Литмир - Электронная Библиотека

Er drehte sich um und beobachtete einen der Frachter, der nahe an ihnen vorbeisegelte. Auf seiner Backbord-Laufbrücke wimmelte es von Männern, die ihnen freudig zuwinkten.

Trocken fügte er hinzu:»Wir haben erledigt, wofür wir gekommen sind. Ich hielt es für angemessen, wenn wir ein paar der besseren Seeleute bei ihnen ausliehen. Auf diese Weise könnten sie ihre Dankbarkeit beweisen.»

Pascoe kam nach achtern und tippte an seinen Hut. Er wartete, bis Neale wegging, um sich der zahllosen Probleme anzunehmen, die nach dem Kampf seiner harrten. Dann sagte er:»Das war schnell geschafft, Sir!»

Bolitho legte ihm die Hand auf die Schulter.»In knapp zwanzig Minuten. Ich kann es kaum glauben. Neale ist ein großartiger Seemann. «Pascoe sah ihn nicht an, aber um seinen Mund zuckte ein Lächeln.

«Ich glaube, er hat eine Menge auf seinem früheren Schiff gelernt, Onkel.»

Mr. Charles Inskip ging im Saal auf und ab, als wäre er nicht groß genug für ihn. Selbst die Perücke, die er aufgesetzt hatte, um sich mit Würde zu wappnen, war durch seine Erregung verrutscht.

«Verdammt, Bolitho, was soll ich bloß mit Ihnen machen?«Er wartete die Antwort nicht ab.»Sie mißbrauchen die dänische Neutralität, indem Sie sich bei Nacht davonschleichen, und nun kommen Sie mit einer Räuberpistole von >Befreiungsaktion< zurück nach Kopenhagen! Sie haben offenbar keinen Sinn dafür, daß Sie besser weggeblieben wären!»

Bolitho wartete, daß der Sturm sich legte. Er hatte Mitgefühl für Inskips schwierige Rolle, bedauerte aber keinen Augenblick, daß er die Schiffe befreit hatte. In diesem Augenblick mußten sie gerade um Skagen in die Nordsee hinaussegeln. Unausdenkbar, was geschehen wäre, wenn er sie in den Händen des Zaren gelassen und der sie den Franzosen als Geschenk oder zur Bestechung ausgeliefert hätte. Noch grausamer wäre es gewesen, ihm die unglücklichen Besatzungen zu überlassen. Die Männer wären in irgendeinem Gefangenenlager verfault oder im feindlichen Klima umgekommen.

Er sagte leidenschaftslos:»Es war das mindeste, was ich tun konnte, Sir. Die Handelsschiffe brauchen keinen Angriff von seiten der Dänen zu befürchten. Sie waren rechtswidrig beschlagnahmt worden, zumindest ebenso rechtswidrig wie die dänischen Schiffe Anfang des Jahres durch uns. Aber wenn ich hier nicht wieder geankert, sondern mich an den Kanonen des Öre-Sunds vorbeigeschlichen hätte, wäre eine Katastrophe heraufbeschworen worden.»

Er mußte plötzlich an ihre Rückfahrt denken. Obwohl niemand sie überholt hatte, waren ihnen die Gerüchte vorweggeeilt. Als sie in Kopenhagen ankamen, war das Ufer trotz der Kälte vollbesetzt mit schweigend dastehenden Menschen, und später, als der Hafenadmiral erlaubt hatte, daß sie ihr Schiff ausbesserten und ihre Toten zur Beisetzung an Land brachten, war etwas wie ein großer Seufzer von den Zuschauern aufgestiegen.

Inskip schien Bolitho nicht zu hören.»Ich hätte derartiges Handeln von einem Ihrer Kommandanten in Kauf genommen, aber nicht vom

Befehlshaber des Geschwaders, gewiß nicht. Allein schon durch Ihre Gegenwart repräsentieren Sie König und Parlament.»

«Sie wollen damit sagen, ein einfacher Kapitän könnte entlassen oder vor ein Kriegsgericht gestellt werden, wenn die Dinge sich gegen ihn wenden, Sir?»

Inskip unterbrach sein erregtes Auf- und Abgehen.»Schön. Sie kennen also das Risiko eines selbständigen Entschlusses ebenso wie seinen möglichen Lohn.»

Bolitho wußte, daß sie auf diese Weise nicht weiterkamen. Er sagte:»Wie dem auch sei, ich würde meinem Flaggkapitän gern eine Nachricht schicken, wenn das möglich ist. Ich habe ihm angekündigt, höchstens eine Woche auszubleiben. Die ist jetzt um.»

