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Bolitho nahm ihn am Arm.»Gehen Sie herum, Thomas. Wenn wir die feindliche Linie durchbrechen, werden uns ihre Scharfschützen in den Mastständen aufs Korn nehmen.»

Irgendwo im Qualm schrie ein Mann entsetzlich auf. Blut lief in einem endlosen Rinnsal in den Backbord-Wassergang.

Bolitho prüfte noch einmal die Entfernung. Es war Zeit. Etwas später, und die Franzosen konnten sie lahmschießen oder versuchen, sie voneinander zu trennen.

«Setzen Sie das Signal, Mr. Browne!»

Die einzelne Flagge stieg hoch und wehte an der Rah aus, so daß sie von allen erkannt werden konnte.

Browne wischte sich den Mund mit dem Handrücken. Sein Hut saß schief, und auf seinen weißen Kniehosen waren Blutflecken.

«Nahe dran, Sir!»

Bolitho schaute auf die Männer, die an den Brassen, Schoten und Halsen bereitstanden, und auf die Leute am doppelten Steuerrad, die schon in die Speichen gegriffen hatten und versuchten, sich trotz des Krachens und Donnerns der Kanonen auf Grubb zu konzentrieren.

Ein Seesoldat stürzte vom Großmast, fiel auf das Schutznetz und rollte von dort über die Bordwand ins Wasser. Ein Munitionsträger, der zu den Backbordgeschützen lief, drehte sich plötzlich wie ein Tänzer auf Zehenspitzen und fiel zuckend aufs Deck. Bevor Bolitho wegschaute, sah er noch, daß ihm die Augen aus dem Kopf geschossen worden waren.

«Jetzt!»

Wie straff gespannte Bögen schwangen die Rahen gleichzeitig herum, und als das Ruder in Hartlage gelegt wurde, sah Bolitho die französischen Schiffe plötzlich an Backbord über dem Vorsteven erscheinen. Dann, als die Rahen der Benbow fast in Längsrichtung des Schiffes angeholt waren, standen sie direkt vor dem Bug.

Mit Segeln, die aus Protest wild schlugen, hielt die Benbow ihren neuen Kurs. Ihr Klüverbaum zeigte direkt auf die vergoldete Galerie des französischen Flaggschiffs. Er konnte das plötzliche Erschrecken auf Hütte und Achterdeck des Gegners sehen. Hektisch gesetzte Flaggensignale erschienen über den Rauchschwaden und riefen offenbar nach Unterstützung.

«Setzen Sie das andere Signal für die Relentless.»

Bolitho verfolgte genau, wie sich das Deck unter den dichtgeholten Segeln nach Steuerbord neigte. Würden sie es schaffen, knapp hinter dem Heck des Flaggschiffs durchzubrechen und seine Hütte mit einer vollen Breitseite zu zerschmettern? Oder würde die Benbow sie mit ihrem Bugspriet wie mit einer Lanze aufspießen?

Von irgendwoher aus dem Pulverqualm hörte er weitere Hurrarufe, die das Stöhnen und Schreien der Verwundeten übertönten. Die Indo-mitable folgte achtern dichtauf, und ein ganzes Stück weiter weg machte die Nicator, mit der kleineren Odin von Kapitän Inch im Kielwasser, Anstalten, ebenfalls die feindliche Linie zu durchbrechen. Mit etwas Glück würde Kapitän Keen zwischen dem vierten und dem letzten Schiff des französischen Geschwaders durchstoßen. Wenn er das Schlußschiff abschneiden und ausschalten konnte, war ihm der große Transporter ausgeliefert.

«Öffnet die Pforten! Rennt die Steuerbordbatterie aus!

Quietschend rumpelten alle Kanonen gleichzeitig an die Stückpforten, als könnten sie es nicht erwarten, ihre bisherige Zuschauerrolle aufzugeben.

Herrick sagte durch die Zähne:»Vorsicht, Mr. Grubb. Sie können jetzt einen Strich abfallen. «Er schlug sich mit einer Faust in die andere Handfläche und rief:»Wir haben sie!»

Sie waren so nahe am feindlichen Flaggschiff, daß der Klüverbaum und die zerfetzten Vorsegel schwache Schatten auf dessen Heckfenster warfen.

Bolitho hörte Speke kommandieren:»Ziel auffassen! Fertig!»

Vorn auf der Back sah Bolitho die beiden Karronaden ihre häßlichen Mäuler vorstrecken. Die Karronade an der Steuerbordseite konnte kaum, vorbeischießen.

