«Ich werde es ihnen ausrichten. «Aber es klang unsicherer denn je.»Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, dann sagen Sie es bitte, Cap-tain. Sie haben uns das Leben gerettet, indem Sie auf dem Schiff geblieben sind, das weiß ich jetzt. Wenn nicht, wären wir bestimmt alle ertrunken.»
«Sagen Sie, Senor Pareja«, fing Bolitho an, hielt jedoch inne und schloß die Lider halb. Wenn er zu vertraulich wurde, hielt Pareja das vielleicht für Unsicherheit. Daher fuhr er möglichst beiläufig fort:»Wissen Sie irgendeinen Grund, warum Ihr Kapitän so weit nach Süden abgekommen ist?»
Pareja schob die Lippen vor.»Da kursierte so ein Gerücht. Aber in der Hast der Abreise habe ich nicht darauf geachtet. Ich mußte meine Frau aus Spanien wegschaffen. Seit der Allianz mit Frankreich sind die Verhältnisse bei uns sehr schlecht. Ich wollte mit ihr nach Menor-ca, auf mein Gut. Es ist nicht groß, aber.»
«Erzählen Sie uns von diesem Gerücht«, forderte Meheux ihn auf.
«Langsam, Mr. Meheux!«Bolitho warf ihm einen warnenden Blick zu.»Er hat doch auch seine Sorgen, oder?»
Dann wandte er sich wieder dem Spanier zu und fragte leichthin:»Sie wollten etwas sagen, Senor?»
«Ich hörte, wie ein Offizier — leider ist er jetzt tot — sagte, daß sie mit irgendeinem Schiff zusammentreffen wollten. Einer der Passagiere wollte umsteigen. Irgend etwas in der Art war es.»
Bolitho suchte sein plötzliches Interesse zu verbergen.»Sie sprechen gut englisch. Das ist eine große Hilfe.»
Pareja lächelte bescheiden.»Es ist die Muttersprache meiner Frau. Und ich habe geschäftlich viel mit London zu tun gehabt. In glücklicheren Tagen.»
Bolitho zwang sich, ganz still zu sitzen; er spürte Meheux' Ungeduld und die trägen Bewegungen des Schiffes. Ruhig fragte er weiter:»Erinnern Sie sich, wo dieses Zusammentreffen stattfinden sollte?»
«Ich glaube nicht. «Pareja hob den Kopf und schob ihn vor, so daß er wie ein dicker kleiner Junge aussah, der sich mit einer alten Perük-ke verkleidet hatte.
Vorsichtig schob Bolitho ihm die Karte hin.»Schauen Sie mal hier. Kennen Sie die Namen an dieser Küste?«Gespannt sah er zu, wie Parejas Augen verständnislos über die zerfledderte Karte glitten.
«Nein.»
Meheux wandte sich ab und biß sich auf die Lippe.»Hol ihn der Teufel«, murmelte er.
Bolitho drehte sich in seinem Stuhl, um die Enttäuschung zu verbergen.»Wenn Sie sich noch an irgend etwas erinnern, Senor Pareja, dann seien Sie so gut und sagen Sie es einem meiner Leute.»
Pareja verbeugte sich gravitätisch und machte Miene zu gehen, blieb jedoch stehen und hob, Stille gebietend, die Hand. Aufgeregt sagte er:»Aber der Offizier hat noch etwas gesagt. «Wieder das unsichere Stirnrunzeln.»Daß — daß es ihm komisch vorkommt, wieder mit einem Franzosen zu tun zu haben. «Er blickte Blitho verlegen an und schloß:»Aber das ist alles. Es tut mir wirklich leid.»
«Mr. Meheux, sind Franzosen an Bord?«fragte Bolitho gespannt.
Ehe der Leutnant antworten konnte, sagte Pareja rasch:»Aber ja. Da ist ein Mann, Witrand heißt er, der kam in Malaga so spät an Bord, daß er keine Kabine mehr bekam. «Er sah ganz aufgeregt aus.»Und trotzdem durfte er die Kapitänskajüte mitbenutzen. Sehr merkwürdig!»
Langsam stand Bolitho auf. Er traute sich kaum, etwas zu hoffen. Und doch bestand nun eine Chance. Jemand, der mit in der Kapitänskajüte wohnte, konnte durchaus ein so wichtiger Mann sein, daß seinetwegen etwas so Ungewöhnliches wie das Umsteigen auf hoher See arrangiert wurde. Für die anderen Passagiere hätte das nur bedeutet, daß die Reise eben ein paar Tage länger dauerte; politische Macht war, ebenso wie Reichtum, ein schlagendes Argument. Dieser Wi-trand konnte ein Schmuggler sein oder auch ein hochgeborener Verbrecher auf der Flucht. Ein Verräter oder ein Kaufmann, der die Konkurrenz überlisten wollte. Aber vielleicht wußte er etwas, das einiges
Licht auf die Vorgänge in diesen Gewässern warf.
