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«Das kannst du noch nicht. Du glaubst, dein Vater sei ein Verräter gewesen und in Schande gestorben. «Er drehte sich, den plötzlichen Schmerz mißachtend, abrupt um und sagte sehr deutlich:»Der Steuermannsmaat auf der Hyperion, der angebliche Mr. Selby, der sein Leben verlor, als er deines rettete, war Hugh, dein Vater.»

Pascoe prallte zurück, als hätte Bolitho ihn geschlagen. Doch bevor er etwas sagen konnte, fuhr dieser umbarmherzig fort:»Ich glaubte, damit sei alles begraben und vergessen. Hugh hatte bis dahin nichts von deiner Existenz gewußt, aber als er es erfuhr, war er sehr stolz, das kann ich dir versichern. Ich nahm ihm das Versprechen ab, dir gegenüber das Geheimnis zu wahren. Sonst hätte es ihn das Leben gekostet, und ich weiß nicht, ob du damit fertig geworden wärst. Als es dann geschah, starb er tapfer und für einen guten Zweck.»

Bolitho bemerkte, daß Pascoe aufgestanden war und sich gegen die Bewegungen des Schiffes stemmte, als hätte er die Selbstbeherrschung verloren.

Pascoe sagte leise:»Darüber muß ich erst nachdenken. «Er sah sich so verzweifelt in der Kajüte um wie ein gefangenes Tier.»Ich — ich weiß nicht, was ich sagen soll. Mr. Selby… Ihn mochte ich sehr gerne. Wenn ich gewußt hätte…»

«Ja.»

Bolitho sah, wie verwirrt und verzweifelt sein Neffe war, und fühlte seine Hoffnung wie Sand in einem Stundenglas verrinnen. Er schaute zum Oberlicht auf, als er über sich Schritte hörte. Das Geschwader machte sich zum Treffpunkt vor der Einfahrt zum Sund auf.

Pascoe sagte plötzlich:»Ich sollte jetzt besser auf mein Schiff zurückfahren, Sir. Ich kam an Bord, um Kapitän Herrick wegen dieses Babbage und des Fähnrichs Penels zu sprechen. «Er sah zu Boden.

«Und um Sie zu besuchen, natürlich.»

«Dafür danke ich dir, Adam.»

Pascoe zögerte, die Hand an der Türklinke.

«Werden Sie mir eines Tages noch mehr von meinem Vater erzählen? Da ich jetzt die Wahrheit weiß?»

Bolitho durchquerte den Raum und packte Pascoe fest bei den Schultern.»Selbstverständlich werde ich das tun, hast du daran gezweifelt?»

Pascoe stand ganz still und blickte Bolitho gerade in die Augen, als er antwortete:»Und du, Onkel, hast du an meinen Gefühlen gezweifelt? Glaubst du nach allem, was du für mich getan hast, und was wir an Gefahren und Freuden geteilt haben, daß ich keine Liebe mehr für dich empfinden würde?»

Sie traten beide etwas zurück, und keiner wußte, was er noch sagen sollte. Schließlich brach Bolitho das Schweigen.»Gib acht auf dich, Adam. Ich werde an dich denken.»

Pascoe strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn und drückte dann seinen Hut auf.»Und ich werde deiner Flagge Ehre machen, Onkel. «Dann drehte er sich abrupt um und stieß dabei fast mit Allday zusammen, der vor der Tür gewartet hatte.

Allday fragte direkt:»Weiß er's endlich, Sir?»

«Aye. Er weiß es.»

Allday suchte hinter Bolithos Rücken nach einem sauberen Glas. Dann sagte er:»Er platzte ja beinahe, platzte vor Freude, meine ich. «Er nickte zur Bekräftigung.»Immerhin, sein Glück, daß er anerkannt hat, was Sie für ihn getan haben. Hätte er anders reagiert, hätte ich den jungen Teufel — ob Leutnant oder nicht — persönlich übers Knie gelegt.»

Bolitho nippte an dem Getränk, ohne zu bemerken, was es war. In zwei oder drei Tagen würden sie um ihr Leben kämpfen. Aber die bösen Geister waren nun gebannt. Ein für allemal.

XVI» Alle anderen sind tot!»

Leutnant Oliver Browne ließ sein Fernglas sinken und meldete:»Signal von Elephant: >Ostsee-Geschwader nach eigenem Ermessen ankern<.»

Bolitho hatte ebenfalls ein Glas am Auge, aber er richtete es auf die langen, einander überlappenden Vorsprünge der Küste. Sie schienen überhaupt nicht näher zu kommen, bargen aber eine stumme Drohung, als ob das ganze Land auf ihre erste Bewegung in Richtung Einfahrt zum Sund lauerte.

