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Sie fuhr erschreckt auf.»Ihre Wunde! Was machen Sie da?«Er strich ihr mit einer Hand übers Gesicht und spürte ihre Tränen.

«Die kann warten. Im Augenblick fühle ich mich verletzbarer als auf meinem Achterdeck.»

Er sah, wie sie die Augen hob und ihre bisherige Abwehr fiel, als ob sie sich vor ihm entblöße.

Leise sagte sie:»Ich kann Sie lieben. «Dann legte sie den Kopf an seine Schulter und verbarg ihr Gesicht.»Es gibt einfach keine Rivalen, keine bösen Erinnerungen mehr. «Sie nahm seine Hand und öffnete sie in ihrer.»Ich bin nicht haltlos, aber meine Empfindungen beunruhigen mich selber. «Damit preßte sie seine Hand auf ihre Brust und hielt sie dort fest, während sie langsam den Blick zu ihm hob.

«Spürst du es klopfen? Das ist meine Antwort.»

Unten im Gastzimmer saß Browne mit einem Glas Portwein vor sich auf dem Tisch und einem Packen Schriftstücke neben sich. Es wurde langsam dunkel. Angestellte entzündeten Kerzen oder trafen Vorbereitungen für die abendlichen Besucher, die mit dem Postwagen aus London kommen würden, und den üblichen Schub von Offizieren auf der Werft.

Browne schaute hin und wieder auf die hohe, würdevolle Uhr und lächelte in sich hinein.

Er saß hier schon seit Stunden. Aber was ihn betraf, wie auch die Schriftstücke, die Benbow und sogar den ganzen Krieg: Sie konnten alle noch eine Weile warten, bevor er das Paar oben stören ging.

XV Gebannte Geister

Seiner Majestät Linienschiff Benbow zerrte und stampfte heftig an der Ankertrosse, Gischt sprühte über seine Decks und Laufbrücken. Der Solent war mit weißen Wellenkämmen überzogen, und der Wind pfiff durch die Takelage und mühte sich, die festgezurrten Segel loszureißen.

Bolitho unterschrieb den letzten Brief und sah zu, wie sein Schreiber ihn zu den übrigen legte. Um ihn herum ächzten und stöhnten die hölzernen Spanten und Planken, als ob sie spürten, was die Verlegung ihres Ankerplatzes aus dem sicheren Hafen hinaus auf die Reede von Spithead bedeutete.

Yovell sagte:»Ich werde diesen Packen mit dem Boot an Land bringen lassen, Sir. «Er musterte Bolitho neugierig von der Seite, als ob er von dessen verändertem Benehmen beunruhigt sei.

Yovell war nicht so beschränkt, daß er den Grund nicht erahnte. Zuerst hatte er geglaubt, es sei die Erleichterung über den Ausgang des Duells. Denn wenn Roche nicht gekniffen hätte, wäre Bolitho jetzt vielleicht tot gewesen, und das hätte Folgerungen für alle an Bord gehabt, auch für einen untergeordneten Schreiber.

Bolitho sagte:»Gut. Der Dienst auf See mag hart sein, aber er hat seine Vorzüge für Menschen, die es hassen, Berichte abzufassen, besonders solche, die nachher doch niemand liest.»

Es klopfte an die Tür, und Herrick trat ein. Seine Uniform schimmerte feucht vom Spritzwasser.

«Wir sind klar zum Ankerlichten, Sir. Sobald auch Sie soweit sind?»

Bolitho machte Yovell ein Zeichen, der daraufhin die Schriftstücke in eine Segeltuchtasche stopfte und eilends den Raum verließ.

«Sehr schön, Thomas. Wir werden zum Geschwader stoßen und wieder unsere alte Aufgabe übernehmen. «Bolitho tippte auf die Schublade seines Tisches:»Ich habe einen Haufen Instruktionen von Admiral Beauchamp erhalten. Er ist offenbar so sehr darauf bedacht, uns wieder hinaus auf See zu bekommen, daß er sich nicht einmal die Zeit nimmt, mich noch einmal zu sich zu bestellen. «Er lächelte etwas schief.»Aber ich darf mich nicht beklagen. Er ist mehr als geduldig gewesen.»

Herrick rief:»Geduldig, Sir? Nach all dem, was Sie geleistet haben? Das war doch das mindeste, was man erwarten konnte, meine ich.»

Bolitho rief nach Ozzard und sagte:»Ich freue mich über Ihre Loyalität, Thomas. Aber ohne unsere Erfolge und die Informationen über die dänischen Ruderkanonenboote, die ich in meinem Bericht geben konnte, hätte mich auch Beauchamps Einfluß nicht retten können.»

«Also zurück zum Geschwader!«Herrick beobachtete, wie Ozzard zwei Gläser Madeira einschenkte.»Es wird für Sie diesmal anders als sonst sein.»

