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Leutnant Calvert schien außerstande zu sein, seinem Admiral irgend etwas recht zu machen; sein Leben wurde schnell zu einem Alptraum. Er mochte aus sehr guter Familie stammen, war aber anscheinend vollkommen unfähig, auch nur den routinemäßigen Signalverkehr innerhalb des Geschwaders zu begreifen, der offiziell in seinen Händen lag.

Bolitho hatte den Verdacht, daß Broughton seinen Adjutanten als Blitzableiter für die eigene quälende Unsicherheit benutzte. Wenn es seine Absicht war, Calvert ein Hundeleben zu bereiten, so hatte er damit bestimmt Erfolg.

Es war jammervoll anzuhören, wie Midshipman Tothill Calvert wieder und wieder, mit allem Respekt, aber mit Nachdruck, die Einzelheiten der Signalprozedur erklärte; fast noch jammervoller war Calverts offensichtliche Dankbarkeit. Nicht daß es viel genutzt hätte. Es brauchte nur einen von Broughtons plötzlichen Wutausbrüchen, und Calverts geringer Wissensschatz war unwiederbringlich im Winde verweht.

Am Nachmittag des dritten Tages, als Bolitho die Vorbereitungen mit Keverne besprach, meldete der Wachoffizier das Eintreffen der beiden Bombenschiffe, die bereits auf Reede Anker warfen. Kurz danach kam ein Kutter längsseit, und der Bootsführer reichte einen versiegelten Brief an Bolitho herauf. Er war von Draffen und typisch kurz. Bolitho sollte unverzüglich an Bord des Bombenschiffes Hekla kommen, und zwar mit dem Boot, das den Brief gebracht hatte.

Broughton war an Land, also kletterte Bolitho, nachdem er Keverne entsprechend instruiert hatte, in den Kutter, der ihn zur Hekla hinüberbrachte.

Allday sah ihm mit schlecht verhehltem Unmut nach. Daß Bolitho ein anderes Boot als seine Kommandantengig benutzte, paßte ihm sowieso nicht, und als der Kutter von der Euryalus ablegte, überkam ihn plötzliche Angst: Wenn Bolitho irgend etwas zustieß, und er war, wie eben jetzt, allein… was dann? Noch als das Boot hinter dem Heck der Zeus verschwand, starrte er ihm nach, besorgter denn je.

In seiner ganzen Dienstzeit hatte Bolitho noch nie ein Bombenwer-ferschiff gesehen, wenn er auch oft genug von ihnen gehört hatte. Dieser Typ war zweimastig, etwa hundert Fuß lang, mit sehr gedrungenem Rumpf und niederem Schanzkleid. Das Seltsamste war die asymetrische Stellung des Fockmastes: verhältnismäßig weit achtern, so daß das Schiff aussah, als sei es ganz falsch ausbalanciert oder eigentlich ein Dreimaster, dem der richtige Fockmast in Höhe des Decks abgeschossen worden war. Ein Bombenschiff war ungefähr so lang wie eine Korvette, doch ohne deren Eleganz und Beweglichkeit, vielmehr, wie es hieß, teuflisch schwer zu segeln, sobald das Wetter auch nur etwas rauh wurde.

Als das Boot an den Rüsten festmachte, sah Bolitho Draffen allein auf dem winzigen Achterdeck stehen. Er beschattete die Augen mit der Hand und beobachtete, wie Bolitho an Bord kletterte.

Bolitho lüftete den Hut zum Empfangszeremoniell der kleinen Ehrenwache und nickte einem jungen Leutnant zu, der ihn fasziniert anstarrte.

«Kommen Sie herauf, Captain«, rief Draffen,»da haben Sie bessere Übersicht.»

Bolitho ergriff Draffens ausgestreckte Hand. Wie der ganze Mann war auch sie zäh und hart.»Dieser Leutnant da«, sagte er,»ist das der Kommandant?»

«Nein. Den habe ich hinuntergeschickt, kurz bevor Sie an Bord kamen. Tut mir leid, wenn ich damit Ihre altehrwürdigen Zeremonien störe, aber ich brauchte meine Karte aus seiner Kajüte. Schöne Kajüte übrigens — da wohnt mein Hund besser«, grinste Draffen und deutete zum Vorschiff.»Kein Wunder, daß diese Bombenwerfer so komisch gebaut sind. Jede Planke ist doppelt so dick wie bei einem anderen Schiff. Denn Rück- und Vertikalstoß sind bei diesen Dingern so stark, daß sie einen normalen Schiffsrumpf zerreißen würden.»

Bolitho sah genauer hin. Da waren sie, die beiden mächtigen Mörser, mitten auf dem Vorderdeck montiert: kurznasig, schwarz und unglaublich häßlich, und die Mündungen hatten einen imponierenden Durchmesser. Leicht konnte er sich vorstellen, was sie beim Abschuß für einen Druck auf die Planken ausübten.

