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«Gut. Geben Sie ihnen Bedeckung mit, McEwen. Und«, schloß er laut und bestimmt,»sorgen Sie dafür, daß ihnen sonst nichts passiert — verstanden?»

«Aye, Sir«, grinste McEwen.

«Da muß einer schon mächtig was zu bieten haben, wenn er mit diesen Weibern fertig werden will, bei Gott«, murmelte Grindle.

Jetzt erschien Ashton wieder.»Können Sie mitkommen, Sir? Ich glaube, unten muß was abgestützt werden. Ich hab's versucht, aber ich — ich schaffe es nicht…«Die Stimme versagte ihm.

Und so ging es die ganze Nacht weiter. Schließlich konnte Bolitho die Stunden nicht mehr voneinander unterscheiden, denn eine Krise folgte der anderen. Gesichter und Stimmen verschwammen, und selbst Allday war außerstande, den dauernden Strom von Hilferufen und Anweisungen zu stoppen. Verzweifelt pflügte die Navarra durch die stürmenden Wogen.

Aber irgendwie ging es, wenn auch die Männer an den Pumpen so erschöpft waren, daß ihre Ablösung sie wegzerren mußte. Immer weiter ging der Kampf gegen das gierig einströmende Wasser. Ohne Stocken lief die Eimerkette, bis die völlig erschöpften Männer wie tot umfielen, unempfindlich gegen das über ihre zerschundenen Leiber strömende Wasser oder die Flüche und Fußtritte der britischen Matrosen. Die Ruderzüge dehnten sich, das Steuern wurde schwieriger. Aber die Segel rissen trotz des furchtbaren Winddrucks nicht von den Rahen.

Beim ersten Anzeichen der Morgendämmerung flaute der Wind ab, fast schuldbewußt wie ein Räuber, dessen Überfall abgeschlagen worden war. Der Seegang beruhigte sich, das angeschlagene Schiff gehorchte seinen neuen Herren besser und machte ruhigere Fahrt.

Bolitho blieb die ganze Zeit auf dem Achterdeck, und beim ersten Licht des neuen Tages suchte er sorgfältig die Kimm ab — doch er sah nur, daß sie das Meer für sich allein hatten.

Er rieb sich die wunden Augen und blickte zu seinen wie tot unter der Reling liegenden Männern hinüber. Meheux schlief im Stehen; mit dem Rücken lehnte er am Vormast wie festgebunden.

Noch eine Sekunde, und er selbst konnte nicht mehr weiter. Würde einschlafen, völlig erschöpft. Er vermochte nicht einmal Befriedigung zu empfinden oder Stolz über das, was er erreicht hatte. Nur den alles verzehrenden Wunsch nach Schlaf.

Er schüttelte sich und rief:»Mr. McEwen zu mir!«Die Stimme versagte ihm, sie klang wie das Krächzen eines ärgerlichen Seevogels.

«Holen Sie alle Leute zusammen, Mr. Grindle, wir wollen sehen, was wir zur Verfügung haben.»

Am Vorschiff tauchten zwei Frauen auf und starrten um sich. Die eine hatte Blut an der Schürze; als er zu ihr hinsah, hob sie die Hand zum Gruß. Bolitho versuchte zu lächeln, doch es wurde nichts daraus. Aber er winkte zurück, obwohl sein Arm schwer wie Blei war.

Es gab so viel zu tun. In ein paar Sekunden gingen die Fragen und Forderungen wieder los.

Er holte tief Atem und stützte die Hände auf die Reling. Eine Kugel hatte ein Stück herausgerissen. Er starrte immer noch auf die Lücke, als Allday zu ihm trat und sagte:»Ich habe unter der Kampanje eine Hängematte für Sie angeschlagen, Captain. «Er hielt inne und wartete auf Widerspruch, aber er merkte, daß Bolitho kaum noch die Kraft dazu hatte, und so fuhr er fort:»Ich rufe Mr. Meheux, damit er die Wache übernimmt.»

Dann wußte Bolitho nur noch, daß er in einer schmalen Hängematte lag und ihm jemand die vollgesogenen Schuhe und den zerrissenen Rock auszog. Und damit kam auch schon der Schlaf: wie ein schwarzer Vorhang, in Sekundenschnelle und abgrundtief.

IX Ein neuer Feind

Bolitho saß an einem behelfsmäßig zusammengezimmerten Tisch in der kleinen Heckkajüte der Navarra und starrte trübsinnig auf eine Seekarte nieder. Er hatte drei Stunden wie tot geschlafen, bis irgendein Instinkt, für den er mit Augen und Ohren nach einer Erklärung suchte, ihn hochgejagt hatte.

Während dieser drei Stunden hatte sich der Sturm völlig gelegt, nichts war mehr von seiner früheren Wut zu spüren; und als er an Deck geeilt war, hatten die Segel leblos gehangen. Leise atmete die See in der totalen Flaute.

