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«Als Flottenbasis, Sir?«fragte Raffles mit seiner groben Stimme.

«Vielleicht. «Draffen richtete sich auf.»Aber meine Agenten haben mir von einem regen Kommen und Gehen in Cartagena berichtet. Es wäre gut, wenn unser Wiedereintritt ins Mittelmeer mit einer Aktion verbunden wäre, mit etwas Positivem. «Wieder tippte er auf die Karte.»Ihr Admiral weiß bereits, worum es sich handelt; aber Ihnen, Gent-lemen, will ich jetzt verraten, daß ich unsere Flagge über Djafou zu sehen wünsche, und zwar möglichst bald.»

«Mein Geschwader hat nicht seine volle Sollstärke, Sir«, warf

Broughton ein. In der plötzlichen Stille klangen seine Worte beinahe ablehnend. Doch dann wandte er die Augen ab und fuhr fort:»Aber natürlich, wenn Sie meinen…»

Draffen nickte mit Nachdruck.»Jawohl, das meine ich, Sir Lucius. Ich habe Bombenwerferschiffe aus Lissabon angefordert. Sie werden in ein oder zwei Tagen eintreffen. «Sein Ton wurde härter.»Wenn die Flotten von Spithead und der Nore nicht so sehr mit ihren internen Angelegenheiten zu tun hätten, hätte Ihr Geschwader fünfzehn oder sogar zwanzig Linienschiffe statt vier. «Er zuckte die Achseln.»Und jetzt hat es nur eine Fregatte.»

Mit neuerlichem Achselzucken ließ er das Thema fallen.»Aber das ist Ihre Sache. «Er schnippte mit den Fingern.»Jetzt wäre ein Schluck Wein angebracht, also rufen Sie den Steward wieder herein. «Grinsend sah er in die Gesichter der Offiziere, in denen sich recht gemischte Gefühle spiegelten.»Anschließend haben wir noch eine Menge zu tun.»

Wieder sah er Bolitho an.»Sie sagen sehr wenig, Captain.»

Ärgerlich fuhr Broughton dazwischen:»Ich werde meinen Flaggkapitänselbst informieren, wenn Sie nichts dagegen haben.»

«So gehört es sich auch. Immerhin — ich werde mich Ihrem Geschwader auf einige Zeit anschließen. «Draffen nahm dem Steward ein Glas ab und fuhr unentwegt lächelnd fort:»Nur um sicherzustellen, daß Ihr Weg auch der meine ist — wie?»

Bolitho wandte sich ab. In Gedanken war er bereits mit Draffens munter vorgebrachten, aber außerordentlich mageren Informationen beschäftigt.

Daß britische Schiffe aufs neue die südlichen Verbindungswege von Bonapartes wachsendem Imperium angreifen sollten, war in der Tat eine gute Nachricht. Eine neue, strategisch günstig gelegene Basis für die Flotte zu erobern und zu halten, war gewiß ein Plan, zu dem sowohl Können als auch Phantasie gehörte.

Aber wenn andererseits Broughtons Geschwader nur die Kastanien aus dem Feuer holen, als Mittel zu dem Zweck dienen sollte, den Feind zur Verlegung bedeutender Streitkräfte aus dem Atlantik ins Mittelmeer zu veranlassen, dann konnte es für sie alle sehr übel ausgehen. Daß Draffen eine ganze Menge zu sagen hatte, daran war wohl nicht zu zweifeln; aber sein genauer Status blieb noch immer im dunkeln. Vielleicht wußte er schon etwas über eine Verschlimmerung der Lage in der Nore? Ein kleines Geschwader zu opfern, um den starken feindlichen Druck auf die Kanalflotte zu mildern, das mußte den Lords der Admiralität nicht mehr Skrupel verursachen als Taylors Tod Broughton belastet hatte.

Eins wußte Bolitho ganz genau: was auch bereits entschieden sein mochte, er würde in jeder Phase direkt und persönlich beteiligt sein. Diese Aussicht hätte ihn eigentlich freuen müssen; aber der Gedanke, daß der Oberbefehl in den Händen Broughtons und Draffens liegen würde, gab der Sache einen ganz anderen Aspekt.

Broughton war zu Fourneaux getreten und sprach mit ihm. Draffen kam zu Bolitho herüber, offenbar im Begriff, sich zu verabschieden.

«Freut mich, Sie kennengelernt zu haben, Captain«, sagte er.»Ich glaube, wir werden gut miteinander auskommen. «Er machte Calvert ein Zeichen und fuhr ganz beiläufig fort:»Übrigens kannte ich Ihren Bruder. «Damit drehte er sich kurz um und ging zu Broughton und den anderen hinüber.