Das andere Schiff sah ganz ähnlich aus und hieß passenderweise Devastation.[23]

Halb im Selbstgespräch fuhr Draffen fort:»Die Bombenwerfer laufen heute nacht aus, ehe diese Schakale in Algeciras genaueres über sie erfahren.»

Bolitho nickte. Das war vernünftig. Draffen wandte sich ab und beobachtete ein paar Matrosen, die so geschickt in der Takelage her umkletterten wie Spinnen, die ihr Netz bauten. Bolitho warf ihm einen verstohlenen Blick zu.

Der Mann war doch älter, als er gedacht hatte. Näher an Sechzig als an Fünfzig. Das graue Haar kontrastierte scharf mit dem tiefgebräunten Gesicht und dem muskulösen, doch beweglichen Körper.

«Schlechte Nachrichten aus England, Sir«, sagte Bolitho.»Ich weiß es von Sir Lucius.»

«Mancher lernt's eben nie«, sagte Draffen scheinbar gleichgültig in die Luft hinein. Er führte aber nicht näher aus, wie er das meinte.»Was Ihren Bruder betrifft«, wechselte er das Thema,»ich traf mit ihm zusammen, als er dieses Kaperschiff führte. Sie selbst haben ja sein Schiff schließlich vernichtet, wie ich hörte. «Sein Blick verlor etwas an Schärfe.»Ich habe in letzter Zeit eine ganze Menge über Sie gehört, und gerade dieser Streich machte mich neidisch. Ich hoffe, auch ich könnte so etwas fertigbringen, wenn Not am Mann ist. «Und wieder schlug seine Stimmung um.»Ich kann natürlich nicht alles glauben, was ich über Sie gehört habe. So gut kann keiner sein. «Er grinste, weil Bolitho ihn verblüfft ansah, und deutete über seine Schulter.»Was mir zum Beispiel der Kommandant der Hekla da über Sie erzählt hat — also so was habe ich noch nie gehört!»

Bolitho fuhr herum, starr vor Überraschung. Der Mann, auf dessen langem Gesicht sich erst Verwirrung, dann Entzücken malte, war Francis Inch — kein kleiner Leutnant mehr, sondern ein Mann mit der einzelnen Epaulette auf der linken Schulter: Commander Inch, damals bei dem letzten blutigen Gefecht gegen Lequillers Schiffe in der Biskaja Erster Offizier der Hyperion.

Inch kam heran und machte eine ungeschickte Verbeugung.»Ich bin's, Sir — Inch!»

Bolitho nahm Inchs Hand in seine beiden; dabei merkte er erst, wie sehr er ihn vermißt hatte, und was für ein Stück Vergangenheit er ihm bedeutete.

«Ich habe Ihnen ja versprochen, ich würde dafür sorgen, daß Sie ein selbständiges Kommando kriegen. «Doch ansonsten wußte er nicht, was er sagen sollte — da war der über das ganze Gesicht grinsende Draffen, und Inch starrte ihn auf seine altbekannte diensteifrige Art an, die ihn manchmal so nervös gemacht hatte.

«Ich konnte entweder ein Bombenschiff kriegen«, strahlte Inch,»oder ich hätte wieder Erster auf einem Vierundsiebziger werden können, Sir. Aber nach der alten Hyperion hatte ich dazu keine Lust mehr…«Dabei sah er auf einmal ganz traurig aus; doch dann brach sein Grinsen wieder durch.»Jetzt habe ich das hier — «, stolz flog sein Blick über das kleine Schiff — ,»und das!«Damit tippte er auf seine Epaulette.

«Und eine Frau haben Sie jetzt auch?«Von sich aus hätte Inch das wohl nie erwähnt, weil er Bolitho nicht an dessen Verlust erinnern wollte.

«Aye, Sir«, nickte Inch.»Von einem Teil des Prisengeldes, das Sie uns verschafft haben, konnte ich ein bescheidenes Haus in Weymouth kaufen. Ich hoffe, Sie werden uns mal die Ehre geben. «Jetzt wurde er wieder wie früher, unsicher, zerfahren.»Aber Sie werden wohl zu viel zu tun haben, Sir.»

Bolitho faßte seinen Arm.»Es wird mir eine Freude sein, Inch. Schön, Sie wiederzusehen.»

«Also hat ein Seeoffizier doch warmes Blut im Leib«, bemerkte Draffen trocken.

Verlegen trat Inch von einem Fuß auf den anderen.»Ich schreibe gleich nachher an Hannah. Sie wird sich sehr freuen, daß wir uns getroffen haben.»

Nachdenklich sah Bolitho Draffen an.»Das haben Sie sich als Überraschung aufgehoben, Sir.»

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23

= Vernichtung

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