«Es schien mir ratsam, diese Gefahr zu beseitigen, ehe wir uns auf weiteres einließen, Sir.»
«Vielleicht. «Es klang etwas vorsichtig.»Aber inzwischen wissen Franzosen und Spanier, daß sie das Geschwader aus Gibraltar jetzt vor ihrer Nase haben. Es ist daher um so wichtiger geworden, daß sie zu Ende führen, was geplant war, das ist ganz klar. «Er nickte bekräftigend.»Ich beabsichtige, mit dem Geschwader Kurs auf Cartagena zu nehmen. Denn wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was die Agenten berichten, so zieht der Feind dort seine Kriegs- und Transportschiffe zusammen. Was könnte auch wahrscheinlicher sein? Es wäre ein weiterer Versuch, die Beziehungen der beiden Länder nach ihrer Niederlage bei St. Vincent zu kräftigen.»
Bolitho nickte. Offenbar hatte der Admiral in den letzten Tagen gründlich über die Lage nachgedacht. Verständlicherweise. Denn wenn er nach Gibraltar zurückkam und dort berichtete, daß Djafou nutzlos und Draffen von einem seiner eigenen Offiziere getötet worden war, dann konnte ihn das teuer zu stehen kommen. Broughton hatte bereits mit seiner Rolle bei der Spithead-Meuterei und dem Verlust der Auriga das Mißvergnügen der Admiralität erregt, und mehr als jeder andere brauchte er einigen Zuwachs auf seinem Habenkonto; aber dazu reichte die Aufbringung der Navarra und einer kleinen Brigg schwerlich aus.
«Sehr wahrscheinlich, Sir«, antwortete er.»Doch ebenso möglich ist es, daß wir dem Feind auf offener See begegnen.»
«Darauf hoffe ich sogar. «Broughton, der jetzt einige Erregung erkennen ließ, schritt zum Fenster.»Wenn wir sie in ein Gefecht verwickeln, müssen wir ihnen zeigen, daß wir nicht zum Spaß hier sind. Und daß nach uns noch andere und Stärkere kommen.»
«Und wenn wir in Cartagena nichts vorfinden — was dann, Sir?»
Broughton wandte sich um und sah ihm gelassen ins Gesicht.»Dann, Bolitho, bin ich ruiniert. «Er schien zu merken, daß er zu viel Vertraulichkeit gezeigt hatte, und fuhr knappen Tones fort:»Wir lichten morgen früh Anker. Commander Inch segelt mit der Navarra und der Brigg nach Gibraltar zurück. Er nimmt außerdem die ganze Kastellbesatzung und die, äh, Zivilisten mit, die wir übernommen haben. Zweifellos wird es dem Gouverneur von Gibraltar sehr lieb sein, sie gegen britische Kriegsgefangene austauschen zu können.»
«Ich habe im Festungsmagazin Sprengladungen legen lassen, Sir.»
«Gut. Wir werden sie zünden, bevor wir segeln. «Er seufzte.»Also dann.»
Er machte Miene zu gehen, und Bolitho fragte rasch:»Ich hoffe, Sie werden Mr. Keverne als Kommandant auf der Brigg einsetzen, Sir?»
Der Admiral wich jedoch seinem Blick aus.»Ich fürchte, das geht nicht. Sie haben schon genug Ausfälle, und wir brauchen jeden erfahrenen Offizier. Ich werde Fourneaux anweisen, daß er einen Prisenoffizier abstellt.»
Fragend nickte er zu Angus hinüber, der, sich die Hände abwischend, hereinkam.»Draffen war tot, Sir«, sagte der Arzt.
Gleichgültig erwiderte der Admiral:»Dachte ich mir. Nun, Mr. An-gus, Captain Bolitho bleibt über Nacht hier und geht erst morgen früh, eine halbe Stunde vor Segelsetzen, an Bord. Arrangieren Sie das. Dann lassen Sie Calvert suchen und ihm bestellen, ich brauche ihn sofort, um die Geschwaderbefehle auszuschreiben. «Auf einmal lächelte er und sah um Jahre jünger aus.»Wissen Sie, Bolitho, ich war mal in Versuchung, mit Calvert das Rapier zu kreuzen, um ihm eine Lehre zu erteilen. Hätte ich das getan, so wären Sie jetzt Geschwaderkommandeur und müßten statt meiner in Gibraltar den Kopf hinhalten!«Der Gedanke schien ihn mächtig zu amüsieren, denn er lächelte immer noch, als er aus dem Zimmer ging.
Bolitho schloß die Augen und lehnte sich in den Sessel zurück. Alle Kraft und Energie hatten ihn verlassen; er fühlte sich vollständig ausgelaugt.
«Nur eine Nacht«, sagte er, halb zu sich selbst. Sie strich ihm übers Haar und sagte leise:»Ja. Eine Nacht. «Und dann:»Für uns.»
