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Allday sagte ruhig:»Da müssen Sie durch, Sir. Aber Sie schaffen es nicht, wenn Sie Ihre Marssegel backbrassen!»

Bolitho nickte und ging langsam die Treppe hinunter; dabei fühlte er sich ohne Hut und Säbel seltsam unsicher.

Er erkannte die Halle kaum wieder. Sie war voll farbenprächtiger Kleider, halbnackter Schultern und Busen, voll roter Uniformröcke und einem solch bunten Gemisch von Leuten, daß er sich fragte, wo sie alle hergekommen sein mochten.

Ein Diener sah ihn kommen und kündigte ihn an:»Konteradmiral Richard Bolitho!»

Einige Köpfe wandten sich ihm zu, aber die meisten Gäste hatten die Ankündigung in dem Stimmengewirr nicht einmal gehört.

Swinburne löste sich aus der Menge.»Ah, Bolitho, alter Junge!«Er lenkte ihn durch die weniger wichtigen Gruppen am Rande der Versammlung und murmelte:»Ich möchte Sie mit meinen Freunden bekanntmachen. Die meisten von ihnen haben noch nie im Leben einen aktiven Seeoffizier gesehen. «Er senkte die Stimme, als sie an einem Major mit scharlachrotem Gesicht vorbeikamen, der so alt aussah, als habe er schon an den vergangenen beiden Kriegen teilgenommen.»Er, zum Beispiel, soll Rekruten anwerben. Aber wenn unsere Bauernjungen ihn zu Gesicht bekommen, laufen sie weg und melden sich bei den Franzosen, würde mich nicht wundern.»

Bolitho hielt plötzlich ein Glas in der Hand. Innerhalb von Sekunden fand er sich in einer Ecke, umgeben von lächelnden und neugierigen Gesichtern. Fragen prasselten von allen Seiten auf ihn nieder, und zum erstenmal empfand er ein Unbehagen, das auch die weihnachtliche Hochstimmung nicht verdrängen konnte.

Manchmal während seiner Dienstzeit war Bolitho über solche privilegierten Leute entrüstet gewesen und hatte sogar Verachtung für sie empfunden. Auf See starben jeden Tag Männer aus diesem oder jenem Grund, und auch die Soldaten an Land hatten es nicht viel besser. Aber dank der großen Anstrengung der Marine und ungezählter Vorposten und Garnisonen der Rotröcke wuchs der britische Handel und sein Einfluß in Übersee ständig, ungeachtet mancherlei Schwierigkeiten und vieler Feinde.

Als er jetzt ihre Fragen hörte und diese Unkenntnis spürte, wenn man von der Verteidigung des Landes sprach und über deren Schwäche, die den Franzosen eine Invasion ermöglichen würde, war Bolitho dem Verständnis für die hilflose Zivilbevölkerung näher denn je.

Lady Swinburne rauschte durch die Menge und sagte:»Zeit zum Essen. «Sie bot Bolitho ihren Arm.»Wir wollen vorangehen.»

Als sie durch die Reihen animierter Gesichter und knicksender Damen gingen, sagte sie:»Das ist eine Strafe für Sie, nehme ich an. Aber es sind alles Freunde. Sie möchten verstehen, möchten wissen, was ihnen bevorsteht. Was für Sie ein zufälliger Zufluchtsort ist, ist für diese Leute ein Ort der Hoffnung auf ihr Überleben.»

Als sie die lange, glitzernde Tafel erreichten, gab es in der Halle etwas Unruhe. Bolitho hörte Swinburne einem seiner Diener zurufen:»Legen Sie noch ein Gedeck für den Leutnant auf, Arthur!«Browne war zurückgekommen. Während die Gäste sich langsam zu den ihnen zugedachten Plätzen an der schwer beladenen Tafel begaben, schaffte es Browne, sich zu Bolitho hindurchzuarbeiten und ihm zu melden:»Die Berichte sind abgeliefert, Sir. Sir George Beauchamp brennt darauf, Sie zu sprechen, sobald Sie reisefähig sind. «Er senkte die Stimme, als er wahrnahm, daß einige Gäste, die von seinem unerwarteten Auftauchen überrascht waren, die Hälse reckten und zu lauschen versuchten. Es war wie eine Szene im Theater: der zerzauste junge Offizier, der von der Front zurückgeeilt kommt, um seinem General zu melden: >Die Franzosen sind erledigt. Unsere Kavallerie greift an.< Browne fuhr fort:»Die Dinge in der Ostsee spitzen sich zu, wie Sie befürchtet hatten, Sir.»

Es gab ein großes Rascheln von Gewändern und Rücken von Stühlen, als die Gäste Platz nahmen und bewundernd die Speisen musterten, die so hoch aufgetürmt waren, daß sie die Köpfe der Gegenübersitzenden verbargen.