Bolitho nickte.»Es war sehr nett von Ihrer Frau, daß sie so hilfreich einsprang.»

«Nett?«Herrick grinste.»Sie liebt es, arme Seefahrer und deren Angehörige zu bemuttern. So ist sie auch geradezu erpicht darauf, die Hochzeit meiner Schwester auszurichten. «Er wurde wieder ernst.»Die künftige Mrs. Bolitho ist wunderschön, Sir. Sie werden glänzend zueinander passen.»

Bolitho ließ seine Gedanken schweifen. Diese wenigen Tage hatten sein ganzes Leben verändert. Belinda hatte ihre Stellung bei der Richtersgattin aufgegeben und das Angebot von Mrs. Herrick angenommen, einstweilen zu ihr zu ziehen.»Aber nur wenn Sie erlauben, daß ich Ihnen als Gegenleistung im Haushalt helfe«, hatte sie gesagt.

Dulcie Herrick hatte gelacht.»Du meine Güte, Liebste, meine Einfälle und Launen werden Sie bald mürbe machen.»

Aber beide schienen von der Vereinbarung beglückt zu sein.

Bolitho hatte nur eine Sorge, die er aber unterdrückte: daß Belinda, wenn er erst einmal wochenlang, ja vielleicht monatelang in See war, ihre Entscheidung bedauern und wegziehen könne. Denn, wie Herrick gesagt hatte: sie war wunderschön und begehrenswert.

Als diese Befürchtung wieder in ihm aufstieg, sagte er, um sich abzulenken:»Ich bin dankbar und stolz, Thomas. Ich habe versucht, ihr das alles zu schreiben, aber es brauchte zwei Anläufe, bevor ich die rechten Worte fand. Trotzdem sind sie nichts im Vergleich zu dem, was ich für sie empfinde. «Er sah seinen Freund an.»Ich rede wie ein verliebter Seekadett, aber es hat mich eben gepackt.»

Herrick trank sein Glas aus.»Man sieht es Ihnen an, Sir, aber es steht Ihnen gut. «Er erhob sich.»Sobald das Boot zurückkommt, können wir ankerauf gehen. «Am Schott blieb er noch einmal stehen.»Es beruhigt mich irgendwie, daß die beiden einander Gesellschaft leisten, während wir bei diesem verdammten Blockadedienst sind.»

Bolitho saß noch lange gedankenverloren da. Es gab eine Menge, von dem Herrick nichts wußte. Zum Beispiel, daß Damerum wieder das Oberkommando auf ihrer Station hatte, und daß bei ihm die Entscheidung lag, wo Bolithos Geschwader postiert wurde. Nein, es war besser für Herrick, wenn er so lange wie möglich davon verschont blieb. Wer sich stets nach einem feindseligen Vorgesetzten umschauen mußte, statt seine volle Aufmerksamkeit dem Feind zu widmen, begab sich in Lebensgefahr.

Zwei Stunden später, als ihr großer Anker vom Grund loskam, trieb die Benbow zunächst mit flatternden Segeln leewärts, bis sich die Leinwand füllte und das Ruder Wirkung zeigte. Danach pflügte sie mit dichtgeholten Brassen und Schoten verächtlich durch das erste tiefe Wellental.

Bolitho stand in Lee auf dem Achterdeck und achtete weder auf die überkommenden Spritzer noch auf die eifrig hin und her rennenden Matrosen. Er ließ sich ein Teleskop vom Midshipman der Wache geben und suchte damit langsam die Befestigungsanlagen von Ports-mouth ab. Sie schimmerten, als wären sie aus Metall und nicht aus Stein, und lagen schon weit zurück, außer Reichweite ihrer Kanonen.

Etwas bewegte sich am Rande des Objektives, und er stellte die Sehschärfe genau darauf ein.

Sie war es, aber zu weit weg, als daß er ihr Gesicht erkennen konnte. Doch sie trug denselben blauen Umhang wie in der umgestürzten Kutsche und winkte mit ihrem Kopftuch; ihr Haar wehte frei im Wind,

Bolitho ging ein paar Schritte weiter nach achtern, als eine vorspringende Mauer des Forts sie seinen Blicken zu entziehen drohte. Er kletterte sogar die Treppe zum Hüttendeck hinauf und winkte — das Glas immer noch vor dem Auge — mit seinem Hut, obwohl es unwahrscheinlich war, daß sie ihn sehen konnte.

Als er wieder an die Finknetze trat, war der Abstand zum Ufer schon so groß geworden, daß der kleine blaue Punkt mit dem kastanienbraunen, wehenden Haar darüber nicht mehr zu erkennen war. Die Erinnerung an ihr letztes Beisammensein, an ihren willigen Körper in seinen Armen, überkam ihn.»Belinda…»

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