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«So ein Schiff zu kommandieren. Eines, das Sie selbst in der Schlacht erobert haben. «Er redete schnell; offenbar hatte er über dieses Thema eingehend nachgedacht.»Ich an Ihrer Stelle wüßte nicht recht, ob ich ein Schiff, das ich selbst unter großer Gefahr erobert habe, auch verteidigen könnte.»

«Das kommt immer auf die Umstände an, Sir«, erwiderte Bolitho stirnrunzelnd.

«Mich interessiert das sehr. Sagen Sie, was halten Sie von der Eu-ryalus — als Schiff, meine ich?»

Bolitho blieb stehen und stützte sich auf die Achterdecksreling. Er fühlte das Holz unter seinen Händen erzittern, als sei dieses ganze komplexe Gebilde aus Holz und Hanf ein lebendes Wesen.»Sie ist sehr schnell für ihre Größe, Sir, und erst vier Jahre alt. Sie segelt gut, und auch der Rumpf ist gut gebaut. «Er wies nach vorn.»Anders als bei unseren eigenen Linienschiffen läuft die Plankung um den Bug, so daß es keine Schwachstelle gibt, die dem feindlichen Feuer ausgesetzt ist.»

Draffen zeigte die Zähne.»Ihre Begeisterung gefällt mir. Wenigstens ein Trost. Und ich dachte, Sie würden ganz anders reden. Ich hätte gewettet, daß Sie sagen, der französische Schiffsbau tauge nichts. «Er lachte leise auf.»Aber da habe ich mich anscheinend geirrt.»

«Die Franzosen sind großartige Schiffsbauer«, antwortete Bolitho gelassen.»Ihre Schiffsrümpfe sind in jeder Linie besser und schneller als unsere.»

In spöttischer Bestürzung hob Draffen die Hände.»Aber wie können wir dann gewinnen? Wie haben wir bisher siegen können, noch dazu gegen ihre zahlenmäßige Überlegenheit?»

Bolitho schüttelte den Kopf.»Die Schwäche der Franzosen liegt nicht in ihren Schiffen oder im Mangel an Mut. Es ist die Führung. Zwei Drittel ihrer ausgebildeten und erfahrenen Offiziere wurden unter der Schreckensherrschaft abgeschlachtet. Und so lange sie durch unsere Blockade in ihren Häfen eingeschlossen sind, werden sie sich auch nichts zutrauen. «Er merkte recht gut, daß Draffen ihn nur ausholen wollte, aber er sprach weiter.»Jedesmal, wenn sie ausbrechen und unsere Geschwader in ein Gefecht verwickeln, lernen sie ein bißchen mehr, bekommen ein bißchen mehr Selbstvertrauen, auch wenn ihnen der Sieg versagt bleibt. Die Blockade ist meiner Meinung nach nicht mehr das richtige Mittel. Sie schädigt Unschuldige genauso wie diejenigen, gegen die sie gerichtet ist. Klare, entschiedene Aktionen, das ist die Lösung. Den Feind treffen, wo und wie immer wir können! Der Umfang solcher Aktionen ist dabei relativ unwichtig.»

Eben wies der Wachoffizier mit schneidend böser Flüsterstimme einen Übeltäter zurecht, den der Bootsmannsmaat nach achtern gebracht hatte.

Bolitho ging weiter, Draffen im Gleichschritt neben ihm.»Aber schließlich wird eine entscheidende Konfrontation der beiden großen Flotten stattfinden.»

«Zweifellos, Sir. Dennoch glaube ich, je mehr Angriffe wir auf die Basen, die Verbindungswege, den Handel des Gegners unternehmen, um so wahrscheinlicher ist es, daß wir ihn zu Lande auf lange Sicht besiegen. «Er lächelte verlegen.»Als Seemann sage ich das nur ungern; aber einen vollständigen Sieg erzielen wir erst, wenn die Flagge unserer Infanterie auf den feindlichen Zinnen weht.»

«Vielleicht haben Sie sehr bald die Chance, Ihre Theorie in die Praxis umzusetzen«, antwortete Draffen bedeutsam lächelnd.»Es hängt weitgehend von unserem Treffen mit einem meiner Agenten ab. Ich habe ein Rendezvous arrangiert. Hoffentlich kann er es schaffen.»

Bolitho spitzte die Ohren. Das war das erste, was er davon hörte. Broughton hatte ihm nur kurze Andeutungen gemacht. Das Geschwader sollte außer Sichtweite vor Djafou patrouillieren; die Coquette sollte näher heransegeln und rekognoszieren. Ganz normale Taktik. Normal und bedrückend langweilig, hatte er gedacht. Aber jetzt, da

Aussicht auf neue, geheime Informationen über den Aufmarsch des Gegners bestand, bekam die Operation ein ganz anderes Gesicht.

Draffen fuhr fort:»Ich werde ein bißchen nervös, wenn ich an morgen denke. Wir könnten auf die ganze feindliche Flotte stoßen. Beunruhigt Sie das nicht auch?»