Plötzlich hörte man draußen auf dem Gang heftige Bewegung und Alldays ärgerliche Stimme:»Nein! Hier können Sie nicht rein!«Und dann, in gebrochenem Spanisch: «Esto verdammt no bene, Senora!»
Aber die Tür wurde fast aus ihren zerbrochenen Angeln gerissen, eine Frau kam mit blitzenden Augen in die Kajüte gestürmt und rief:»Ah! Hier steckst du also, Luis! Alle wollen wissen, was mit ihnen wird, und du stehst hier und klatschst wie ein Fischweib!»
Überrascht blickte Bolitho sie an. Sie war groß und schlank und hatte langes Haar, so schwarz wie sein eigenes, und trug ein offenbar teures blaues Kleid, das aber voller Salzwasserstreifen war und um die Taille einige dunklere Flecken hatte — wohl Blut.
Verwirrt sagte Pareja:»Das ist meine Frau, Captain. Sie stammt aus England wie Sie.»
Bolitho schob ihr den einzigen noch vorhandenen Stuhl hin.»Bitte nehmen Sie Platz, Senora.»
Sie war fast einen Kopf größer als ihr Mann und schätzungsweise zwanzig Jahre jünger. Das eher aparte als schöne Gesicht war von den sehr dunklen Augen beherrscht und von einem Mund, der jetzt, zu einer schmalen Linie zusammengepreßt, eiserne Entschlossenheit und Zorn ausdrückte.
«Ich bleibe nicht!«Zum erstenmal sah sie ihn an.»Alle reden davon, wie wichtig mein Mann auf einmal für Sie ist. Ich bin nur gekommen, damit er sich nicht zum Narren macht!»
«Aber mein Täubchen!»
Sie fuhr herum, und Pareja trat erschrocken zurück.»Ich bin nicht dein Täubchen! Du hast mir versprochen, mich aus diesem Krieg und aus der Angst vor diesem Krieg herauszubringen. Und kaum sind wir auf See, was passiert?«Verachtungsvoll zeigte sie mit dem Finger auf Bolitho.»Der da kapert unser Schiff und bringt uns dabei fast ums Leben!»
Meheux fuhr dazwischen.»Halten Sie gefälligst den Mund, Madam! Captain Bolitho ist ein Offizier des Königs, und Sie tun gut daran, das nicht zu vergessen!»
«Oh, Captain!«Sie machte einen spöttischen Knicks.»Welche Ehre, in der Tat!»
Allday machte Miene, sie von hinten zu fassen, aber Bolitho schüttelte den Kopf.»Tut mir leid, daß Sie Unbequemlichkeiten haben,
Senora Pareja. Ich will mein möglichstes tun, Sie alle nach Malaga zurückzuschaffen, so schnell es irgend geht.»
Sie biß sich auf die Lippen; er sah, daß ihr geschmeidiger Leib vor Wut bebte.
«Sie wissen ganz genau, daß das unwahrscheinlich ist, Captain. Vermutlich werden wir von einem Schiff zum anderen geschoben, müssen von Ihren Matrosen Unwürdiges erdulden und stranden schließlich in irgendeinem Hafen. Ich habe ähnliches schon gehört, das können Sie mir glauben!»
Ihre Stimme war wie ihr Körper recht kraftvoll, und sie sah aus, als könne sie sich ganz gut verteidigen. Jedoch wie sie da in der ausgebrannten Kajüte stand, mit den Flecken auf dem Kleid, die der Sturm und die Pflege der Verwundeten verursacht hatten, hörte Bolitho aus ihrer Stimme noch etwas anderes heraus. Zorn ja — aber keine Angst. Eher Enttäuschung als Verzweiflung über ihre mißliche Lage.
«Ich werde veranlassen«, erwiderte er,»daß Sie und Ihr Gatte eine andere Kabine bekommen. Ihre eigene ist, wie ich höre, zerstört worden?»
«Ja. Und alle meine Koffer hin. «Zornig blitzte sie ihren Mann an.»Aber seine sind natürlich noch da!»
«Aber meine Taube!«Pareja fiel beinahe vor ihr auf die Knie.»Ich werde dich beschützen!»
Verwundert und unangenehm berührt, wandte Bolitho den Kopf ab und sagte zu Meheux:»Lassen Sie die beiden jetzt…«Er brach ab, denn draußen erklang ein Schreckensruf und dann ein Schuß. Er ergriff seinen Degen, stieß Pareja beiseite und stürzte hinaus, Meheux und Allday hinter ihm her.
Die Sonne schien so blendend, daß er in den ersten Sekunden nichts Besonderes erkennen konnte. Am Hauptluk standen noch einige Passagiere und warteten auf Verpflegung. Andere starrten angstvoll erschrocken zum Vorderkastell, wo zwei Männer hinter einer Drehbasse standen, die auf das Achterdeck gerichtet war. Neben dem Geschütz lag leise stöhnend einer von Meheux' Matrosen, dem das Blut aus einer Schulterwunde floß, wo ihn anscheinend eine Pistolenkugel getroffen hatte.