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«Nur Sie, Bolitho. Das ist ein Befehl!»

Der Wagen fuhr durch einige Tore und hielt dann vor einem schmalen Seiteneingang.

Nachdem sie den Schnee von den Füßen getrampelt hatten, wurden sie durch mehrere Türen in eine andere Welt geleitet, in ein Märchenland von glitzernden Kronleuchtern und großen Gemälden. Man hörte von irgendwoher Musik und weibliche Stimmen und spürte Macht und höchsten Komfort.

Aber weiter drangen sie nicht vor. Man wies sie in einen kleinen, aber sehr schön ausgestatteten Raum mit bücherbedeckten Wänden und prasselndem Kaminfeuer.

Ein Mann erwartete sie. In seiner blauen Samtrobe wirkte er elegant wie der ganze Raum. Seine schweren, goldbestickten Ärmelaufschläge reichten bis an die Ellenbogen. Er machte den Eindruck, als würde er nie übereilt und ohne Würde handeln.

Er musterte Bolitho nachdenklich, wobei sein Gesicht im Schatten blieb.»Der Generaladjutant konnte nicht kommen. Er mußte aufs Festland hinüber. «Er sprach ohne Akzent und in einem Ton, der den warmen Raum zu streicheln schien.

Dann fuhr er fort:»Ich werde mich mit dieser Sache befassen, Konteradmiral Bolitho. Als sein Gehilfe bin ich mit der ganzen Angelegenheit sowieso gut vertraut.»

Inskip begann zu sprechen.»Tatsache ist, Sir, daß…»

Eine Hand wurde gehoben wie von einem Priester, der den Segen erteilen will, und Inskip verstummte.

«Lassen Sie mich zunächst dies sagen: Sie haben die sechs englischen Schiffe durch Ihre Aktion gerettet. Sie Ihrerseits retteten sich dadurch, daß Sie Kopenhagen anliefen. Hätten Sie ein französisches Schiff, gleichgültig, unter welchem Vorwand, in dänischen Gewässern angegriffen, dann hätten weder Sie noch Ihr Schiff jemals wieder England erreicht, seien Sie dessen sicher. Sie haben Krieg mit Frankreich, nicht mit uns. Aber wir müssen in einer Welt bestehen, die von

London und Paris auf den Kopf gestellt ist, und wir werden keinen Augenblick zögern, unser Schwert zu ziehen, um das zu schützen, was uns heilig ist. «Seine Stimme wurde weicher.»Das heißt nicht, daß ich Sie nicht verstehe, Admiral. Ich tue es, besser vielleicht, als Sie glauben.»

Bolitho sagte:»Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis, Sir. Wir sind ein Inselvolk. Seit tausend Jahren müssen wir uns gegen Angreifer zur Wehr setzen. Menschen im Krieg vergessen zu leicht die übrige Welt, und dafür bitte ich um Entschuldigung, Sir.»

Der Mann wandte sich zum Fenster und sagte ruhig:»Soviel ich weiß, sind meine Landsleute in der Vergangenheit einige Male in Ihr Land eingefallen?»

Bolitho lächelte.»Aye, Sir. Es heißt heute noch, daß die Mädchen an der Nordostküste Englands ihre blonden Haare den Wikingern verdanken.»

Inskip räusperte sich nervös.»Darf ich also Admiral Bolitho wieder mitnehmen, Sir?»

«Bitte sehr. «Er bot ihnen nicht die Hand.»Ich wollte Sie gern kennenlernen, wollte sehen, was für ein Mann Sie sind. «Er nickte kurz.»Ich hoffe, wenn wir uns einmal wiedersehen, wird es unter glücklicheren Umständen sein als jetzt.»

Bolitho folgte Inskip und zwei Lakaien denselben Weg zurück, wobei ihm noch immer der Kopf schwindelte.

Er sagte:»Ich glaube, bei seinem Vorgesetzten wäre ich schlechter weggekommen. Dieser wollte mich wohl möglichst schnell außer Landes haben.»

Inskip nahm seinen Mantel von einem Diener in Empfang und sog die frische Luft ein, die durch die offene Tür drang.

«Möglich, Bolitho. «Er warf ihm einen Seitenblick zu.»Es war der Kronprinz selber!«Er schüttelte den Kopf und marschierte auf den Wagen zu.»Wirklich, Bolitho, Sie müssen noch eine Menge lernen.»

Seinen Hut unter den Arm geklemmt, betrat Kapitän Neale die Kajüte.

«Es wird Sie interessieren, daß wir aus dem Sund raus sind und nun im Kattegatt stehen, Sir. «Er sah müde, aber gleichzeitig froh aus, als er hinzufügte:»Unsere ungebetenen Begleiter haben abgedreht und sind verschwunden.»