Die Verantwortung lastete in diesen engen Gewässern besonders schwer auf den einzelnen Kommandanten, aber bei einem Befehlshaber wie Nelson war ihnen etwas von der Sorge abgenommen. Es würde keine unnötigen Signale geben und keine Zeitvergeudung. Bolitho nahm an, daß der Held von Abukir Admiral Hyde Parker erheblich bearbeitet hatte, bevor dieser sich zu einem derart schnellen Angriff entschloß. Während des ganzen Tages, als die Geschwader und ihre vorausgeschickten Aufklärer durch das Kattegatt südwärts segelten, war Bolitho sich der Endgültigkeit dieser Entscheidung bewußt. Querab lagen die Küsten von Dänemark und Schweden, und wenn sie auch zeitweise außer Sichtweite kamen, so wurde man doch nie das Gefühl los, man führe in den Sack eines riesigen Treibnetzes.

Selbst jetzt, da Briggs und Schiffskutter unter Segel zwischen den massigen Leibern der Zweidecker herumflitzten, gab es unsichtbare Augen, die jede ihrer Bewegungen verfolgten. Nelson hatte die ganze Flotte ankern lassen, obwohl er wußte, daß Bolithos Geschwader sich bei anbrechender Dunkelheit schon wieder auf den Weg machen mußte. Er vergaß selten etwas. So hatte er auch seine Flagge auf der Elephant gesetzt, weil sie kleiner war als sein mächtiges, achtundneunzig Kanonen tragendes Flaggschiff St. George und einen geringeren Tiefgang hatte, so daß sie näher ans Ufer herankonnte, ohne auf Grund zu laufen.

Bolitho ließ sein Glas sinken und schaute in die vertrauten Gesichter der Deckswache.

Der alte Grubb machte sich mit seinen Steuermannsmaaten am Peilkompaß zu schaffen. Wolfe schaute zum Großtopp hinauf, wo einige Seesoldaten hinter dem Schutzschild auf der Marssaling mit dem leichten Schwenkgeschütz, der Drehbasse, exerzierten. Und Browne stand bis zu den Knien in bunten Flaggen, da sein Midshipman und dessen Gasten gerade eine Reihe längerer Signale von der Rah niedergeholt hatten.

Schließlich Herrick, der überall zu sein schien, wie immer.

Bolitho sagte:»Ankern Sie, wie es Ihnen paßt. «Er warf einen Blick zum Wimpel am Großtopp hinauf.»Der Wind hat etwas abgeflaut. Für unser Vorhaben scheint er hervorragend zu sein.»

Herrick nickte und ging zum Steuermann hinüber, der sich nahe am Ruderrad aufhielt.»Klar zum Ankern im Verband, Mr. Grubb. «Wolfe rief er zu:»Nehmen Sie Fahrt aus dem Schiff. Lassen Sie Bram- und Großsegel bergen!»

Pfeifen zwitscherten, Kommandos dröhnten, und Männer eilten auf ihre Stationen, um die Segelfläche der Benbow zu verringern.

Bolitho beobachtete, wie sie zu den Bramrahen aufenterten oder Schläge von Belegnägeln lösten, während sie auf den nächsten Befehl vom Achterdeck warteten. Es gab kaum noch Unsicherheiten, auch nicht unter den jüngsten Matrosen und den gepreßten Leuten. >Män-ner, nicht Schiffe kämpften.< Herricks Ausspruch von vor sechs Monaten ging Bolitho nicht mehr aus dem Sinn.

Er bemerkte Midshipman Penels an den Kreuzwanten, fast hinter einem Bootsmannsmaaten und einigen Matrosen versteckt. Er bewe gte sich wie eine Marionette und zeigte wenig Interesse an den Vorgängen rundum. Herrick hatte Bolitho über den Inhalt seines Gespräches mit Pascoe unterrichtet, der versucht hatte, Penels zu verteidigen. Was dabei richtig oder falsch war, schien unwichtig im Vergleich zu dem, was ihnen in den nächsten Tagen bevorstand. Nur der unglückliche Tod von Babbage war eine nicht wegzudiskutierende Tatsache.

Herrick war in der Angelegenheit Penels ungewöhnlich hart gewesen.»Ungeeignet als künftiger Offizier. Ein Muttersöhnchen. Ich hätte ihn nie einstellen sollen.»

Bolitho verstand Herricks Haltung ebenso wie Pascoes impulsiven Entschluß, den Deserteur zurückzuholen. Herrick hatte es nicht leicht gehabt im Leben. Er kam aus einer unbemittelten Familie und hatte sich seinen Aufstieg ohne Protektion selber erkämpfen müssen. Weil er es geschafft hatte, liebte er die Marine, aber er war unerbittlich gegen andere, die nicht so zielbewußt und hart gegen sich selbst waren.

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