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Es war erst knapp fünfzehn Minuten her, seit Bolitho durch die Einlaßpforte geklettert war, fünfzehn Minuten, die mit vielerlei Tätigkeiten und scheinbarem Durcheinander erfüllt gewesen waren. Die Seeleute hatten unmittelbar nach seinem Anbordkommen auf den Rahen ausgelegt oder an Fallen und Brassen geholt, als hätten sie es wie ein

Startsignal erwartet.

Zwischen den vielerlei Dingen, die Herrick erledigen mußte, hatte er berichtet:»Ein Kurierschiff ist von Sheerness gekommen, Sir. Der Kommandant hatte Depeschen für Admiral Damerum, aber dessen Geschwader war inzwischen schon mit verschiedenen Zielen fortgesegelt. «Einige Sorgenfalten auf seinem Gesicht hatten sich bereits geglättet, als er dankbar hinzusetzte:»Bei Gott, es ist gut, daß Sie zurück sind, Sir. Ich wußte wirklich nicht, was ich tun sollte.»

In den kurzen Pausen zwischen Kommandos, die Herrick für Kursänderungen oder Segelkommandos gab, und während sich das Geschwader zur Kiellinie formierte, erfuhr Bolitho stückweise, was geschehen war. Er unterbrach oder drängte Herrick kein einziges Mal, denn er wollte es in dessen eigenen Worten hören und nicht in sorgsam für seine Ohren präparierter Rede.

Die wichtigsten Tatsachen: Ein französisches Geschwader war aus Brest ausgebrochen und in der Weite des Meeres verschwunden. Es wurde von Vizeadmiral Alfred Ropars befehligt, einem erfahrenen und wagemutigen Offizier. Er hatte das schreckliche Wetter ausgenutzt, aber mehr noch: zwei seiner Fregatten hatten im Schutz der Dunkelheit das britische Vorpostenschiff nahe an der Küste überfallen und erobert. Bolitho mußte an Inskips Ansichten über Autorität und Verantwortung eines Kommandanten denken. Der Kommandant der gekaperten Fregatte würde alles verlieren. Seine früheren Verdienste, seine ganze makellose Karriere würden nicht ausreichen, diese Panne ungeschehen zu machen.

Aber Bolitho wußte auch, wie leicht so etwas passieren konnte. Hin und her, auf und ab, bei jedem Wetter und jedem Seegang, da wurden die windzerzausten Schiffe des Blockadegeschwaders oft zu sicher, zu überzeugt davon, daß die Franzosen vernünftig genug sein würden, im Hafen zu bleiben, statt einen Kampf zu riskieren.

Ropars mußte den richtigen Zeitpunkt gewählt haben. Nachdem er das Patrouillenschiff aufgebracht hatte, waren seine schweren Schiffe im Morgengrauen ausgelaufen und verschwunden.

Die Information des Kurierschiffes war dürftig bis auf einen Punkt: Ropars war nach Norden gesegelt. Nicht nach Westen, Richtung Karibische See, oder nach Süden, zum Mittelmeer, sondern nach Norden.

Herrick sagte verzweifelt:»Ich war hin- und hergerissen. Wir mit unserem kleinen Geschwader hier anstelle von Admiral Damerum und

Sie — wie ich vermutete — in Kopenhagen. Die Admiralität nimmt an, daß Ropars eine Landung mit gleichzeitiger Volkserhebung in Irland unterstützen will. Da unsere Flotte so weit verstreut ist, scheint der Augenblick für einen derartigen Versuch gut gewählt.»

Bolitho nickte, sein Geist arbeitete.»Vor fünf Jahren, als ich Flaggkapitän von Sir Charles Thellwall auf der Euryalus war, habe ich in Irland viel Elend gesehen. Die Franzosen haben es schon damals versucht. Gut möglich, daß sie einen neuen Versuch unternehmen, Thomas.»

Herrick beschattete seine Augen, um nach den Bramrahen hinaufzuschauen, wo einige Matrosen sich mit Händen und Füßen festklammerten, als der Wind voll in die Segel einfiel.

Er sagte:»Ich entschied, daß ich nichts erreichen würde, wenn ich nach Irland segelte, Sir. Wir haben zu wenig Schiffe. «Er schaute Bolitho gerade in die Augen.»Und außerdem, Sir, sind Sie mein Befehlshaber.»

Bolitho lächelte. Es mußte eine schwere Entscheidung für Herrick gewesen sein. Wenn er das Falsche getan hätte, währe — Treue hin, Treue her — sein Kopf zusammen mit dem seines Admirals gefallen.

Doch er sprach mit Wärme:»Das haben Sie gut gesagt, Thomas. Ich sehe Sie schon bald Ihren eigenen Kommandostander führen, denken Sie an meine Worte!»

Herrick zog eine Grimasse.»Dafür würde ich mich nicht einmal bedanken, Sir.»