Bolitho stand auf und ging an die Heckfenster. Das Schneetreiben hatte aufgehört, aber das Wasser sah grau und unfreundlich aus. Die Dänen hatten es nicht darauf ankommen lassen. Zwei Fregatten waren der Styx vorn Augenblick des Ankerlichtens an gefolgt, und als Bo-litho zum Landungssteg hinuntergefahren war, hatte er Soldaten beobachtet, die an die Geschütze der Hafenbatterie eilten. Nicht als Drohung, aber vielleicht zur Warnung.»Vielen Dank.»

Bolitho horchte auf das traurige Quietschen der Pumpen, auf den dumpfen Klang der Hämmer und Sägen, die bewiesen, daß die Besatzung noch alle Hände voll zu tun hatte, die Schäden ihrer kurzen, aber heftigen Auseinandersetzung zu beseitigen.

Man würde die Styx heim nach England schicken müssen, wo sie fachmännisch und gründlich überholt werden konnte. Sie hatte es verdient, ebenso ihre Besatzung.

Er sagte:»Ich werde mir auf meinem Flaggschiff ganz verloren vorkommen. Wie ein Pferd in einem größeren Stall. «Er wurde wieder ernst.»Ich habe einen ausführlichen Bericht geschrieben, den Sie nach England bringen sollen. Was darin Sie betrifft, wird die richtige Stelle erreichen.»

Neale lächelte.»Danke, Sir.»

«Und wenn Sie mich so schnell wie möglich zu meinem Geschwader bringen, werde ich Sie künftig in Ruhe Ihre Entscheidungen selbst treffen lassen.»

Neale wollte schon gehen, sagte dann aber noch:»Mein Erster Offizier ist sehr begeistert über die Neuen, die er von den Handelsschiffen geholt hat. Alles prima Seeleute, obwohl sie noch nicht genau wissen, wie ihnen geschah, und ob sie nur eine Hölle mit einer anderen vertauscht haben.»

Am nächsten Morgen, als Bolitho sein Frühstück verzehrte, das nach Ozzards Meinung besser zu einem Kriegsgefangenen gepaßt hätte, kam Neale herunter und meldete, daß seine Ausguckleute ein Segel gesichtet hätten. Gleich darauf sei es als der Fregatte Relentless gehörig erkannt worden.

Fast noch unter dem Horizont hatte die Relentless Signale gesetzt, die von der Lookout erkannt und für das übrige Geschwader wiederholt wurden.

Bolitho konnte sich in ihre Empfindungen hineinversetzen. Herricks Aufklärer mußte die befreiten Handelsschiffe getroffen haben, und was er von ihnen nicht erfahren hatte, konnte er sich selber zusammenreimen.

Die erste Bewährung des neuen Geschwaders. Etwas, dessen man sich rühmen konnte, wenn das Wetter einen entmutigte oder das Essen zu schlecht war, um es überhaupt noch zu diskutieren.

Als Bolitho später an Deck ging, bemerkte er, daß Allday ihm mit seiner Seekiste schon zuvorgekommen war. Auch er schien mehr als erpicht darauf, wieder auf die Benbow zurückzukehren.

Er sah Pascoe und den kleinen Midshipman Penels auf der Backbord-Laufbrücke stehen und zu den Schiffen hinüberschauen. Als das vor Anker liegende Geschwader höher herauskam, sah er Pascoe sich umdrehen und mit fragendem Ausdruck nach achtern schauen.

Neale sagte:»Gebt mir mal ein Glas!» Er schaute an der anderen Fregatte vorbei, die elegant wendete und zum Geschwader zurücksteuerte.»Captain Herrick ist klar zum Ankeraufgehen, scheint es. «Er übergab Bolitho das Glas und beobachtete seine Reaktion.

Bolitho richtete das Glas auf den feucht schimmernden Rumpf der Benbow, die vor kurzgeholter Ankertrosse dümpelte. Die Segel waren lose aufgeholt und nicht so sauber festgezurrt, wie man erwartet hätte. Die Ankertrosse zeigte fast auf und nieder, genau wie bei den anderen Zweideckern. Er fühlte sich plötzlich unbehaglich, sagte aber so ruhig er konnte:»Wir müssen noch etwas Geduld haben.»

Neale schüttelte bedenklich den Kopf. Dann rief er:»Setzen Sie die Bramsegel, Mr. Pickthorn! Wir haben es eilig!»

Der Signalfähnrich der Benbow ließ sein Teleskop sinken und meldete:»Das Geschwader ist Anker auf, Sir!»

Bolitho griff in die Hängemattsnetze und beobachtete erst eines, dann das nächste Schiff, dessen Segel sich füllten oder wieder killten, und das sich dann durch den Winddruck auf die Seite legte, bis sie ihr Manöver beendet hatten. Wolfe, der Erste Offizier, führte das Kommando auf dem Achterdeck, aber offenbar nicht ganz im Sinne Herricks, was dessen Nervosität erklärte.

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