und dabei, so schnell sie konnten, feuerten. Sein Herz krampfte sich zusammen, als er die Lookout jenseits des wogenden Qualms sah. Ihr Kreuzmast war verschwunden, und sie trieb dahin, hilflos dem Bombardement der Galeeren ausgesetzt; nur noch einige ihrer Kanonen antworteten.

«Versuchen Sie, diese Galeeren mit den Buggeschützen zu erwischen!»

Bolitho fühlte, wie ihn der große Zorn packte: kein Zorn aus Verzweiflung oder Enttäuschung, sondern etwas viel Schlimmeres, das sein Inneres wie ein Schraubstock packte, als er auf die kämpfenden Schiffe ringsum sah.

Plötzlich war ihm alles klar: die Bemühungen Admiral Damerums, ihn und sein Geschwader hierher zu schicken. Sein Versuch, Pascoe durch einen bezahlten Duellanten töten zu lassen. Und nun dies. Doch die plötzliche Drohung einer Niederlage hatte eher anspornende als umgekehrte Wirkung.

«Signal an Nicator: Sie soll das andere Linienschiff angreifen!«Er fühlte, wie Metall über seinen Kopf hinwegpfiff und krachend in die Hütte einschlug. »Styx soll Nicator und Odin unterstützen!»

Er wandte sich nach den nächststehenden Galeeren um, während der dänische Zweidecker hilflos achteraus trieb und von der Indomitable, die ihre Position hinter dem Flaggschiff hielt, behämmert wurde.

«Volle Breitseite, Thomas. Wir ändern Kurs nach Steuerbord und schießen nach beiden Seiten. «Er beobachtete, wie die Nicator und dann die Odin sein Signal bestätigten, und befahl dann:»Neuer Kurs Ostnordost!»

Männer rannten von der einen auf die andere Seite, als beide Batterien sich auf die nächste Salve vorbereiteten.

Bolitho rief:»Wir müssen uns sehr beeilen, sonst sind die Galeeren aus unserem Bestreichungswinkel heraus, bevor wir sie richtig ins Visier bekommen haben.»

Durch die Drehung nach Lee und damit weg von dem übriggebliebenen feindlichen Zweidecker schien es, als wolle die Benbow sich aus dem Kampf zurückziehen. Indem er Keen und Inch befohlen hatte, den Rest der feindlichen Formation anzugreifen, ging er das Risiko ein, sie und alle von ihnen Befehligten zu opfern.

Aber er mußte unbedingt die beiden Galeeren vernichten und das Selbstvertrauen der übrigen untergraben, sonst wurde sein ganzes Geschwader von ihnen überwältigt. Auf Damerum würde dadurch kein schlechtes Licht fallen, denn das Ostsee-Geschwader hatte dann eben seine Aufgabe in der Selbstaufopferung erfüllt. Nelson stand vor den Toren Kopenhagens, und weder die Galeeren noch sonst jemand konnte das noch verhindern.

Bolitho sah Pascoe zwischen den Kanonen auf und ab gehen. Sein geborgter Hut war verschwunden, und das schwarze Haar fiel ihm ins Gesicht, als er mit einigen Matrosen sprach. Er hatte den Schock seines Erlebnisses offenbar noch nicht überwunden, denn selbst auf die Entfernung einer ganzen Deckslänge fiel Bolitho auf, wie unnatürlich steif sich sein Neffe hielt.

Er hörte Herrick Wolfe und Grubb seine Absicht erklären, sah Matrosen an die Brassen eilen und zu den durchlöcherten Segeln aufschauen.

«Achterdecksmannschaft, Achtung!»

Weitere Treffer erschütterten das Schiff, aber in der allgemeinen Spannung schrie niemand auf.

Die Geschützbedienungen standen an ihren Vorholtaljen bereit, die Stückmeister hielten die Abzugsleinen in der Hand und ihr Ziel im Auge.

«Jetzt! Ruder hart Steuerbord! Hol' die Backbord, fier die Steuerbordbrassen! Fiert rund, Jungs!»

Bolitho spürte, wie das Deck sich seitlich neigte, sah eine umgestürzte Pütz ihr Wasser über das Deck ergießen, als die Benbow wieder einmal gehorsam den Befehlen ihrer Herren folgte.

«Die Galeeren formieren sich neu, Sir!«Browne hatte es geschafft, sich durch den Pulverqualm der unaufhörlich feuernden Oberdecksgeschütze verständlich zu machen.

Bolitho trat an die Finknetze und sah, wie die Nicator und Odin sich dem zweiten dänischen Schiff näherten. Galeeren umschwärmten sie und wurden mit gleichmäßigen Ruderschlägen mit Vorwärts- oder Rückwärtsfahrt so vorzüglich geführt, als ob sie mit ihren Kanonen zu einer Einheit zusammengewachsen wären.

Rauch drang seitlich aus der Hütte der Odin, aber Keens Nicator feuerte unbeirrt auf Kernschußweite auf ihren Widersacher. Als wieder eine volle Breitseite in das dänische Schiff einschlug, schien es, als würde es wie von einer gewaltigen Welle umgeworfen.

Die Kursänderung hatte die Benbow nicht nur von ihrem Geschwader entfernt, sondern hatte sie auch zwischen den Galeeren isoliert. Ihre erste geschlossene Breitseite nach dem Abdrehen hatte die Galeeren total überrascht. Sieben von ihnen waren gesunken oder bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Menschen strampelten zwischen treibenden Holzplanken und zerbrochenen Spieren. Bolitho nahm an, daß einige davon Überlebende der Lookout waren, die untergegangen war, ohne daß jemand es beobachtet hatte.

69
{"b":"113328","o":1}