Während Meheux weiter dem trübseligen Geschäft der Totenbestattung oblag, zählte Grindle unter vielen Schwierigkeiten die Passagiere und die spanische Mannschaft und teilte Lebensmittel aus. Bolitho durchsuchte inzwischen langsam und methodisch die Kajüte des toten Kapitäns.

Er blickte hoch und sah sich in dem kleinen Raum um. Hier hatte noch vor kurzem ein Mann wie er selbst Pläne gemacht, geruht und gehofft. Durch einen großen Riß in der Bordwand konnte er das glänzend blaue Meer sehen, das gegen den Schiffsrumpf schlug, als wolle es ihn verspotten. Von den Heckfenstern her spürte er, wie es heißer wurde, denn die Breitseite der Euryalus hatte jede Scheibe Glas zerschmettert. Außerdem hatte sie aus der Kajüte eine wüste schwarze Ruine gemacht. Es mußte heftig gebrannt haben, denn als er nach den Schiffspapieren suchte, fand er nur schwarze, durchnäßte Asche. Nichts, was ihm Auskunft gab, nicht einmal einen Sextanten, um die ungefähre Position festzustellen. Der nächtliche Sturm konnte sie viele Meilen weit nach Osten abgetrieben haben. Das nächste Land mochte dreißig, vierzig Meilen entfernt liegen; er wußte nicht einmal, ob es Spanien oder Nordafrika war.

Meheux kam herein. Seine Schuhsohlen knirschten auf den Glasscherben. Wie alle vom Prisenkommando sah er todmüde und überanstrengt aus.

«Wir kochen endlich so etwas wie ein Mittagessen, Sir. «Er deutete auf die Karte.»Besteht Aussicht, daß Sie feststellen, wo wir sind?»

«Nein. «Es hatte keinen Sinn, dem Leutnant etwas vorzumachen. Wenn ihm selbst etwas zustieß, mußte Meheux das Schiff in Sicherheit zu bringen versuchen.»Diese Flaute nützt uns nicht gerade. «Er blickte Meheux ernst ins Gesicht.»Wie kommen Sie mit den Passagieren zurecht?»

Meheux zuckte die Achseln.»Sie krakeelen durcheinander wie die Möwen. Ich glaube, die begreifen gar nicht, was mit ihnen passiert.»

Ich auch nicht, dachte Bolitho. Laut sagte er:»Wenn unsere Leute gegessen haben, müssen sie weiter unter Deck arbeiten. Wir nehmen immer noch mächtig Wasser ein. Sorgen Sie also dafür, daß die Pumpen ordentlich gewartet werden.»

In dem halb eingebrochenen Türrahmen erschien Allday.»Entschuldigung, Captain«, sagte er stirnrunzelnd,»einer von den Dons wünscht Sie zu sprechen. Aber wenn Sie wollen, schmeiße ich ihn raus, damit Sie in Ruhe essen können.»

Meheux nickte.»Tut mir leid, das habe ich ganz vergessen. Der kleine dicke Spanier, der Ashton dolmetschen geholfen hat, bat mich vorhin darum. Aber ich habe so viel im Kopf..»

Bolitho lächelte.»Wird nicht besonders wichtig sein, aber schicken Sie ihn ruhig herein, Allday. «Und zu Meheux:»Ich brauche jede Information so dringend, daß ich nehmen muß, was ich kriegen kann.»

Nervös, den Kopf unter dem Decksbalken gebeugt, obwohl er noch gut zwei Fuß Raum hatte, trat der Spanier ein. Er trug seine Perücke, aber damit wirkte er zu Bolithos Überraschung eher älter als jünger.

Bolitho hatte schon herausbekommen, daß sein Name Luis Pareja war und daß er nach Port Mahon wollte, wo er anscheinend seine Tage zu beschließen gedachte.

«Nun, Senor, was kann ich für Sie tun?»

Pareja blickte auf die zerschossenen, angesengten Wände und sagte dann schüchtern:»Ihr Schiff hat furchtbaren Schaden angerichtet, Captain.»

Grob fuhr Meheux dazwischen:»Wenn wir euch 'ne volle Breitseite verpaßt hätten, würden Sie und alle anderen jetzt auf dem Meeresgrund schlafen — also benehmen Sie sich gefälligst!»

Pareja zuckte zusammen.»Ich wollte ja nicht sagen, daß Sie. «Er trat nervös hin und her und setzte neu an:»Viele von uns machen sich große Sorgen. Sie wissen nicht, was wird und ob sie jemals ihre Heimat wiedersehen werden.»

Bolitho musterte ihn nachdenklich.»Das Schiff ist jetzt eine britische Prise. Sie müssen verstehen, daß ich unter diesen Umständen unmöglich wissen kann, wie es weitergeht. Aber es ist reichlich zu essen an Bord, und ich nehme an, daß wir bald wieder zu unserem Schiff stoßen werden. «Er glaubte, Zweifel in des Mannes Augen zu sehen, und wiederholte bestimmt:»Sehr bald sogar!»

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