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Bolitho blickte auf den Teppich, aber sein Verstand rotierte.»Rupert Seton.»

«Wie, um alles in der Welt, konnten Sie das wissen?»

Er erwiderte:»Ich war kürzlich in Kopenhagen. Dort hörte ich, daß er wenige Tage zuvor auf der Durchreise nach England da gewesen war.»

Sie beobachtete besorgt sein Gesicht.»Was bedrückt Sie?»

«Ich war mit seiner Schwester verheiratet. «Er sprach düster und hoffnungslos.»Sie starb bei einem Wagenunfall, als ich auf See war. Als ich Sie in der Kutsche sah, Ihr Haar — da dachte ich…Ich stellte mir vor…«Es dauerte einige Sekunden, bevor er den Satz vollendete.»Sie sind ihr sehr ähnlich.»

In dem langen Schweigen hörte er eine Uhr ticken, den Schlag seines eigenen Herzens, und weit weg einen Hund aufgeregt bellen. Sie sagte sanft:»So habe ich mir also doch nicht alles nur eingebildet. Die Art, wie Sie mich hielten. Sie gab mir irgendwie die Gewißheit, daß ich geborgen war.»

Die Tür öffnete sich, und Browne trat ein.»Verzeihung, Sir, aber ich dachte, Sie wären allein.»

Belinda Laidlaw sagte:»Bitte kommen Sie herein, Leutnant. In diesem Haus fühlt man sich wie ein Flüchtling.»

Browne rieb sich die Hände am Feuer.»Sie sehen besser aus nach der Ruhepause, Sir. Ich habe mit Lord Swinburnes Stallmeister gesprochen. Er sagt, die Straße wird bei Tagesanbruch wieder benutzbar sein. Das Schneetreiben geht in Regen über. «Als Bolitho nichts sagte, fuhr er eifrig fort:»Wenn Sie erlauben, werde ich Ihre Berichte nach London bringen.»

«Einverstanden. «Bolitho blickte auf die Bügelfalte seiner Kniehose nieder und verfluchte seine Wunde.»Ich werde hier auf Ihre Rückkehr warten.»

Ihr Kleid raschelte über den Boden, als sie fragte:»Darf ich in Ihrem Wagen mitfahren, Leutnant? Ich fürchte, man wird in London beunruhigt sein, wenn ich noch später komme.»

Browne blickte von einem zum anderen und war ungewöhnlich verwirrt.»Gut, gnädige Frau — wollte sagen: gerne, ich bin entzückt, wenn ich Ihnen dienlich sein kann.»

Sie drehte sich zu Bolitho um und wartete, als er aufstand.»Ich hätte unser Gespräch gern fortgesetzt. «Sie legte ihm die Hand auf den Arm.»Aber ich fürchte, es hätte uns beiden Schmerz bereitet. Darum möchte ich Ihnen nur noch einmal für Ihre Freundlichkeit danken, und dann früh schlafen gehen, um für einen frühzeitigen Aufbruch bereit zu sein. Es war ein sehr anstrengender Tag, in jeder Hinsicht.»

Bolitho starrte auf ihre Hand, die sie von seinem Arm zurückzog. Der kurze Kontakt war unterbrochen.

Browne schaute hilflos drein, als die Tür sich hinter Mrs. Laidlaw schloß.»Ich bin wirklich sehr traurig, Sir.»

«Traurig? Warum?«Bolitho wandte sich zum Feuer.»Sie haben es fertiggebracht, daß ich eine alte Regel durchbrach. Ich hatte kein Recht, Sie in meine Angelegenheiten hineinzuziehen. «Er wußte, Browne wollte etwas sagen, und fuhr dann schnell fort:»Sie sind ein guter Kerl, Browne. Zuerst war es mir gar nicht recht, einen Flaggleutnant zu haben und mit ihm vertrauliche Kenntnisse zu teilen. Aber inzwischen habe ich Sie kennen und schätzen gelernt.»

«Dafür danke ich Ihnen, Sir. «Browne schien erstaunt.

«Sprechen wir nicht mehr davon. Ich habe mich lächerlich gemacht und die Dame unnötig beunruhigt. Ich bin wohl schon zu lange Seemann, um mich noch zu ändern. Mein Platz ist auf See, Browne, und wenn ich dazu nicht mehr tauge, lebte ich besser nicht mehr.»

Browne verließ leise den Raum und schloß die Tür. Wenn bloß Pas-coe oder Herrick da wären, dachte er. Selbst Allday hatte es bisher nicht geschafft, das Reglement des Swinburnschen Haushalts zu durchbrechen und zu seinem Herrn zu gelangen. Aber Bolitho brauchte jemanden.

Browne dachte an die Berichte, an die nagenden Zweifel, die er anfangs bei Bolithos Kommandierung zum Ostseegeschwader gehabt hatte. Nun warf er einen Blick zurück auf die geschlossene Tür und rief sich Bolithos Worte in Erinnerung: >Ich habe Sie schätzen gelernt/ In Brownes Kreisen sagte man solche Sachen nicht, daher hatte es ihn tief bewegt.

