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Bolitho versuchte, ebenfalls zu lächeln, um seinen Zorn zu verbergen. Zorn — nicht über das geplante Dinner, sondern weil es ihm nicht gelungen war, Broughton zu überzeugen. Er war wütend auf sich selbst, weil er die Unterredung schlecht geführt hatte. Der Admiral konnte, wie er soeben erklärt hatte, nur auf Grund von Tatsachen entscheiden; aber er wußte auch nur das, was ihm berichtet wurde.

«Entschuldigung, Sir«, erwiderte er,»ich hatte nicht die Absicht.»

Broughton hob die Hand.»Entschuldigen Sie sich nicht. Mir ist es nur lieb, wenn ein Mann etwas Feuer im Leib hat. Wenn ich einen Flaggkapitän wollte, der immer nur ja sagt — von der Sorte hätte ich hundert haben können. «Er nickte.»Und Sie sind die ganze Nacht auf gewesen, daran liegt es vielleicht auch. Jetzt seien Sie so gut und schicken Sie mir den Zahlmeister. Ich will ihm sagen, was ich aus der Stadt brauche. Ich habe sie mir gerade angesehen. Klein, aber nicht allzu ländlich, wie ich hoffe.»

Erst jetzt lächelte Bolitho ebenso unbeschwert.»Ich bin hier geboren, Sir.»

Kühl sah ihm der Admiral in die Augen.»Nun, das ist wenigstens ein Zugeständnis.»

Bolitho schickte sich zum Gehen an, blieb aber stehen und fragte:»Kann ich Befehl geben, daß die Geschütze eingefahren werden, Sir?»

«Sie sind der Kommandant dieses Schiffes, Bolitho. «Er zog eine Braue hoch.»Hatten Sie etwas gegen meine Maßnahme?»

«Nicht eben das. «Es ging wieder los, aber er konnte sich nicht zurückhalten.»Ich bin jetzt achtzehn Monate an Bord der Euryalus. Die Affäre mit der Fregatte ist schon schlimm genug, ohne daß meine Männer obendrein auf ihresgleichen schießen müssen.»

«Na schön«, gähnte Broughton.»Ihnen liegt viel daran, wie?»

«Am Vertrauen meiner Leute? Aye, sehr viel. «Er nickte bedeutsam.

«Ich muß Sie wirklich mal mit nach London nehmen, Bolitho. «Broughton schritt wieder zum Fenster, sein Gesicht lag im Schatten.»Sie wären tatsächlich etwas ganz Neues dort. Ein Unikum, sozusagen.»

Als Bolitho wieder auf dem sonnigen Achterdeck stand, wußte er nicht, wie er dorthin gekommen war. Keverne faßte an den Hut und fragte nervös:»Haben Sie Befehle,

Sir?»

«Ja, Mr. Keverne. Sagen Sie dem Zahlmeister, er soll zum Admiral kommen. Anschließend lassen Sie die Geschütze einfahren. Und dann…«Er stockte und dachte an die Auriga und Broughtons stille Amüsiertheit.

«Und dann, Sir?»

«Dann gehen Sie mir aus dem Wege, bis auf Widerruf, Mr. Kever-ne!»

Er trat zur Reling und begann, dort auf- und abzugehen, in tiefster Konzentration und mit grimmig zusammengezogenen Brauen. Der Master sah hinter ihm her und sagte leise zu dem erschütterten Kever-ne:»Da hat's Stunk gegeben. Und nicht wenig, wie mir scheint.»

Keverne blitzte ihn an.»Wenn ich Ihre Meinung brauche, Mr. Partridge, dann werde ich Sie, verdammt noch mal, danach fragen!«Damit enteilte er zur Achterdecksleiter.

Partridge warf einen Blick auf die neue Flagge am Fockmast. So ein junger Hund, dachte er mitleidslos. Es ist doch immer dasselbe in der Flotte: ein Anschiß wird nach unten weitergegeben. Er wandte sich um — da hatte der Kommandant seinen Spaziergang unterbrochen und starrte ihn nachdenklich an.

«Sir?»

«Ich denke gerade, Mr. Partridge, wie schön es sein muß, wenn man auf der ganzen weiten Welt nichts anderes zu tun hat als in der Sonne zu stehen und zu grinsen wie ein Dorftrottel.»

Der Master schluckte mühsam.»Entschuldigung, Sir.»

Überraschenderweise lächelte Bolitho.»Aber wenn Sie wollen, bleiben Sie ruhig so stehen. Ich habe das Gefühl, daß dieser Frieden recht kurz sein wird. «Er drehte sich um und schritt rasch unter die Kampanje, seiner Kajüte zu.

Seufzend fuhr sich Partridge mit einem roten Tuch über sein Doppelkinn. Als Steuermann auf einem Flaggschiff hatte man manchmal ein hartes Leben. Dann sah er zu der vor Anker liegenden Fregatte hinüber und schüttelte melancholisch den Kopf. Anderen geht es noch viel schlechter, dachte er. Ganz erheblich schlechter.