Inskip starrte ihn an.»Verdammt, Bolitho! Ich habe ja nicht gesagt, daß Sie nicht erreichen, was Sie sich vorgenommen haben. Es sind Ihre Methoden, gegen die ich Bedenken habe. «Er zeigte ein schwaches Lächeln.»Ich habe Ihrem Geschwader schon Nachricht zukommen lassen. «Dann schüttelte er den Kopf.»Ich weiß nicht, was Sie im Parlament oder hier im Schloß erzählen werden, aber ich hätte eine Menge darum gegeben, zusehen zu können, wie Sie unsere Handelsschiffe befreiten! Mein Adjutant hat schon mit Ihrem Captain Neale gesprochen. Dieser junge Mann erzählte ihm, daß die Styx den Feind in weniger als zwanzig Minuten besiegt hatte.»

Bolitho erinnerte sich an Herricks Bemerkung: >Männer, nicht Schiffe gewinnen Schlachten!< Er sagte:»Das ist wahr, Sir. Es war das schnellste Gefecht einer Fregatte, dem ich je als Zeuge beiwohnte.»

Inskip sah ihn ruhig an.»Ich nehme an, Sie waren nicht nur >als Zeuge< dabei. «Er ging ans Fenster und schaute auf den Platz hinunter.»Das Schneetreiben hat aufgehört. «Wie nebenbei fügte er hinzu:»Sie müssen sich für ein Treffen mit dem Generaladjutanten bereithalten. Vielleicht schon heute abend. Bis dahin we rden Sie mein Gast sein.»

«Und das Schiff, Sir?»

«Man hat mir versichert, daß es den Hafen verlassen kann, wenn die Reparaturen ausgeführt sind, aber…«Das Wort hing in der Luft, als er sich umdrehte und Bolitho direkt ins Gesicht schaute.»Sie werden sich wohl auf einen längeren Aufenthalt einrichten müssen, falls die Dänen mich auffordern, Sie ihnen auszuliefern. «Er rieb sich die Hände, als ein elegant gekleideter Lakai mit einem Tablett hereinkam, und sagte:»Aber im Augenblick wollen wir lieber erst einmal auf Ihren, äh, Sieg anstoßen!»

Später, als Leutnant Browne hinzugekommen war, diktierte Bolitho einen ausführlichen Bericht über seine Entdeckung und seine Unternehmung gegen die französische Fregatte. Er überließ es höheren Stellen, die Schlußfolgerungen über Recht oder Unrecht seiner Handlung zu ziehen.

Sollte man es gestatten, daß ein französisches Schiff in schwedischen Gewässern und in Anwesenheit eines russischen Kriegsschiffes von diesem beschlagnahmte britische Handelsschiffe kaperte? Dieser völkerrechtliche Knoten ließ sich nicht so leicht lösen, dachte er.

Er lehnte sich zurück und beobachtete Brownes Miene.»Habe ich irgend etwas vergessen?»

Browne sah ihn einige Sekunden lang an.»Ich glaube, Sir, je weniger Sie darüber zu Papier bringen, desto besser. Ich hatte an Bord des Frachters Zeit zum Nachdenken. Da befand ich mich in der Lage, selber handeln zu müssen, anstatt nur Ratschläge zu geben. Sie haben ein Gefecht gewonnen, nichts Gewaltiges, was das Antlitz der Erde verändern wird, aber es ist genau das, was unseren Leuten zu Hause Auftrieb geben kann. Sie hassen es, wenn einfache Leute wie sie von einer fremden Macht brüskiert und gedemütigt werden. Aber es gibt sicher auch Leute, die nicht so freundlich über Sie denken.»

Bolitho lächelte nachdenklich.»Weiter, Browne, ich bin ganz Ohr.»

Browne sagte:»Admiral Sir Samuel Damerum zum Beispiel, Sir, wird nicht begeistert sein. Er könnte dadurch in den Augen anderer als Narr erscheinen, als Mann, dem es an Mut fehlt, sich für kleine Dinge — wie auch für große — einzusetzen. «Browne lachte etwas verlegen, als ob er zu weit gegangen wäre.»Wie ich sagte, Sir, ich hatte Gelegenheit, meine Einstellung zu den Mächtigen zu ändern, während ich weg war. Ehrlich gesagt: Ich bin froh, Leutnant zu sein, und dazu ein solch bevorzugter.»

Bolitho rieb sich das Kinn und streifte seinen Ehrensäbel auf dem Stuhl mit einem Blick. Auch dieses Omen war falsch gewesen. Er hatte recht getan zu handeln, und obwohl Neale zehn Tote dabei zu beklagen hatte, war es den Einsatz wert gewesen. Keine weltverändernde Schlacht, wie Browne es ausgedrückt hatte, doch sie würde ihr Selbstbewußtsein stärken und der Welt zeigen, daß England — auch wenn es allein stand — nicht zögerte, sich für seine Landsleute einzusetzen, wenn es darauf ankam.

Eine Stunde später befand er sich mit Inskip in einem Wagen auf dem Weg zum Schloß.

Es war schon spät und die Straße fast leer. Die Szenerie ähnelte mehr einem Mordkomplott als einer einfachen Befragung, dachte er. Allday hatte mitkommen wollen, aber Inskip war hart geblieben.

23
{"b":"113328","o":1}