Er sah einen Diener, der mit einem silbernen Tablett unter dem Arm zur Treppe strebte. Er winkte ihn heran.»Würden Sie meinem Admi-ral wohl einen Schluck zu trinken bringen?»

Der Diener sah ihn ausdruckslos an.»Französischen Brandy, Sir?»

«Nein, das nicht. Mein Admiral führt seit vielen Jahren Krieg gegen die Franzosen. «Er sah, daß seine Worte keinen Eindruck auf das Froschgesicht machten, und fuhr fort:»Etwas kühlen Landwein. Er scheint ihn zu mögen.»

Als der Diener sich entfernte, sah Browne Lord Swinburne die große Treppe herunterkommen.

Swinburne fragte:»Alles in Ordnung, Oliver?»

«Ich habe eine Bitte, Mylord.»

«Das überrascht mich nicht. Ganz wie dein Vater. «Er schüttelte sich.»Also?»

«Ließe es sich ermöglichen, daß der Bootssteurer des Admirals seinem Herrn etwas Gesellschaft leistet?»

«Sein Bootssteurer? Hier?«Die Vogelaugen blitzten.»Aber sicher, er hat gar keinen Diener mitgebracht! Ich werde gleich mit dem Butler sprechen. Hat er speziell seinen Bootssteurer verlangt?»

Browne schüttelte den Kopf.»Das nicht, Mylord, aber ich habe das Gefühl, daß es ihm wohltäte.»

Seine Lordschaft schlurfte kopfschüttelnd davon.»Völlig verrückt, ganz wie sein Vater.»

Später, als der Diener mit dem Tablett zurückkam und gerade in Bo-lithos Zimmer gehen wollte, hielt Allday ihn am Arm fest und sagte brüsk:»Halt, Kamerad, das mache ich!»

Der Diener sah Allday hochmütig an, bemerkte dann aber dessen Gesichtsausdruck und die Größe seiner Fäuste.

Allday balancierte das Tablett in einer Hand und öffnete mit der anderen die Tür. Das wird zunächst eine Bö geben, ein paar Flüche und Ausbrüche, dachte er. Aber danach… Nun, wir werden sehen.

Während Allday ihm Halstuch und Kragen zurechtrückte, überlegte Bolitho ungeduldig, wie er diesen Abend überstehen sollte. Es war Erster Weihnachtstag, ein Tag mit vielem Kommen und Gehen in diesem großen Haus: Bauern, Nachbarn und Lieferanten mit Nachbestellungen in letzter Minute für das festliche Dinner, auf das Swinbur-nes Küche sich schon seit Wochen vorbereitete.

Er hörte muntere Geigenklänge von unten und spielte mit dem Gedanken, unter dem Vorwand der Erschöpfung Lord Swinburne und seine Gäste zu meiden. Aber eine derartige Lüge wäre ungezogen und nach all der Fürsorge unverzeihlich gewesen.

Draußen schneite es, aber schwächer, so daß die Fahrwege und Dächer das Licht der Laternen, die Besuchern den Weg zum Eingang wiesen, in einem Dutzend schimmernder Farben widerspiegelten.

Bolitho war vom Erdgeschoß in diesen Raum umgezogen, aber auch die bessere Aussicht hatte wenig zu seiner Zerstreuung beigetragen. Er wünschte nun, er wäre gleich mit nach London gefahren, ohne Rücksicht auf die Folgen für seine Wunde.

Allday trat einen Schritt zurück.»Nun sehen Sie wieder aus wie Sie selber, Sir.»

Bolitho bemerkte, daß Allday gedämpft sprach und daß sein prüfender Blick aus halb geschlossenen Augen kam, um ihn keinesfalls zu reizen.

Bolitho schämte sich. Allday mußte es in letzter Zeit nicht leicht mit ihm gehabt haben.

Er sagte:»Ich wünschte, Sie könnten meinen Platz am Tisch einnehmen. «Dabei warf er einen Blick auf Alldays Spiegelbild.»Sie verdienten es, und noch viel mehr.»

Allday fing seinen Blick im Spiegel auf und grinste. Seine Zurückhaltung wich, als er antwortete:»Bei all den feinen Damen, Sir? Da würde ich schön in Verlegenheit kommen, ehrlich.»

Irgendwo wurde ein schwerer Gong angeschlagen. Allday nahm Bo-lithos besten Rock auf.»Ich hab' außerdem ein reizendes kleines

Mädchen aufgetan, Sir. Mal sehen, ob ich es zum Dienst für Sie pressen kann.»

Bolitho fuhr in die Ärmel.»Sie werden sich hoffentlich für ihr Entgegenkommen revanchieren.»

Allday folgte ihm zur Tür.»Ganz gewiß, Sir.»

Bolitho hielt noch einmal an.»Ich bin Ihnen noch eine Erklärung schuldig, Allday. Es scheint, ich habe alle schlecht behandelt, die mir in diesen Tagen zu helfen versuchten. «Er drehte sich um und lauschte auf die Stimmen und Klänge, welche die Freitreppe heraufbrandeten.

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