XVII Wiedervereint
Leutnant Charles Keverne stand mit verschränkten Armen an der Achterdecksreling und überwachte die geschäftige Tätigkeit an Deck und in den Masten. Die Euryalus war nicht in die Bucht eingelaufen, sondern hatte mit dem gesamten Geschwader vor der schnabelförmigen Landzunge Anker geworfen. Jetzt, im bleichen Morgenlicht, wirkten sogar die kahlen Berge weniger feindselig, schien die Festung ein ruhiger, harmloser Bau zu sein.
Keverne ließ sich vom Midshipman der Wache ein Teleskop geben und richtete es auf die Tanais, die im auffrischenden Wind an ihrem Kabel zerrte und deren Rahen von Matrosen wimmelten. Er konnte die Narben am Heck erkennen, wo der massive Rumpf der Euryalus kollidiert war. Gott sei Dank waren die Reparaturen am Rigg fertig geworden, ehe der Kommandant wieder an Bord gekommen war.
Wie die Offiziere und Mannschaften, die Bolitho gesehen hatte, als er durch die Fallreepspforte stieg, war auch Keverne erleichtert und gleichzeitig besorgt. Das Lächeln des Kommandanten war echt gewesen, und zweifellos freute er sich, daß er wieder an Bord seines Schiffes war. Aber der Arm lag steif in der Tragschlinge, und als er mit
Alldays Hilfe durch die Pforte kletterte, war ihm deutlich anzusehen, daß er große Schmerzen litt.
Seit der trübseligen Rückkehr von der ergebnislosen Jagd und der Kollision mit der Tanais schwirrten die Gerüchte nur so durch das Schiff. Broughtons Laune entsprach den Umständen; und schon aus diesem Grund hoffte Keverne, daß Bolitho imstande sein würde, sowohl seinem Vorgesetzten mit gutem Rat zur Seite zu stehen, als auch sein unruhig gewordenes Schiff wieder in den Griff zu bekommen.
Keverne überdachte, was er selbst bisher geleistet hatte. Er hatte die bei den Gefechten verwundeten und gefallenen Mannschaften zum Teil ersetzt, die Marine-Infanteristen wieder an Bord genommen, das Schiff wieder seeklar gemacht. Lucey und Lelean waren tot und Bo-litho noch keineswegs wieder dienstfähig; somit war das Schiff gerade in dieser kritischen Lage erheblich unterbemannt.
Auf dem Backborddecksgang kam Leutnant Meheux herbei und lüftete den Hut.
«Anker ist kurzstag, Sir!«Es klang ganz vergnügt.»Ich bin nicht traurig, wenn wir dieses Loch auf Nimmerwiedersehen verlassen!»
«Auf der Festung wird die Flagge niedergeholt«, verkündete Par-tridge.
Wieder hob Keverne das Teleskop.»Ja, stimmt. «Er sah zu, wie der Wimpel unter der Brustwehr verschwand, und fragte sich, wie es wohl dem letzten zumute sein mochte, der die Festung verließ, wo schon die Lunten glommen.
Er winkte einem Midshipman.»Melden Sie dem Kommandanten mit allem Respekt, daß der Anker kurzstag ist und der Wind auf Südwest gedreht hat, Mr. Sandoe.»
Partridge sah dem hinwegeilenden jungen Manne nach.»Da haben wir Glück und brauchen uns nicht so zu quälen, um von der Landzunge klar zu kommen.»
Soeben legte ein Fahrzeug mit lohfarbenen Segeln von der Festung ab — Keverne sah es mit Verbitterung. Es war die Torquoise, die Brigg; in dem klaren Morgenlicht bot sie ein schönes, lebensvolles Bild. Wieder eine Chance verpaßt. Beinahe wäre das sein Schiff geworden! Flüchtig fragte er sich, ob Bolitho ihn wohl deswegen an Bord behalten hatte, weil er selbst nicht voll dienstfähig war. Aber er ließ den Gedanken ebenso schnell wieder fallen. Weder Bickford, der mit dem Kommandanten zusammen gekämpft hatte, noch Sawle, den er nicht ausstehen konnte, hatten die Torquoise bekommen. Somit war es ganz offensichtlich Broughton gewesen, der mit einem Federstrich einen kleinen Leutnant von der Valorous auf die erste Stufe der Beförderungsleiter katapultiert hatte. Ärgerlich stampfte Keverne mit dem Fuß auf. Was hatte er sich für Mühe gegeben! Und zweifellos erwarteten ihn, wenn sie die feindliche Küste erreichten, irgendwelche neuen Enttäuschungen; der Admiral würde bestimmt wieder was zu schimpfen haben.»Die Navarra hat abgelegt, Sir!»