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Keverne erschien an Deck, sich noch den Mund mit dem Taschentuch betupfend, und spähte zu den Segeln hinauf.»Sie wünschen, Sir?»

«Wir wollen die Marssegel gleich reffen, Mr. Keverne. «Bolitho sprach ganz dienstlich. Was er fühlte oder fürchtete, durfte er auf keinen Fall zeigen, durfte er mit keinem von denen teilen, die von seinem Können und seiner Urteilskraft abhängig waren. Keverne rannte bereits los, im Laufen seinen Rock zuknöpfend und nach dem Bootsmannsmaat der Wache brüllend.

Aber manchmal, fand Bolitho, war das schwerer, als er je gedacht hätte.

VII Breitseite!

Um Mittag des folgenden Tages krochen die Schiffe langsam über Steuerbordbug voran, hart am Wind, mit dichtgebraßten Rahen, um möglichst viel Höhe herauszufahren. Kurz nach dem ersten Morgenlicht hatten sie eine neue Kursänderung vorgenommen und segelten nun nach Ostnordost. Jetzt standen sie über ihren zitternden Spiegelbildern wie festgenagelt, und die glühende Sonne machte jede körperliche Anstrengung zur Qual. Es war wie in einem Schmelzofen, und selbst der Wind, der stetig aus Norden kam, brachte weder Frische noch Erleichterung, sondern stach auf der Haut wie heißer Sand.

Bolitho zupfte sich das Hemd vom Leibe ab und floh in den Schatten der Finknetze. Keverne und Partridge setzten eben ihre Sextanten ab und verglichen ihre Bestecks. Mehrere Midshipmen sahen bei dieser routinemäßigen Prozedur zu und taten desgleichen, allerdings war es bei ihnen nur Übungssache.

Oben vor der Kampanje, wo ein schmales Sonnensegel aufgeriggt war, schritt Draffen langsam auf und ab. Auf den sonnengedörrten Planken klangen seine Schritte unverhältnismäßig laut. Keverne kam mit seinem Besteck zu Bolitho herüber und sagte müde:»Es stimmt mit Ihrer Berechnung überein, Sir. «Gleich den anderen Offizieren war er ohne Rock und Hut, und sein Hemd klebte ihm am Körper wie eine zweite Haut. Er war anscheinend zu apathisch, um sich über die Genauigkeit der Berechnung zu freuen oder zu wundern.

Es war eine ereignislose Nacht gewesen. Das Geschwader segelte gut und hielt die vorgeschriebenen Positionen ein. Bei Morgengrauen war Broughton an Deck erschienen — das war ungewöhnlich und mußte etwas zu bedeuten haben.

Als die Signale für den neuen Kurs hochgingen und die Vorbereitungen für Reinschiff und Frühstückfassen begannen, hatte Broughton säuerlich bemerkt:»Wir sollen heute vormittag Kontakt mit einem von Sir Hugos >Freunden< aufnehmen. Bei Gott, es kotzt mich an, daß ich mich nach so einem verdammten Amateur richten muß!«Ob er damit Draffen oder den Agenten meinte, ließ er offen; und Bolitho hielt es nach einem Blick auf sein Gesicht für besser, sich auch die taktvollste Rückfrage zu verkneifen.

Je länger der glühende Vormittag sich hinzog, um so deutlicher schwand Draffens Zuversicht. Bei jedem plötzlichen Ausruf eines Matrosen blieb er stehen, bis sich herausstellte, daß er nichts zu bedeuten hatte.

«Schon gut, Mr. Keverne«, sagte Bolitho.»Im Moment können wir nichts weiter tun.»

Vor zwei Stunden hatte der Ausguck im Masttopp das Deck angerufen; und als jedes Auge auf seinen winzigen, schwankenden, zweihundert Fuß hohen Sitz gerichtet war, hatte er >Land in Sicht< gemeldet.

Obwohl Bolitho die Höhe haßte, enterte er in die vibrierenden Webeleinen auf, über die Großsaling, immer höher, bis er neben dem bezopften Matrosen war, der die Meldung gemacht hatte. Die Beine fest um die Marssaling geschlungen, hatte er krampfhaft vermieden, aufs Deck hinunterzusehen, und sich auf sein Teleskop konzentriert; dabei sah er, daß der Ausguck die ganze Zeit gelassen durch die Zähne pfiff und sich nicht einmal festhielt.

Aber die Aussicht war beinahe alle Mühe und Ängste des Aufen-terns wert gewesen. Weit hinten im Süden erstreckte sich die lange ungleichmäßige Linie eines fernen Gebirgszuges, eisblau im harten Sonnenlicht, vom Flachland durch einen Streifen Bodennebel getrennt, in fremdartiger Schönheit: die Küste von Afrika. Die Berge waren schätzungsweise dreißig Meilen entfernt, und doch schienen sie unerreichbar wie eine Fata Morgana.