Bolitho wandte sich zur Seite und blickte in die Augen einer jungen, attraktiven Dame. Ihr Kleid war tief ausgeschnitten und ließ der Phantasie wenig Spielraum. Sie fing seinen Blick auf:»Sie starren mich an, Sir?«Lächelnd fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen.»Gefällt Ihnen, was Sie sehen?»

Ein breites Gesicht hinter ihrer Schulter sagte mit heiserer Stimme:»Vorsichtig, lieber Freund. Das ist eine Wildkatze, wenn nicht Schlimmeres.»

Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper, sondern schaute Bolitho weiter an.»Mein Herr Gemahl. Ein Flegel.»

Bolitho war fast dankbar, als das Mahl endlich begann. Und was für ein Mahl das war! Es hätte sämtliche Midshipmen seines Geschwaders für eine Woche gesättigt, und doch wäre noch genug übriggeblieben.

Die Gänge wurden von geschulten Dienern angeboten und die leeren Teller und Schüsseln mit gleicher Präzision abgeräumt. Bolitho war erstaunt, daß wirklich die meisten Schüsseln leergegessen waren, während er sich bereits unangenehm satt vorkam.

Es gab verschiedene Sorten Fisch. Einen erkannte Bolitho als Steinbutt, einen anderen hielt er, obwohl er von einer dicken Sauce bedeckt war, für Weißfisch.

Weiter und weiter ging es, und jeder neue Gang war größer und prächtiger dekoriert als der vorherige: ein riesiger Ochsenrücken, über kleinem Feuer gegrillt, gebackener Schinken und gedünsteter Puter, und alles wurde mit einer reichen Auswahl von Lord Swinburnes Weinen hinuntergespült.

Bolitho fühlte das Knie seiner Tischdame, und als er sich leicht bewegte, drückte sie stärker zu, beharrlich und sinnlich erregend. Aber als er sie anschaute, war sie anscheinend völlig aufs Essen konzentriert und griff sich zielsicher die genußreichsten Speisen heraus.

Er sah, daß Browne ihn vom anderen Ende der Tafel beobachtete. Der hatte sich offenbar immer nur vom Besten auf den Teller gepackt. Seine Erfahrungen mit dem Londoner Leben zahlten sich aus.

Die Dame neben ihm fragte:»Sind Sie mit geheimem Auftrag hier?«Ihre Augen blickten jetzt unruhig und unverhüllt.

Er lächelte.»Nein, ich ruhe mich nur ein paar Tage aus.»

Ihr Hand verschwand unter dem Tisch, und er fühlte ihre Finger behutsam über seinen Schenkel streichen.

«Ach ja, Sie sind verwundet worden, hörte ich.»

Bolitho sah den Diener auf der anderen Seite des Tisches. Sein Gesicht war ausdruckslos, aber seine Augen sprachen Bände.

«Langsam, Madame! Oder wollen Sie, daß Ihr Gatte mich vor die Tür bittet?»

Sie warf den Kopf zurück und lachte.»Der? Bevor die Damen sich zurückziehen, wird er stockbetrunken sein und bald darauf umfallen. «Ihr Ton wurde flehentlich:»Das ist der Grund, warum man mich neben Sie gesetzt hat: Unser Gastgeber hält mich für ein Flittchen. Für ihn bin ich nur ein mehr oder weniger nützliches Haustier, das man verkuppelt.»

«Und nun. «Lord Swinburne stand auf, ein volles Glas in der Hand.»Bevor die Damen sich zurückziehen, möchte ich den Trinkspruch aufs Herrscherhaus ausbringen.»

Stühle wurden zurückgestoßen, und Diener eilten herbei, um Seidenkleider vor herunterfallenden Essensresten und umgestürzten Gläsern zu bewahren.

Bolitho mühte sich etwas zu spät hoch, da es in der Marine Brauch war, beim Toast auf den König sitzenzubleiben.

«Auf seine Majestät, König Georg!»

Wie feierlich sie plötzlich alle waren, dachte Bolitho. Danach wechselte die Stimmung wieder, und die Damen verabschiedeten sich. Bolithos Tischdame strich mit dem Fächer über seinen Arm und raunte verheißungsvoll:»Später.»

In einem Punkt hatte sie recht, dachte Bolitho: Ihr Mann lag mit dem Kopf auf den Armen zwischen den Tellern, das Haar mit einer Mischung aus Pastete und holländischem Flammeri verschmiert.

Lange Pfeifen wurden hereingebracht, und die Portweinflasche kreiste langsam um den Tisch. Die Luft war schnell voll Tabaksqualm, der sich mit dem Rauch aus dem Kamin vermischte und schmerzhaft in die Augen stach.

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