Musketenschüsse peitschten durch das Getöse, und Bolitho sah, daß die Hängematten in den Finknetzen hochgeschleudert wurden, als die französischen Scharfschützen sich einschossen. Die Seesoldaten in den Masten der Benbow feuerten zurück und zeigten sich gegenseitig Scharfschützen oder sonstige lohnende Ziele.

Der ungeheure Lärm des Geschützfeuers der verstreut kämpfenden Schiffe steigerte sich zu einem schrecklichen Crescendo. Bolitho sah die Steuerbordkarronade feuern, aber das Ergebnis der todbringenden Kartätschenladung war im Gischt und Pulverqualm nicht zu erkennen. Trotzdem jubelten und schrien die Männer der Benbow wie die Verrückten. Ihre Körper waren vom Rauch geschwärzt, doch Augäpfel und Zähne leuchteten, als sie sich wieder an ihre Kanonen warfen oder an die Brassen rannten, um die Rahen nach Wolfes Kommandos, die er vom Achterdeck durchs Sprachrohr brüllte, zu trimmen.

Bolitho wischte sich die brennenden Augen und spähte nach dem Heck des Franzosen, das nun Steuerbord voraus sichtbar wurde. Nur undeutlich konnte er den Namen erkennen: La Loire. Die schönen Goldbuchstaben waren von den Kartätschenkugeln zersplittert, die Heckfenster darüber ein einziger Trümmerhaufen.

Da hörte er, daß Browne ihm etwas zuschrie und wild gestikulierend auf die andere Seite zeigte.

Das dritte Schiff der französischen Linie, das Bolitho eigentlich von der Loire trennen wollte, hatte plötzlich eine Admiralsflagge im Vortopp gesetzt, und im selben Augenblick, als die Flagge auswehte, hatte es gedreht und war der Bewegung der Benbow gefolgt, als wären beide Schiffe miteinander verbunden.

Browne schrie, als könne er es selber nicht glauben:»Die Loire hat die Admiralsflagge runtergeholt!»

Bolitho drängte sich an ihm vorbei und fühlte, wie sich plötzlich Hoffnungslosigkeit als Dämpfer über die wilden Schlachtszenen legte. Der französische Admiral hatte vorzüglich geplant. Durch die List mit der falschen Flagge hatte er erreicht, daß nun das britische Geschwader und nicht sein eigenes versprengt war.

Herrick schwang seinen Säbel.»Auf sie, Jungs! Schießen Sie wieder nach Backbord, Mr. Speke!»

Die unerwartete Kursänderung des Feindes hatte die Nicator und die Odin derart verwirrt, daß sie einen Augenblick fast bewegungslos mit killenden Segeln dalagen, bevor sie sich bemühten, wieder eine Linie zu formieren.

Ropars' Schiff kam mächtig bei der Benbow auf, seine vorderen Geschütze feuerten in schneller Folge über einen immer kleineren Streifen Wasser. Für die verstörten Seeleute um Bolitho herum hatte es den Anschein, als fände jede Kugel ihr Ziel.

Niemand jubelte, als der Fockmast des falschen französischen Flaggschiffs in einer großen Wuling aus zerfetzter Leinwand, gebrochenen Spieren und losem Tauwerk über Bord fiel. La Loire war schwer mitgenommen, aber es sah ganz danach aus, als hätte ihr Opfer dazu gedient, die Schlacht in eine totale Niederlage für Bolithos Geschwader zu wenden.

Bei schlechter werdender Sicht, die durch Rauchschwaden zusätzlich beeinträchtigt wurde, torkelten die Schiffe wie trunken gegeneinander, während ihre Kanonen auf nächste Entfernung mitleidlos aufeinander einhämmerten. Ringsum ein Wald von Masten und flatternden Fahnen — es war ein Bild wie in der Hölle.

Herrick schien überall zu sein, anfeuernd, befehlend, Mut zusprechend und immer wieder neue Anstrengungen fordernd.

Der junge Sechste Offizier, Courtenay — jener, den Allday aus seinem Boot verdrängt hatte — , lag ausgestreckt auf dem Bauch, und seine Füße schlugen auf das Deck, als ein Seesoldat ihn zum Niedergang zog. Er war von einem französischen Scharfschützen getroffen worden, sein ganzer Unterkiefer war weggeschossen.

Browne rief: «Relentless greift den Transporter an, Sir!«Er senkte sein Glas.»Die beiden französischen Fregatten sind hinter ihr her.

Lookout bittet um Erlaubnis zum Eingreifen.»

«Abgelehnt!«Bolitho wischte sich über das Gesicht.»Wir können sie hier noch brauchen.»

Wozu? Um Überlebende aufzufischen? Oder um die Nachricht von einer vernichtenden Niederlage nach England zu bringen?

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