Aber dann war es auf einmal wieder mit der Landsicht vorbei, und überall tanzten und glitzerten Millionen blendender Reflexe auf der See, so daß die Matrosen auf den Rahen sich festhalten und mühsam jede unverhoffte Bewegung des Schiffes ausbalancieren mußten, denn die Sonne blendete so stark, daß sie sich auf ihre Augen nicht mehr verlassen konnten.

Das Geschwader hatte sich mehr und mehr zerstreut und fuhr jetzt in weit auseinandergezogener Linie, so daß die Tanais gut zwei Meilen voraus lag.

Broughton hatte eingeräumt, daß es praktischer sei, die Formation auseinanderzuziehen, damit sie von irgendeinem kleinen Fahrzeug, auf dem sich Draffens Agent befand, besser gesichtet werden konnten. Und falls ein Feind aufkreuzte, war es gut, wenn das Geschwader möglichst groß wirkte. Weit draußen in Lee schimmerten wie brünierter Stahl die Marssegel der Korvette, die geschäftig, einem nach Kaninchen schnüffelnden Terrier gleich, vorm Winde dahinflog.

Von der Coquette war immer noch nichts zu sehen; das würde auch noch einige Zeit dauern. Vielleicht war sie weit achteraus hinter einem fremden Segel her. Ebensogut konnte sie aber auch ernsthafte Feindberührung bekommen haben.

Calvert erschien auf dem Achterdeck. Im hellen Sonnenlicht wirkte sein Gesicht noch bekümmerter, angestrengter als sonst.

«Kompliment von Sir Lucius«, meldete er,»und Sie möchten zu ihm in die Tageskajüte kommen, Sir.»

Keverne verzog den Mund und fragte:»Vielleicht ein Planänderung,

Sir?»

Ohne zu antworten schritt Bolitho hinter Calvert her. Ob Keverne wohl beleidigt war, weil er so wenig wußte? Aber er, der Kommandant, wußte auch nicht viel mehr. Als er in die Kajüte trat, dauerte es ein paar Sekunden, bis sich seine Augen an den schattigen Raum gewöhnt hatten und an die vergleichsweise Kühle im Gegensatz zum ungeschützten Achterdeck. Bolitho hatte zwar nicht bemerkt, daß Draffen die Kampanje überhaupt verlassen hatte, aber er saß neben dem Schreibtisch.

«Sir?«Broughton stand an einem der offenen Heckfenster, sein hellbraunes Haar glänzte im Widerschein der Sonne. Weit achteraus lag die Valorous auf Kurs; sie sah aus wie ein winziges Schiffsmodell, das auf der Epaulette des Admirals balancierte.

«Ich habe Sie heruntergebeten«, sagte Broughton unwirsch,»damit Sie Sir Hugo klarmachen, daß die Restless in Signaldistanz zum Verband bleiben muß. «Er atmete heftig aus.»Also?»

Bolitho legte die Hände auf den Rücken. In Gegenwart der beiden wie immer tadellos gekleideten Herren kam er sich auf einmal ungekämmt und schmutzig vor. Er merkte, daß zwischen ihnen Spannung herrschte; vermutlich hatten sie sich gestritten.

Draffen blieb unbeeindruckt.»Ich muß meinen Agenten finden, Captain. Die Korvette ist klein und schnell genug für diesen Zweck.»

Er zuckte die Achseln.»Das ist doch einzusehen, nicht wahr?»

Bolitho wurde mißtrauisch. Beide zerrten an ihm, jeder wollte ihn auf seine Seite bringen. Noch nie hatte Broughton ihn in strategischen Angelegenheiten um seine Meinung befragt. Und Draffen schlug zwar seit ihrer damaligen Unterhaltung immer einen leichten, vertraulichen Ton an, hatte jedoch über seine eigentlichen Absichten kaum etwas verlauten lassen.

«Darf ich fragen, Sir Hugo, was das für ein Schiff ist, mit dem wir zusammentreffen sollen?»

Draffen wand sich verlegen im Sessel.»Oh, irgend etwas Kleines. Wahrscheinlich eine arabische Dhau oder so. «Das klang unbestimmt und ausweichend.

Bolitho gab nicht nach.»Und wenn wir sie verfehlen — was dann?»

Der Admiral am Fenster wandte sich um und fuhr brüsk dazwischen:»Soll ich vielleicht noch eine Woche mit dem Geschwader hin und her kreuzen?«Wütend starrte er Draffen an.»Noch eine Woche, in der wir den offenen Kampf vermeiden und ständig Kurs ändern müssen?»

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