Bolitho blickte Draffen forschend an, aber dessen Gesicht lag in tiefem Schatten. Vielleicht wollte er ihn nur wieder prüfen — es war schwer zu sagen. Vielleicht scherzte er auch über etwas, das eine durchaus reale Möglichkeit war.

«Seit meinem zwölften Jahr lebe ich mehr oder weniger mit dieser Erwartung, in Angst, Erregung oder Betroffenheit, Sir. «Auch Bolitho war ernst geworden, aber dann grinste er.»Doch bis jetzt hat sich kein Mensch um meine Empfindungen gekümmert — am allerwenigsten der Feind.»

Draffen lachte leise.»Dann will ich nach unten gehen und beruhigt schlafen. Ich habe Sie schon zu lange in Anspruch genommen. Aber bitte informieren Sie mich, wenn etwas Außergewöhnliches geschieht.»

Bolitho trat beiseite.»Gewiß, Sir. Sie und meinen Admiral.»

Noch im Abgehen lachte Draffen vor sich hin.»Wir müssen uns öfter unterhalten!«Damit verschwand er.

Der Midshipman der Wache kam übers Deck gerannt und meldete seinem Leutnant, daß die Hecklaterne brenne. Durch die Takelage vorn schimmerte die Laterne der Tanais wie ein Glühwürmchen über ihrem Kielwasser.

Bolitho hörte die scharfe Stimme des Leutnants:»Hat auch lange genug gedauert, Mr. Drury!«und das Antwortgemurmel des Jungen. Es war gar nicht schwer, sich vorzustellen, daß dort Adam Pascoe stünde statt des unglückseligen Drury.

Bolitho versuchte, sich um seinen jungen Neffen keine Sorgen zu machen; aber durch das Zusammentreffen mit Inch war ihm in aller Härte bewußt geworden, daß der Junge für ihn unerreichbar war. Er hatte natürlich Briefe bekommen, sowohl von ihm selbst als auch von seinem Kommandanten, von Herrick, Bolithos bestem Freund. Aber wie sein eigenes Schiff, die Euryalus, konnte auch Herricks alter Vierundsechziger, die Impulsive, wenig Rücksicht auf das bißchen menschliche Wärme und Hoffnung nehmen, das die Postboote brachten, oder das in irgendeinem Hafenbüro lagerte, in der Erwartung der entfernten Möglichkeit, daß das Adressatschiff eines Tages dort vor Anker ging.

Bolitho nahm seinen Marsch wieder auf und versuchte, sich Adam vorzustellen, wie er ihn zuletzt gesehen hatte. Doch jetzt mußte er anders aussehen. Vielleicht ganz fremd? Bolitho schritt rascher aus. Unvermittelt wurde ihm klar, wie sehr ihn das berührte. Vor zwei Jahren hatten sie sich getrennt. Der Junge war zu Herrick an Bord gegangen, Bolitho bekam das Kommando über seine Prise, die spätere Euryalus, und mußte sie neu ausrüsten und versorgen. Adam war jetzt siebzehn; vielleicht wartete er schon auf die Chance zum Offiziersexamen. Ob er sich wohl in den zwei Jahren sehr verändert hatte? Hatte er seine eigene Form gefunden, oder war er nach Hugh geschlagen?

Zusammenfahrend bemerkte Bolitho, daß der Midshipman ihm den Weg versperrte; weiß glänzten seine Augen in der Dunkelheit.

«Entschuldigung, Sir, aber der Wachoffizier läßt mit allem Respekt anfragen, ob. ob. «Unter dem Blick seines Kommandanten fing er an zu stottern.»Ob wir reffen könnten. Der Wind scheint aufzufrischen, Sir.»

Bolitho musterte ihn unbewegt.»Ja, Mr. Drury. «Er hatte nicht einmal an dem veränderten Summen in den Wanten gemerkt, daß der Wind stärker geworden war, so tief war er in Gedanken gewesen.»Wie alt sind Sie, Mr. Drury?«fragte er.

Der Junge schluckte.»Dreizehn, Sir.»

«Aha. Nun, Mr. Drury, bis Sie ein eigenes Schiff bekommen, haben Sie noch eine lange, stürmische Fahrt vor sich.»

«Jawohl, Sir. «Was, um Gottes willen, mochte nun kommen?

«Und wenn ein junger Offizier keine Finger mehr hat, kann das ein wirkliches Problem für ihn sein. Daher wünsche ich in Zukunft nicht mehr zu hören, daß Sie Kerzen hochhalten, um anderen Leuten bei ihren Degentricks zu assistieren — verstanden?»

«Nein, Sir — ich meine, ja, Sir!«Drury fiel fast auf die Nase, als er zum Wachoffizier zurückrannte; vermutlich schwirrte ihm der Kopf im Gedanken an den unfehlbaren Nachrichtendienst des Kommandanten.

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