VI Im Verband

Erst drei Tage später bekam Bolitho Sir Hugo Draffen wieder zu Gesicht. Er hatte an Bord der Euryalus und auf den anderen Schiffen so viel zu tun gehabt, daß ihm wenig Zeit zum Nachdenken über Draf-fens Abschiedsworte geblieben war.

Die Tatsache, daß er Hugh gekannt hatte, verriet, daß Draffen in Westindien gelebt und gearbeitet hatte oder sogar in Amerika während der Revolution. Sonst wäre es wenig sinnvoll gewe sen, daß er so geheimnisvoll tat. Draffen war der typische Geschäftsmann, einer von denen, die Kolonien gründen halfen, um persönlichen Gewinn daraus zu ziehen. Ein gerissener Kaufmann, der auch, Bolithos Ansicht nach, ziemlich rücksichtslos sein konnte, wenn es sich so ergab.

Vielleicht war Draffens Bemerkung nur ein Eröffnungszug gewesen, um mit Bolitho in persönlicheren Kontakt zu kommen. Wenn sie in den nächsten Wochen und Monaten harmonisch zusammenarbeiten sollten, war das ganz natürlich. Aber seit sein Bruder zum Feind übergelaufen war, hatte Bolitho eine regelrechte Mauer der Vorsicht in seinem Innern aufgebaut und reagierte auf die bloße Erwähnung von Hughs Namen mit krankhafter Empfindlichkeit.

Es gab viel zu tun: Ergänzung der Verpflegungs- und Trinkwasservorräte für die Reise und Übernahme aller Ersatzteile, die man von der

Administration durch Bitten oder Bestechung ergattern konnte. War man erst einmal im Mittelmeer, so hatte man keine Basis mehr und war auf solche Lebensmittel angewiesen, die man erbeutete oder sonstwie beschaffte.

Aus einem weiteren, noch dringlicheren Grunde war Selbstversorgung nötig. Zwei Tage nach dem Ankerwerfen hatte Bolitho eine Korvette in die Bucht kreuzen sehen, die, wie es hieß, Depeschen aus England brachte.

Unverzüglich hatte Broughton ihn kommen lassen und ihm mit grimmigem Gesicht eröffnet:»Die Meuterei in der Nore hat sich ausgeweitet. Fast alle Schiffe sind in den Händen von Delegierten.«Er spie das Wort aus, als sei es Gift.»Sie blockieren die Themse und stellen der Regierung erpresserische Forderungen.»

Broughton war aufgesprungen und ruhelos in der Kajüte umhergegangen wie ein wildes Tier im Käfig.»Und Admiral Duncan sollte Blockade vor der holländischen Küste fahren. Was kann er jetzt noch tun, wenn die meisten seiner Schiffe in den Händen von Aufrührern sind und festliegen?»

«Ich werde die anderen Kommandanten informieren, Sir.»

«Ja, sofort! Die Korvette segelt gleich wieder mit Depeschen nach England zurück; es ist also kaum zu befürchten, daß unsere Leute angesteckt werden. «Etwas langsamer fuhr er fort:»Ich habe in meinem Bericht auch den Verlust der Auriga mit allen Einzelheiten geschildert. Es könnte den Franzosen einfallen, sie zu Spionagezwecken zu benutzen; je eher also unsere Flotte über ihre neue Nationalität Bescheid weiß, um so besser. Wir wissen noch nicht, ob sie die Flagge tatsächlich auf Grund einer Meuterei gestrichen hat. «Dabei hatte er Bolitho nicht angesehen.»Vielleicht waren alle Offiziere schon gefallen oder kampfunfähig, als sie Bord an Bord lagen; so kann die führungslose Mannschaft überwältigt worden sein.»

Aber offensichtlich glaubte er das ebensowenig wie Bolitho. Immerhin blieb genug Raum für Zweifel offen, daß Broughton diese Ausflüchte in seinem Bericht unterbringen konnte. Gerade jetzt konnte die Nachricht, daß ein britisches Schiff zum Feinde übergegangen war, noch mehr (und wenn möglich schlimmere) Unruhen in der Flotte auslösen.

Broughton hatte sich nicht gescheut, immer mehr Arbeit auf Bolitho abzuwälzen, während das Geschwader seeklar gemacht wurde. Die

Nachrichten von der Nore und der Verlust der Auriga hatten ihn merklich beeindruckt. Er zog sich sehr zurück und wirkte, wenn er mit Bolitho allein war, lange nicht so gelassen wie früher. Was er in Spithead mit seinem eigenen Flaggschiff erlebt hatte, schien eine tiefe Narbe in seinem Gemüt hinterlassen zu haben. Er verbrachte viel Zeit an Land, führte Besprechungen mit Draffen und dem Gouverneur, aber er fuhr immer allein und behielt seine Gedanken für sich.

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