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Es war ein dicker, ängstlicher Mann, dessen kahler Kopf im Laternenlicht wie polierter Marmor schimmerte.»Ich spreche englisch, Captain! Ich werde ihnen sagen, daß sie gehorchen sollen; Sie müssen mich nur aus diesem schrecklichen Loch herausholen!«Vor Angst und Erschöpfung weinte er fast, aber er hielt noch irgend etwas krampfhaft fest in der Hand — eine Perücke, wie Bolitho jetzt erkannte.

«Ich hole Sie sofort heraus. Bleiben Sie auf der Leiter und sagen Sie ihnen Bescheid!«Der Unbekannte, der weder jung noch fest auf den Füßen war, tat ihm plötzlich leid. Aber im Augenblick war er sehr wertvoll, und man durfte ihn keinesfalls aus den Augen verlieren.

Der Kahlkopf besaß eine bemerkenswert tragende Stimme, wenn er auch ein paarmal absetzen mußte, um wieder zu Atem zu kommen.

Die Leute schrien nicht mehr ganz so laut, und auf seine Beschwörungen hin ließ der Ansturm auf die Leiter etwas nach.

Keuchend kam der Steuermannsmaat mit drei Matrosen herbeigeeilt.»Ah, Mr. Grindle, das ging schnell«, rief Bolitho ihnen entgegen.»Jetzt fangen Sie an, die Kinder nach oben zu bringen; weiß der Himmel, wieviel es sind. Und dann die Frauen. «Er brach ab, denn ein völlig verstörter Mann versuchte, an Ashton vorbei die Leiter hinaufzukommen. Er packte ihn am Rock und sagte grob:»Erklären Sie dem Mann, daß ich ihn über Bord werfen lasse, wenn er den Befehlen nicht gehorcht!«Etwas ruhiger fuhr er fort:»Bringen Sie alle arbeitsfähigen Männer an Deck zu Mr. Meheux!»

Zweifelnd wandte Grindle ein:»Das sind doch keine Seeleute, Sir!»

«Ganz egal. Geben Sie ihnen Äxte; sie sollen die Wrackteile kappen und alles losgerissene laufende Gut. Sie können auch die Geschütze über Bord werfen, wenn Sie es schaffen, ohne daß die Dinger an Deck herumrollen. «Er hielt inne und horchte auf den Wind, der gegen die Bordwand peitschte, auf das immer stärker werdende Stöhnen und Krachen der Planken, das von allen Seiten zu kommen schien.

Grindle nickte.»Aye, Sir. Aber retten werden wir das Schiff damit doch nicht.»

«Tun Sie, was ich sage. «Grindle wollte fort, aber Bolitho hielt ihn zurück.»Hören Sie, Mr. Grindle, eins müssen Sie kapieren: diese Menschen können nicht von Bord, denn es sind keine Boote mehr da, und bei diesem Seegang kann man kein Floß bauen. Ihre Offiziere sind tot, und jeden Moment kann Panik ausbrechen. «Grindle war ein erfahrener Mann; es gehörte sich, daß man ihm die Zusammenhänge erklärte, selbst in diesem kritischen Augenblick.

Der Steuermannsmaat nickte.»Aye, Sir. Ich tue, was ich kann.»

Er hob die Stimme:»He, ihr beiden da! Bewacht das Luk, wir gehen jetzt runter und holen die Kinder.»

Stolpernd kam ein Matrose durch den Gang.»Captain, Sir! Empfehlung von Mr. Meheux, und die Euryalus signalisiert!«Er riß die Augen auf, als sich Grindle mit zwei schreienden Babys, die er wie ein Bündel Leinwand unterm Arm hatte, durch das Luk quetschte.

«Helft Mr. Grindle!«befahl er scharf. Dann rief er Ashton zu:»Gehen Sie an Deck, sehen Sie nach, was sie will! Aber machen Sie schnell, mein Junge! Ich brauche bestimmt gleich wieder Ihre Spa-nisch-Kenntnisse!»

Mit jeder Minute schwoll die Flut der stolpernden, keuchenden Gestalten an; ab und zu griff ein Matrose dazwischen und holte einen

Mann heraus, der sich zwischen den Frauen verbergen wollte.

Bolitho gewann einen verschwommenen Eindruck von schwarzen Haaren und angstvollen Augen, von Tränenspuren in Gesichtern, von Verzweiflung, die jeden Moment in Panik umschlagen konnte.

Ashton war wieder da, er drängte und stieß sich durch die Menge, der Hut saß ihm schief.»Der Admiral wünscht zu wissen, wann Sie zurückkommen, Sir«, meldete er.

Bolitho versuchte, sich durch die Angst und den Lärm, die ihn von allen Seiten bedrängten, verständlich zu machen.»Signalisieren Sie zurück: >Brauche mehr Zeit<. In Kürze ist es stockfinster.»

Ashton starrte ihn ratlos an.»Es ist ja jetzt schon fast dunkel, Sir.»