Er kam aufs Thema zurück.»Der französische Admiral hat nur ein Geschwader, nicht mehr. Das wissen wir genau. Und ich wette, jedes Schiff unserer Kanalflotte paßt jetzt höllisch vor den feindlichen Häfen auf, falls irgendein Schiff versuchen sollte, Ropars Geschwader zu verstärken.»

Bolitho löste seinen Griff von den Netzen. Es dauerte nicht lange, bis man sich an die anderen Schiffsbewegungen gewöhnt hatte: nach dem heftigen Schlingern einer Fregatte nun das schwerfällige Überholen eines Linienschiffes.

«Nun, Thomas? Weiter.»

Herrick biß sich auf die Lippen, als wünschte er, er hätte geschwiegen.

«Ich habe von Ihren Taten in der Ostsee gehört. Der Kapitän eines der Handelsschiffe, die Sie befreit haben, hat es mir berichtet. Es war saubere Arbeit, Sir, und das allein mit der Styx

Bolitho schaute auf die graue See ringsum, bereit, Herrick weiterreden zu lassen, ohne seinen Gedankenfluß zu unterbrechen.

«Es sieht den Franzmännern nicht ähnlich, lediglich eine einzige Fregatte für solch eine Aufgabe zu entsenden, Sir. Sie wissen ganz bestimmt, daß Ihr Geschwader jeden Versuch, die Handelsschiffe nach Frankreich zu entführen, verhindern würde. «Er streckte seine Hände aus.»Um alles in der Welt: Ich kann aber keinen anderen Grund für ihre Unternehmung entdecken.»

Bolitho starrte ihn an.»Es paßt alles zu gut zusammen, Thomas. Ist es das?«Herrick nickte.»Ja, Sir. Ich glaube, daß die Franzosen beabsichtigen, unser Geschwader nach Westen zu locken, damit es die Kanalflotte verstärkt und Ropars' Rückzugslinie von Irland bedroht, wenn er dort keinen Erfolg hat.»

Bolitho packte ihn am Arm.»Aber in Wirklichkeit segelt Ropars weiter nach Norden, möglicherweise um Schottland herum und dann an der norwegischen Küste herunter — nehmen Sie das an?»

Herrick leckte sich die Lippen.»Nun ja, Sir. Sie werden von Norden kommen. «Er blickte auf die verschwommene Linie der dänischen Küste.»Hierher.»

«Wo sie hoffen, daß die Tür zur Ostsee für sie offensteht, nicht wahr?«Es wäre zu schön, um wahr zu sein.

Bolitho sagte:»Signalisieren Sie dem Verband: >Kurs WestRelentless und Lookout so weit vorgesetzt wie möglich, ohne aus Sichtweite zu kommen. Wenn der Befehl ausgeführt ist, kommen Sie nach achtern, und bringen Sie den Master mit. Wir werden die Karte studieren und unsere Gedanken austauschen.»

Herrick schaute ihn — jetzt weniger sicher — an.

«Ich mag mit meiner Annahme völlig falsch liegen, Sir. Ist es das Risiko wert?»

«Wenn wir hier kämpfen müssen, liegen wir auf Legerwall. {Legerwall = eine Küste, auf die der Wind steht, was für Segelschiffe gefährlich ist} Nein, wir wollen auf freier See mit ihnen zusammentreffen, wenn überhaupt. Wir wollen ein paar von ihnen zusammenschießen und den Rest in die Flucht schlagen. Ich habe von Admiral Ropars gehört, Thomas. Was wir vermuten, ist genau das, was er versuchen wird.»

Herrick sagte betreten:»Er ähnelt Ihnen wohl ein bißchen, Sir.»

«Nicht ganz, hoffe ich. Sonst würde er unseren Plan durchkreuzen.»

Bolitho ging nach achtern in seine Räume, vorbei am steif dastehenden Posten der Seesoldaten, und zog am Schott so automatisch den Kopf ein, als wäre er noch auf der Fregatte.

Einige Zeit ging er ruhelos in der Kajüte auf und ab und überdachte noch einmal, was sich in so kurzer Zeit ereignet hatte: den seltenen Glücksfall, als Lookout die französische Brigg Echo aufgebracht hatte. Ihre Ankunft in Kopenhagen. Den Angriff im Schneesturm. An die Männer, die sterben mußten, und die anderen, die ihm zugejubelt hatten.

Auch jetzt hörte er Jubelrufe, als wären seine Gedanken laut geworden, aber als er durch das Heckfenster schaute, sah er die Fregatte Styx unter der vollen Pyramide ihrer dichtgeholten Segel stolz hinter den langsameren Zweideckern vorbeigleiten. Das Geschwader jubelte diesmal einem Kameraden zu, dem narbenbedeckten Sieger, der zur Ausbesserung und vielleicht zu einem glorreichen Empfang nach Hause fuhr.

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