IV Als Warnung für alle

Die elegante, kastanienbraun lackierte Berline[17] ratterte geschäftig über die gewölbte Brücke und bog dann links in die Landstraße nach Falmouth ein.

Richard Bolitho fing mit einer Hand das Schaukeln ab, mit dem die Räder in die tiefen Wagenspuren tauchten, und blickte in den Staub, den die Pferdehufe und die Räder aufwühlten. Nur mit halbem Auge sah er die Landschaft vorbeiziehen, das viele Grün, hier und da ein paar Schafe in den Wiesen zu selten der schmalen, gewundenen Straße. In seinem besten Galarock fühlte er sich heiß und unbehaglich, und in der heftig schaukelnden Kutsche war es schlimmer als in einem kleinen Boot im kabbligen Hafenwasser; doch all das kam ihm kaum zum Bewußtsein.

Tags zuvor war Konteradmiral Thelwall in Bolithos Haus im Schlaf gestorben und hatte nun, zum erstenmal seit Monaten, Frieden. Als Captain Rook die Nachricht zu der vor Anker liegenden Euryalus brachte, hatte Vizeadmiral Broughton gesagt:»Soviel ich weiß, wollte er in Norfolk beerdigt werden. Erledigen Sie das, Bolitho. «Und dabei hatte er wieder so leicht gelächelt.»Ich denke mir, Sir Charles hätte es sich gewünscht, daß Sie ihn auf seiner letzten Reise ein Stück begleiten.»

Mit unpassender Eile war die kleine Wagenprozession nach Truro aufgebrochen, wo die sterbliche Hülle des Admirals auf Fahrgelegenheit für die weite Reise nach Norfolk warten würde.

Es ließ sich nur schwer sagen, ob Broughtons Bedauern aufrichtig war. Gewiß hatte er mit seinem neuen Kommando viel zu tun, und doch gewann Bolitho den deutlichen Eindruck, daß Broughton ein Mann war, der wenig Zeit an Dinge wandte, die sich nicht hundertprozentig lohnten. Oder an Menschen, denen man nicht mehr helfen konnte, oder die ihm nichts mehr nützten.

Die Berline bog ab, und Bolitho hörte den Kutscher lauthals einen kleinen Leiterwagen beschimpfen, den ein schläfriges Pony zog. Der Wagen war mit Hühnern und allerlei Farmprodukten beladen, und der rotgesichtige Kutscher schimpfte ebenso ordinär zurück.

Bolitho lächelte. Das war vermutlich ein Tagelöhner seines Schwagers; und plötzlich fiel ihm ein, daß er in den vier Tagen, seit er die Auriga nach Falmouth gebracht hatte, weder ihn noch sonst jemanden von der Familie gesehen hatte.

Jetzt erreichte die Kutsche das bessere Stück Landstraße, die letzten drei Meilen bis zur Küste; und er dachte an die hektischen und anstrengenden Tage seit seiner und des neuen Admirals Ankunft.

Einen Menschen wie Broughton hatte er noch nie erlebt. Gewöhnlich wirkte er ganz ungezwungen; aber seine Stimmungen wechselten schnell, und er wurde anscheinend nie müde.

Bolitho erinnerte sich an das Dinner in der großen Kajüte; wie er da das Gespräch der versammelten Offiziere in Gang gehalten hatte, ohne es jemals an sich zu reißen, und doch wußte jeder einzelne, daß er ständig kontrolliert wurde.

Bolitho war keineswegs sicher, daß er genau ergründet hatte, was für ein Mann hinter dieser Maske aus Charme und Eleganz steckte. Wenn Bolitho Sir Lucius manchmal kalt und unnahbar fand, so war das, wie er genau wußte, nur ein anderes Wort für sein Unbehagen und Mißtrauen gegenüber vielem, was der Admiral verkörperte: die Privilegien, die unbestrittene Macht, diese ganz andere Welt, an der Bolitho keinen Anteil hatte und auch keinen Anteil wollte.

Wenn Broughton von seinem Haus in London sprach, von den Leuten mit großen Namen und großem Einfluß, die dort ständig ein und aus gingen, dann war das keineswegs leere Prahlerei. Es war seine natürliche Art zu leben, etwas, das ihm einfach zustand.

Wenn man ihn in der leicht schwankenden Kajüte des großen Drei-deckers und beim gemütlich kreisenden Wein so reden hörte, konnte man sich des Gedankens nicht erwehren, daß alle wichtigen Entscheidungen in diesem Kriege gegen Frankreich und seine immer zahlreicheren Alliierten nicht in der Admiralität getroffen wurden, sondern bei Gesellschaften an Londoner Kaffeetafeln und in Häusern wie dem Broughtons.

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leichte Reisekutsche; ein ursprünglich in Berlin entwickelter Wagentyp.

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