«Und der Wind?«Er mußte nachdenken. Mußte seine Gedanken von der Masse dieser verschreckten, unwirklichen Gestalten losreißen.

«Stark, Sir. Mr. Meheux sagt, er wird immer stärker.»

Bolitho wandte sich ab. Es war entschieden. Vielleicht hatte er von Anfang an nicht daran gezweifelt.»Gehen Sie, setzen Sie Ihr Signal ab. Geben Sie noch durch, daß ich versuchen will, das Schiff binnen einer Stunde in Fahrt zu bringen.»

Ashton war völlig erschlagen. Vielleicht hatte er erwartet, daß Bo-litho befahl, das Schiff zu verlassen. Die Jolle konnte immer noch fahren, wenigstens mit einem Teil des Prisenkommandos.

Keuchend kam Grindle herbei, das graue Haar gesträubt wie dürres Gras.»Wie viele bis jetzt?«rief Bolitho ihn an.

Er kratzte sich den Kopf.»Ungefähr zwanzig Gören. Und Frauen sind es zirka fünfzig. «Grinsend bleckte er seine unregelmäßigen Zähne.»Des Seemanns Traum, möcht' man sprechen, Sir.»

Grindles Humor gab Bolitho die Ruhe wieder. Beinahe hätte er den Midshipman zurückgerufen, ehe er das Signal setzen konnte. Um in letzter Minute einen Kompromißvorschlag zu machen, den Broughton mit voller Berechtigung ablehnen würde, um ihn auf die Euryalus zurückzubeordern. Aber das kam nicht in Frage. Undenkbar, daß er Meheux hier allein weitermachen ließ, während er sich hinter seinem Rang als Flaggkapitän versteckte.

Ashton kehrte sehr schnell wieder zurück. Er war kreidebleich und sichtlich erschüttert.»Signal von der Euryalus, Sir. Wenn Sie sicher sind, die Prise retten zu können, sollen Sie sofort bestätigen. «Er schluckte heftig, denn etwas Hartes krachte aufs Oberdeck, und die Matrosen schrien und fluchten laut.

«Dann bestätigen Sie, Mr. Ashton!»

«In diesem Falle«, fuhr der Midshipman fort,»sollen Sie aus eigener Kraft zum Treffpunkt des Geschwaders laufen. Das Flaggschiff setzt Segel.»

Bolitho versuchte, seine Gefühle zu verbergen. Zweifellos war es Broughtons allergrößte Sorge, nicht die Kontrolle über sein Geschwader zu verlieren. Dort lag schließlich seine Hauptverantwortung. Wenn er sich von einem kräftigen Sturm erwischen ließ, konnte es ihn Tage kosten, bis er seine Schiffe wiederfand und erfuhr, ob Draffen etwas Nützliches herausgefunden hatte. Nüchtern überdachte Bolitho die Folgen seines Entschlusses. Keverne konnte recht gut auf eigene Faust fertig werden, das hatte er bereits bewiesen. Hier dagegen. Lieber nicht weiterdenken. Er schlug Ashton auf die Schulter.»Jetzt ab mit Ihnen!«Ashton rannte los, aber er rief hinter ihm her:»Gehen Sie langsam! Es kann nichts schaden, wenn Sie ruhig wirken, ganz egal, wie Ihnen dabei zumute ist.»

Der Midshipman wandte sich nach ihm um, rang sich ein Lächeln ab und setzte seinen Weg fort. Im Schritt.

Alldays Stimme übertönte den Lärm:»Können Sie an Deck kommen, Captain?«Er sah ein paar Passagieren nach, die von zwei bewaffneten Matrosen in die entgegengesetzte Richtung gescheucht wurden.»Verflucht noch mal, Captain, das ist ja, als ob die Tore der Hölle aufspringen!»

«Was soll ich jetzt tun, Sir?«fragte Grindle.

«Halten Sie die Passagiere ruhig, bis ich Sie ablösen lassen kann. Anschließend versuchen Sie, Seekarten aufzutreiben, und dann werden wir besprechen, was als nächstes zu tun ist.»

Er stieg hinter Allday die Leiter hoch und sagte dann:»Lassen Sie diesen Toten wegschaffen. Das ist kein Anblick für die Kinder, wenn es morgen hell wird.»

Allday sah ihn von der Seite an und lächelte grimmig. Erst hatte es so ausgesehen, als müßten sie das Schiff aufgeben. Jetzt sprach er von morgen früh. Vielleicht stand dann alles schon besser.

Oben an Deck fielen Wind und See Bolitho an wie tollwütige Meeresungeheuer. Es war schon fast kein Licht mehr, nur schmale Streifen von hellerem Grau leuchteten zwischen den schwarzen Wolken. Gerade so viel, daß er die Männer sehen konnte, die über das zernarbte Deck taumelten, und die leere Stelle, wo der zerschossene Besanmast zwischen dem zerfetzten laufenden Gut gelegen hatte.

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